Tichys Einblick
Das Saarland hat gewählt – Ist der „Schulz-Effekt“ schon verpufft?

Anne Will – Schulz-Effekt, eine infantile Politikbetrachtung

Das war doch ein schöner Sonntag! Die Sonne strahlte tagsüber wie Martin Schulz, wenn er die Wahl im Saarland gewonnen hätte. Dann hätten auch die Demoskopen und Demagogen allen Grund zur Freude gehabt.

Screenshot: ARD/Anne Will

Es war aber auch zu dumm. Ausgerechnet Annegret Kramp-Karrenbauer mit der PastorInnen-Frisur (ach, die ist das!), deren ganzen Namen wahrscheinlich 70% der Bundesbürger vor der Saarland-Wahl nicht fehlerfrei aufsagen konnten, muss nun zur Lichtgestalt hochstilisiert werden, zur Über-MenschIn – denn nur ein solches Wesen kann in der Lage gewesen sein, IHN zu stoppen.

Königin Leonida gegen den sozialistischen Gottkönig Xerxes Schulz und seine unzähligen Antifas und Hilfstruppen in rot-grünem Wams. Kein Wunder, dass nun Athene feixend in Berlin hockt und die Gefahr vorüber wähnt.

Es gibt ihn ja so gut wie nie im deutschen TV, diesen „Wir sind das Volk“-Moment. Wenn die Rechnung präsentiert wird nach LaberLaberRhabarber-Jahren. Rien ne va plus, und der Sieger ist …

Schon kurz nach sechs, Lindner im ZDF mit „Wir haben ja ein Stück zugelegt“ und die Aussage konterkarierendem Gesichtsausdruck. Dann ein saarländischer Grünenchef (Dorfschullehrer?) achselzuckend, als stünde er vor einem Haufen von einer umweltfreundlichen Windkraftanlage geschredderter Singvögel. (Wer’s noch nicht weiß: Grüne raus.)

Später tritt The Biggest Loser vor die Kameras. Tapfer schwingt Martin 100%-Schulz eine seiner berühmten Reden, bei denen sich die Worthülsen auftürmen. Bürgerinnen und Bürger … müssen zugeben … wird schon noch.

Bei Anne Will am Abend dann für die Freunde vom gespielten Witz: Kathrin Göring-Eckhardt. Das Saarland sei „sowieso schwierig“, aber weil sie „so viele junge Leute gesehen“ hat im Saarland, „bin ich guter Hoffnung“. Nun, in vier Jahren sind die jungen Leute auch vier Jahre älter und ob die mit Flüchtlingsstatus dann schon wählen dürfen, hat sie auch noch nicht schriftlich.

Eigentlich war KGE, wie Kenner sie nennen, erfreulicherweise die meiste Zeit still (Kontemplation der abgebrochenen evangelischen Theologiestudentin?), aber ein paar grüne (Wort-)Kirschen lassen sich immer in ihrem Plattitüden-Garten pflücken.

„Die Wahrheit ist, dass CDU und CSU gar nicht mehr eine Partei sind“ (wg. Seehofer), schleuderte sie Richtung Volker Kauder. Und Malu Dreyer gab sie mit, dass die SPD auch einen Otto Schily in ihren Reihen habe, der gegen die „offene Gesellschaft“ sei.

Dass CDU/CSU niemals eine Partei waren und Schily dereinst Ober-Grüner als KGE womöglich noch SED-Kampflieder schmetterte – wer würde es ihr verübeln, wenn sie in der Lausitz evangelische Pastorin geworden wäre? Aber solch eine hohle Nuss am Strauch der Erkenntnis als Vorsitzende einer Regierungsverantwortung anstrebenden Partei?

Nun ist Volker Kauder, einer von Merkels Buben, auch nicht gerade eine Zierde des Politikergeschlechts, obwohl er seit hundert Jahren nichts anders gemacht hat, aber für die verwirrte Kathrin in einer TV-Talkshow reicht es denn doch. Wir haben allerdings nicht vergessen, dass Kauder „für US-Waren jetzt auch Strafzölle“ forderte, „Anti-Putin-Demonstrationen in Deutschland vermisst“ und vom Internet so wenig Ahnung hat, dass er da wie beim TV am liebsten Parteien, Christen, Moslems und andere Minderheiten als Aufsicht installieren würde, denn „wenn das Netz weiter lügt, ist mit Freiheit Schluss“.

Natürlich freut er sich wie Bolle, dass Schulz verloren hat (von der saarländischen Herausfordererin sprach kein Mensch), erkannte das als Votum gegen R2G, schwätzte des weiteren von „Arbeit machen“, oder „Alle versammeln sich hinter Angela Merkel“ und … „Jetzt lassen Sie mich mal ausreden, Frau Wagenknecht!“

„Ich dachte, Sie sind endlich fertig“, konterte Oskars Sahra. Und ja, das hofften wir auch. Sahras SED-NOW ist immerhin dritte Kraft, aber die SPD hat‘s halt vergeigt, dass sie in der Regierung sitzen kann. Ansonsten nutzte Sahra die Zeit, um gleich den nächsten Wahlkampf zu starten. Hartz 4, soziale Gerechtigkeit, das Programm ist aus vielen Sendungen bekannt. Dann lockte sie Malu Dreyer, doch wenigstens im Bund sofort R2G zu machen, bevor das auch zu spät sei. Doch die stand noch unter Schock. Bevor wir uns ihr zuwenden, müssen wir leider noch Sahra Wagenknecht konzedieren, dass uns eine ihrer Populisten-Nummern ziemlich gut gefallen hat: „Wieso hat in Österreich ein normaler Rentner 800 Euro mehr bei gleicher Einzahlung als in Deutschland?“ Verdammt! Ja, warum?

Die Malu konnte es noch gar nicht fassen, dass außerhalb der Partei Schulz keine hundert Prozent bekommt. Nein, heute sprach sie nicht in diesem Ton mit uns, den Kita-Betreuerinnen für ihre schweren Fälle reserviert haben. Eher wie eine Lehrerin, kurz vorm Pausengong, rasselte sie noch schnell runter, wofür der Martin steht: Für gebührenfreie Bildung, für Europa und so Sachen eben. Auf jeden Fall „entwickelt die SPD gerade ein Programm, das zu Martin Schulz passt“. Hallo? Erst der Mann, dann wird das Programm passend gemacht? Aber der Name bleibt, oder heißt SPD dann Schulz Passt Das?

Menschlich tief enttäuscht war die Malu von den Wahlwahrsagern, die alle falsch lagen. Und sogar von den Zeitschriften, in denen der Sieg von Schulz schon gefeiert wurde. Von denen saß Markus Feldenkirchen vom Spiegel da, den Anne Will stolz „Kollege“ nannte, immerhin hat sie neben dem Studium auch mal beim Spandauer Volksblatt gearbeitet.

Der Kollege fand das Gerede über den „Schulz-Effekt“ eine „infantile Politikbetrachtung“. Das gleiche haben wir auch gedacht bei der Spiegel online Überschrift „Schulz-Effekt zieht SPD weiter nach oben“.