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Spahn will Deutschland-Fahnen an Impfzentren und Arztpraxen

Spahn erklärte außerdem, sein Ministerium arbeite gerade Pläne aus, wie der patriotische Charakter der Impfung noch weiter gestärkt werden könne. „Wir wollen, dass Geimpfte auch im Alltag ihren Dienst an der Gesellschaft voller Stolz zeigen können – durch einen Anstecker in Form einer kleinen schwarzrotgoldenen Fahne“. Den erhalte dann jeder im Impfzentrum oder beim Arzt automatisch mit der Eintragung in den Impfpass.

IMAGO/photothek

Berlin (ATN). Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat eine neue Aktion zur Steigerung der Impfbereitschaft angekündigt. „Ab 1.September werden an allen Impfzentren im Lande Deutschland-Fahnen gehißt. Damit will die Bundesregierung ein weithin sichtbares Zeichen setzen – Impfen ist ein patriotischer Akt. Man schützt nicht nur sich selbst, sondern uns als Gesellschaft“. Darüber sei man sich laut Spahn in der letzten Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin einig gewesen. Es habe aber erst noch der Abstimmung im Umlaufverfahren mit den Ländern bedurft, damit diese – aufgrund des Bundestagsbeschlußes über die epidemische Notlage mögliche – Ausnahmeregelung in der Beflaggungsordnung des Bundes auch von allen Ländern umgesetzt werde. Spahn appellierte an alle Ärzte und Fachärzte, die Corona-Schutzimpfungen vornehmen, auch aus den Fenstern ihrer Praxen Deutschland-Fahnen herauszuhängen. „Was bei Fußball-WM üblich ist sollte doch für den guten Zweck auch möglich sein“.

Spahn erklärte außerdem, sein Ministerium arbeite gerade Pläne aus, wie der patriotische Charakter der Impfung noch weiter gestärkt werden könne. „Wir wollen, dass Geimpfte auch im Alltag ihren Dienst an der Gesellschaft voller Stolz zeigen können – durch einen Anstecker in Form einer kleinen schwarzrotgoldenen Fahne“. Den erhalte dann jeder im Impfzentrum oder beim Arzt automatisch mit der Eintragung in den Impfpass. Laut Spahn soll das zunächst für jene gelten, die sich nach dem Stichtag 1.September impfen lassen. „Wenn wir alles geregelt haben, können sich dann auch alle schon 50 Millionen Geimpften in Deutschland diesen Anstecker holen“, so Spahn. Der Anstecker zeige somit ohne weitere Ausweisformalitäten den Impfstatus an und sei de facto der Schritt ins normale Leben wie vor allen Grundrechtseinschränkungen der Corona-Zeit. „Der Anstecker ist in Corona-Zeiten dasselbe wie die Ordensminiatur des Bundesverdienstkreuzes, das am linken Revers getragen wird“, so Spahn. Der Träger habe sich um Deutschland verdient gemacht.

Um Betrügereien mit den Ansteckern zu vermeiden, werde man auf das bei der Verteilung von FFP2-Masken bewährte Verfahren Anfang des Jahres zurückgreifen mit fälschungssicheren Gutscheinen und der Verteilung über die Krankenkassen. „Das war zwar 2,8 Milliarden € teuer“, so Spahn, „hat aber doch gut geklappt“.

Als Einführung der „Impfpflicht durch die Hintertür“ kritisierte FDP-Vize Wolfgang Kubicki Spahns Plan. “Wer außer ein paar geistig Verwirrten bei der Linkspartei und linksextremen Chaoten, will schon kein Patriot sein“. Die Grundrechte müßten den Menschen uneingeschränkt zurückgegeben werden.

Der Fraktionsvorsitzende der AfD im Thüringer Landtag, Björn Höcke, lobte Spahns Vorhaben. “Es war überfällig, dass ein CDU-Regierungsmitglied sich wieder mal zur Deutschland-Fahne bekennt“. Es bleibe unvergessen, wie Bundeskanzlerin Merkel bei der Siegesfeier der CDU nach der Bundestagswahl 2013 Generalsekretär Gröhe ein Deutschland-Fähnchen aus der Hand gerissen habe. Höcke schlug zudem vor, in den Impfzentren über Lautsprecher zu jeder vollen Stunde die deutsche Nationalhymne zu spielen. „Da kann Spahn mal zeigen, ob er ein wahrer deutschen Patriot ist“.

Die Jugendorganisation der Linkspartei „solid“ kündigte Widerstand gegen Spahns Fahnen-Plan an. Sie fordert nach dem Vorbild ihrer Aktion bei der Fußball-WM 2018 zum Knicken der schwarzrotgoldenen Fahnen auf. Sie seien ein Symbol der Ausgrenzung von Migrant*innen und People of Colour, die nicht als Teil des nationalen Kollektivs betrachtet würden.

Grünen-Co-Chef Robert Habeck hat sich nicht mit dem deutschen Impfstoff von Biontech sondern mit dem britischen von AstraZeneca impfen lassen und zwar „als Beitrag dafür, dass die Gesellschaft insgesamt resilienter gegen das Virus wird“. Das sehe er genauso wie Jens Spahn, aber das aus Patriotismus zu tun, lehne er ab. „Patriotismus, Vaterlandsliebe also, fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland nichts anzufangen und weiß es bis heute nicht.“

Der Zentralrat der Muslime hat die islamischen Gläubigen in Deutschland aufgefordert, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen. Der Vorsitzende Aiman A.Mazyek erklärte, ein Teil der Muslime sei nicht etwa aus religiösen Gründen noch ungeimpft. Viele seien einfach bequem, es gelte, sie aus der Impflethargie herauszuholen. “Deshalb wäre es ein gutes Zeichen für integratives Zusammenleben in Deutschland, wenn Herr Spahn seine Idee erweitern würde und an einem Tag der Woche türkische Flaggen über den Impfzentren wehen würden“. Auch Türken in Deutschland seien Patrioten.


Claudia Pritt

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