Tichys Einblick
Gender in der Fauna

Warum manche Tiere noch viel diverser sind als Menschen

Das Geschlecht sei eine soziale Konstruktion, behauptet man in den Gender Studies als angeblichen Minimalkonsens. Dazu ein paar satirische Anmerkungen aus Sicht eines Zoologen zum Sexualleben einiger Tiere. Von Max von Tilzer

imago Images/Imagebroker

Die Geisteshaltung, die wider besseres Wissen in allen Bereichen des Lebens Politische Korrektheit fordert, breitet sich weltweit in erschreckendem Tempo aus. Obwohl das gar nicht so lustig ist, will ich meinem Frust über diese Entwicklung hier auf satirische Art Luft machen. Ich will versuchen, in meiner Kapazität als gelernter Zoologe die Absurdität zweier rein ideologisch motivierter Auslassungen in pseudo-wissenschaftlichem Gewand zu verdeutlichen.

Vollmundig heißt es auf einer Homepage der Freien Universität Berlin zum Thema „Gender Studies“: „Die Annahme, dass Geschlecht eine soziale Konstruktion ist, kann in weiten Teilen der Frauen- und Geschlechterforschung als eine Art Minimalkonsens gelten.“ Auf welchen nachprüfbaren Fakten beruht denn dieser „Minimalkonsens“? Muss die durch nichts rational begründbare Leugnung der auf den ersten Blick evidenten menschlichen Geschlechtsunterschiede wirklich Gegenstand wohldotierter Forschung sein? Im Jahr 2017 gab es an deutschen Hochschulen bereits 200 Professuren für dieses „Fach“. Nicht uninteressant wäre hier die Frage, ob bei der Besetzung der Stellen ebenfalls die Quotenregelung angewandt wird, wie ja inzwischen in allen Fachrichtungen üblich. 

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Das würde konsequenterweise bedeuten, dass mindestens 100 der deutschen Genderprofessuren mit Männern zu besetzen sind. Ob ich auf meine alten Tage unter dieser Voraussetzung vielleicht noch eine Chance auf einen Job hätte? Sollte das der Fall sein, würde ich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft einen Antrag unter dem Titel: „Gender Studies im Tierreich“ stellen. Ausgangspunkt meines Forschungsprojekts wäre die Frage, ob die Jungfernzeugung auf die Heilige Maria beschränkt ist, und wie es ganz allgemein um die sexuellen Praktiken bei Tieren im Vergleich den Menschen aus Sicht der Biologie steht. Da Homo sapiens ja, wie wir seit Charles Darwin wissen, vom Affen abstammt, und die Affen ihrerseits, ausgehend von simplen Einzellern, zahlreiche sehr unterschiedliche Vorfahren im Tierreich haben, ziehe ich den Schluss, dass das Studium des Liebeslebens der Tiere für das Verständnis der vielfältigen Formen menschlichen Reproduktionsverhaltens wertvolle Hinweise geben könnte. Und wahrhaft Erstaunliches würde sich da zeigen! Denn, um mit Shakespeare zu sprechen, es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Eure Schulweisheit sich träumen lässt. 

Leider muss ich mich aus Platzgründen auf drei Beispiele beschränken: 

  • Fallstudie 1: Im Bodensee, und in fast allen anderen Seen der Welt, verzichten die meisten Rädertiere, die (obwohl sie gar nicht so ausschauen) zu den Niederen Würmern gehören, wie auch die Wasserflöhe, die keine Insekten, sondern Blattfußkrebse (nota bene ohne Plattfüße) sind, während des gesamten Sommers auf jeglichen Sex, sondern produzieren stattdessen ihren zahlreichen Nachwuchs per Jungfernzeugung (im Fachjargon Parthenogenese genannt). Irgendwann im Herbst wird ihnen das aber doch zu fad, und sie geben sich für kurze Zeit der ungezügelten Wollust hin. Dies scheint sie aber derart anzustrengen, dass sie schließlich erschöpft in einen tiefen Winterschlaf fallen. Wie süß ihre Träume sind, ist noch nicht erforscht worden – soweit ich weiß. 

Wasserfloh (Daphnia pulex) aus Wesenberg-Lund: Biologie der Süßwassertiere, deutsche Ausgabe besorgt durch Otto Storch; Verlag von Julius Springer, Wien, 1939.

  • Fallstudie 2: Das Liebesleben der zu den Igelwürmern gehörenden Meerquappen (auf lateinisch viel hübscher Bonellia viridis genannt) müsste eigentlich die Emanzen aller Länder vor Neid erblassen lassen. Denn wenn ein in sexueller Hinsicht noch unentschlossenes Bonellia-Kind einer erwachsenen, 5-10 cm langen Meerquappendame begegnet, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich zu einem nicht mehr als 2-3 mm messenden Zwergmännlein zu entwickeln und fortan die ehelichen Pflichten als Bewohner der Gebärmutter seiner Eheliebsten zu erfüllen. Ganz wie den Menschenfrauen ergeht es allerdings den bedauernswerten Quappenweibchen, die keine Männer ergattern können (und seien sie auch noch so klein): Sie müssen den Rest ihres Lebens als alte Jungfern fristen. 

Meerquappe (Bonellia viridis), aus Alfred Kaestner: Lehrbuch der Speziellen Zoologie, Band 1: Wirbellose, 1. Teil; VEB Gustav Fischer Verlag, Jena, 1965. 

  • Fallstudie 3: Am besten haben es sich ganz offensichtlich die Weinbergschnecken eingerichtet. Diese sind nämlich divers, das heißt, einfach beides: männlich und weiblich. Sie können sich, auch ohne Vermittlung durch Parship, des gemeinsamen Liebeslebens mit ihren Gespiel*innen erfreuen – sie machen gleichzeitig auf Galan und auf Dulcinea. Ihre jeweiligen Partner*innen tun genau dasselbe, nur umgekehrt (Ich bediene mich in diesem Kontext sicherheitshalber einer gendergerechten Sprache, um nicht Gefahr zu laufen, als automatisch machoverdächtiger weißer Cis-Mann, außer in die rassistische, womöglich auch noch in die sexistische Ecke gestellt zu werden. Zur Erhöhung meiner Glaubwürdigkeit nutze ich den Leitfaden nebst Informationen, Tipps und Empfehlungen für Gendergerechtes Formulieren, welcher von Anita Prettenthaler-Ziegerhofer in Zusammenarbeit mit Katharina Scherke und Ulrike Schustaczek im Rahmen des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen an der Universität Graz, unter Verwendung von Literatur der Jahre 2000 bis 2012 aus Frankfurt, Klagenfurt und Wien, in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt worden ist.).

Die Paarung von Weinbergschnecken (Helix pomatia)

Wie vergleichsweise langweilig ist da doch die geschlechtliche Orientierung bei den Menschen! Denn die meisten von uns sind doch einfach nur Mann oder Frau. Vielleicht liegt das ja daran, dass uns, sehr im Gegensatz zu den Tieren, inzwischen bereits auf jedem besseren Handy eine Navi-App zur Verfügung steht, die uns die Orientierung erleichtert. Nach einer Erhebung in den USA aus dem Jahre 2016 fühlen sich nicht mehr als 4,1% aller Männer anderen Männern mehr zugetan als Frauen, und 2,8% aller Frauen finden andere Frauen anziehender als Männer. In Australien mit seiner diesbezüglich bekannt liberalen Politik ist es nach einer im Jahr 2019 veröffentlichten Studie der University of Queensland über junge Frauen anscheinend komplizierter: Von ihnen sind nämlich nur 58,8% „exclusively heterosexual“, des weiteren 25,6% „mostly heterosexual“, 10,2% „bisexual“, 1,2% „mostly lesbian“ und 1% „lesbian“, und 3,4% gaben „other responses“. Die Geschichte wird außerdem dadurch unübersichtlich, dass, zumindest „down under“, die Vorlieben im Laufe des Lebens nach Lust und Laune zu variieren scheinen. 

In genderrelevanten Angelegenheiten eifern die Deutschen den Australiern nach. Denn Deutschland ist, wie die Webseite Queer.de verkündet, mit 7,4% der Bevölkerung Europameister bei der Gesamtzahl von LGBT-Menschen, das ist um ein Viertel mehr als der EU-Durchschnitt. Die Genderisten brüsten sich damit fast genauso wie die Fußballfans mit einem Sieg von Bayern München in der Champions League. Allerdings überwiegen auch hierzulande immer noch die Menschen, deren Geschlechtszugehörigkeit ganz langweilig von den X-X- beziehungsweise X-Y- Chromosomen abhängt. Genderunentschlossene Personen fallen inzwischen unter den Oberbegriff Trans*, womit man laut O-Ton der Antidiskriminierungsstelle des Bundes „verschiedene Menschen bezeichnet, die sich nicht beziehungsweise nicht nur mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren“. In Deutschland sind das nach groben Schätzungen etwa 0,5% aller Einwohner. Geschlechtsumwandlungen werden von der Gesellschaft in zunehmendem Maße akzeptiert, sind aber für die Betroffenen mit erheblichen medizinischen und psychischen Problemen verbunden. Dies ist mit Sicherheit ein wichtiger Grund dafür, dass der Anteil der tatsächlichen Geschlechtsumwandlungen deutlich niedriger ist als jener der genderunentschlossenen Personen. Bis zum Jahr 2011 hatten sich insgesamt nicht mehr als 0,014% aller Deutschen einer Geschlechtsumwandlung unterzogen. Dieser Anteil ist mittlerweile gestiegen, da zwischen 2012 und 2018 die Zahl derartiger Eingriffe von 883 auf 1816 pro Jahr angewachsen ist. 

Seien wir aber trotz allem froh und dankbar dafür, dass wir sexuell so flexibel sein dürfen, was ja auch bei uns erst seit kurzem der Fall ist. Denn das ist in anderen Teilen der Welt beileibe keine Selbstverständlichkeit! So wird zum Beispiel in vielen muslimischen Ländern selbst Homosexualität im günstigsten Falle mit 100 Peitschenhieben, im ungünstigsten durch Steinigung zum Tode bestraft, Tendenz steigend. Die Verfechter*innen des Genderismus sollten, anstatt die deutsche Sprache durch politisch korrekte, „genderneutrale“ Endsilben zu verunstalten, nicht nur mit Worten, sondern vor allem mit Taten gegen derartige Menschenrechtsverletzungen und die himmelschreiende Unterdrückung von muslimischen Frauen, auch in Europa, vorgehen.

Summa summarum können wir also festhalten: Die Tiere sind bezüglich ihres Liebeslebens wesentlich diverser als wir Menschen, obwohl auch dort die meisten entweder eindeutig männlich oder eindeutig weiblich sind. Was gibt es unter diesen Umständen für die über 200 Genderprofessor*innen überhaupt noch zu erforschen? Meine zugegebenermaßen ketzerische, vielleicht auch naive abschließende Frage in diesem Zusammenhang ist, was man mit den zur Finanzierung der Gender Studies ausgeschütteten Mitteln sonst alles machen könnte, wo doch zu Recht immer lamentiert wird, es gäbe nicht genug Geld für die Wissenschaft…

Rassismus, auf den Hund gekommen

Das Palmström-Prinzip oder:
Wenn wissenschaftliche Fakten nicht in den politischen Kram passen
Im Jahre des Herrn 2018 wurde durch die Deutsche Zoologische Gesellschaft, die Friedrich-Schiller-Universität und das Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena ex cathedra verkündet: „Das Konzept der Rasse [ist] das Ergebnis von Rassismus und nicht dessen Voraussetzung“. Ein zugegebenermaßen apartes Detail in dieser, als Jenaer Erklärung in die Wissenschaftsgeschichte eingegangenen Enzyklika ist der Umstand, dass, trotz der aus Gründen der Politischen Korrektheit verfügten Abschaffung der Rassen beim Menschen, die Beibehaltung von Haustierrassen gestattet wurde. Ob dies aus Großzügigkeit oder aus Tierliebe geschehen ist, kann ich nicht beurteilen. Was auch immer der Grund für diese Entscheidung gewesen sein mag – sie könnte unter Umständen unerwartete und zudem unerwünschte Konsequenzen haben, wie ich im Folgenden am Beispiel unserer ältesten Freunde im Tierreich, den Hunden, demonstrieren werde. Denn wir sind ja bereits seit mindestens 20.000 Jahren (und vielleicht sogar schon doppelt so lange), um es mit Konrad Lorenz auszudrücken, auf den Hund gekommen. 

Die Auszeichnung durch den Nobelpreis, welchen Lorenz gemeinsam mit seinem Landsmann Karl von Frisch und dem Niederländer Niko Tinbergen für die Begründung der Verhaltensforschung im Jahre 1973 erhalten hatte, wurde allerdings post festum im Interesse der Political Correctness durch den in „BR Wissen“ verkündeten Zusatz relativiert, dass Lorenz angeblich auch den Nazis Argumente für ihre Rassenideologie geliefert hätte. Ich konnte dies nach der Lektüre mehrerer seiner Bücher allerdings nicht verifizieren. Glücklicherweise gab es zu Lebzeiten von Charles Darwin noch keinen Nobelpreis! Denn sonst wäre es ihm wahrscheinlich ähnlich ergangen wie Lorenz, da sich der Sozialdarwinismus, wie uns die Soziologen als Hohepriester der Politischen Korrektheit aufklären, der unkritischen und fehlerhaften Übertragung von biologischen Gesetzmäßigkeiten auf die menschliche Gesellschaft schuldig gemacht haben soll. 

Kehren wir also lieber schleunigst zu den Hunden zurück. Diese haben in der langen Zeit ihres Zusammenlebens mit uns so manche menschenähnlichen Verhaltensweisen angenommen, welche zumindest mich als Zoologen und Hundeliebhaber immer wieder auf’s Neue in Erstaunen versetzen. Daraus könnte man doch die Vermutung ableiten, dass das, was den Menschen recht ist, auch den Hunden billig sein könnte. 

Der Autor mit Zorro, seinem Belgischen Schäferhund, um 1960. Die Farbe von Zorros Fell bewahrt (wie der Verfasser zumindest hofft) diesen bereits seit seiner Jugend vor dem Vorwurf des Rassismus.

Also will ich zwei alternative, jedoch hoffentlich rein hypothetische Szenarien bezüglich des Themas „Hunderassen“ gedanklich durchspielen:

  • Szenario 1 geht von der Beibehaltung der Hunderassen aus, wie durch die Jenaer Erklärung höchstamtlich genehmigt, was mich für die Hunde wirklich freut. Denn nach Schätzung der Fédération Cynologique Internationale gibt es insgesamt etwa 800 verschiedene Hunderassen. Ihr Fortbestehen könnte allerdings zwei höchst bedenkliche Folgen haben: Die eine Möglichkeit wäre, dass sich die Rassehundezüchter früher oder später als geistige Nachfahren des von der SS getragenen, staatlich geförderten Vereins „Lebensborn“ entpuppten, dessen Ziel es war, auf der Grundlage der nationalsozialistischen „Rassenhygiene“ eine Erhöhung der Geburtenzahlen „arischer“ Kinder zu erreichen. Schlimmste Hunde-Eugenik also, für welche die Hunde selber aber nichts könnten. Die andere Möglichkeit bestünde darin, dass sich auch unter den Hunden irgendwann rassistische Vorurteile ausbreiten könnten. Zum Beispiel dann, wenn sich ein Bernhardiner in Anbetracht seiner Körpergröße urplötzlich dem Pudel überlegen fühlte, obwohl diesem bekanntlich kein geringerer als der Herr Geheimrat Goethe ein hohes Maß an Klugheit bescheinigt hat. Aber es könnte noch wesentlich schlimmer kommen: Nämlich dann, wenn sich die Rottweiler eines Tages abfällig über die Afghanischen Windhunde äußern würden. Das wäre in der Tat nicht auszudenken! Denn in diesem Falle wären die Rottweiler ja nicht nur rassistisch, sondern zusätzlich auch noch islamophob. Als besonders in Deutschland bevorzugter Polizeihund steht der Rottweiler ja ohnehin bereits jetzt automatisch unter dem Generalverdacht des strukturellen Rassismus.
  • Szenario 2 könnte eintreten, falls es irgendwann einmal selbst den Jenaer Erklärern dämmern sollte, wie wissenschaftlich unhaltbar und überdies unlogisch es ist, die Rassen beim Menschen abzuschaffen und gleichzeitig bei den Hunden beizubehalten. Dann könnte es nämlich passieren, dass sich auch bei unseren vierbeinigen Freunden die Auffassung durchsetzte, ihre 800 Rassen wären nichts als soziale Konstrukte. Daraufhin würde sich ein größenwahnsinniger Zwergpinscher vielleicht auf einmal als Deutsche Dogge fühlen. Es könnte in einem solchen Falle immerhin ein schwacher Trost sein, dass das Umgekehrte etwas weniger wahrscheinlich wäre.

Abschließend will ich wieder in die Rolle des „Wutbürgers“ schlüpfen und zwei Fragen stellen: Sind viele Menschen dank der politisch korrekten Dauerberieselung inzwischen so verblödet, dass sie diesem so offensichtlichen Stuss wirklich Glauben schenken? Oder getrauen sie sich aus Furcht vor „persönlichen Nachteilen“ nicht mehr, ihre Zweifel an derartigem Unsinn auch offen auszusprechen? 


Max von Tilzer war Professor für Aquatische Ökologie an der Universität Konstanz und von 1992 bis 1997 wissenschaftlicher Direktor des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung Bremerhaven.