Tichys Einblick
Achtung, Glosse

Nachsitzen mit Luisa Neubauer beim niedersächsischen Abitur

Deutschland ist, wenn Wirklichkeit und Satire nicht mehr unterscheidbar sind. Etwa wenn ein Artikel von Luisa Neubauer zum Prüfungstext im Abitur avanciert. Aber es ist ernst, weil die richtigen Antworten zeigen, wie manipulativ der Schulunterricht mittlerweile ist.

IMAGO/Future Image, Fotostand - Collage: TE

Twitter ist schon genial, wenigstens seit Elon Musk dort dem altmodischen Wert der freien, unzensierten Rede und der Meinungsfreiheit wieder zum Recht verholfen hat. Und so kam es, dass ich über einen Tweet aus der Luisa Neubauer Schule für klimageschädigtes Denken stolperte, in dem sie voller Stolz verkündete:

„Heute wurde in Niedersachsen Politik-Abitur geschrieben – und ein Teil davon war mein Essay zur Klimapolitik der Ampel & der Notwendigkeit für breiten Einsatz gegen die Klimakrise. Daumen für alle Beteiligten sind gedrückt.“

Achtung Glosse
Niedersachsen: Luisa Neubauer als Ehrengast im Abitur
Obwohl ich mich jetzt beteilige, gehe ich allerdings mal davon aus, dass Luisa Neubauer mir die Daumen nicht drückt, denn das wäre Rechts oder noch schlimmer, so ein Leugner-Ding. Macht nichts, ich melde mich hiermit zum Niedersachsen-Abitur an und werde die Nasen im Kultusministerium für jede Note verklagen, die nicht auf 15 Punkte lautet.

Ab hier gilt: Vorsicht Satire!

1. Aufgabenstellung:

Analysieren Sie den Ihnen vorliegenden Text „Nur weil die richtigen regieren, wird nicht gleich richtig regiert“ von Luisa Neubauer, erschienen in der Zeit am 8. Juni 2022, fassen Sie die Aussagen zum Agieren der Regierung zusammen und erläutern Sie, welche Optionen von Bürgern, Vereinen und sozialen Gruppen die Klimaaktivistin aufführt.

2. Zusammenfassung:

Der detaillierten Zusammenfassung des Textes von Frau Neubauer stelle ich eine Analyse ihres Hintergrunds voran, um die geforderte Analyse der Handlungsoptionen ins passende politische Licht zu setzen und den politisch-informativen Mehrwert für den Korrektur lesenden Staatsbeamten zu maximieren.

Luisa Neubauer entstammt einer Dynastie von philanthropisch-aktivistischen Polit-Unternehmern, deren Tradition im Sinne der Symbiose von jeweiligem Zeitgeist mit wahrem unternehmerischem Geschäftssinn sie in vorbildlicher Weise verkörpert. Bereits einer ihrer Vorfahren war in den 1940er Jahren des 20. Jahrhunderts um die Verbesserung des Ökosystems auf der dem Großdeutschen Reich vorübergehend angegliederten Halbinsel Krim bemüht, wo die indigene, damals erstmals vom russischen Joch befreite Bevölkerung sich begeistert für die unentgeltliche Arbeit beim Anbau von Tabak unter seiner Führung einschreiben ließ.

Das mit soviel gutem Menschentum erworbene Vermögen wurde in den Jahren der jungen, aufstrebenden Bundesrepublik weise in die Produktion von gesundheitsfördernden Inhalaten der Marke Peter Stuyvesant investiert, der Lohn dieses Dienstes an der öffentlichen Gesundheit machte die ganze Familie wohlverdient zu Milliardären, was sich heute als besonderer Segen erweist, enthebt es doch die Autorin des zu besprechenden wegweisenden Textes der Sorgen des Alltags gemeiner Bürger und ermöglicht es ihr, sich mit voller Kraft diesmal nicht nur dem Wohl weniger Eingeborener an der Schwarzmeerküste zu dienen, sondern der ganzen Menschheit einen Eisbärendienst am Klima zu erweisen.

Der Geschäftszweig gesundheitsfördernder Inhalate wurde bereits vor längerer Zeit aus dem Portfolio heraus verkauft und heute können wir hoffentlich davon ausgehen, dass das Family Office ihrer vorausschauend agierenden Familie beizeiten in all die schönen Dinge investiert haben sollte, die zur Rettung des Klimas beitragen. Das wollen wir jedenfalls hoffen. Nur Böswillige können unterstellen, dass es in diesem Fall Eigennutz für die Investitionen der Familie wäre, die das menschenfreundliche Handeln der Autorin bestimmt. Und wo steht geschrieben, dass man nicht Erfolg und Philanthropie auf wunderbare Weise miteinander verknüpfen könnte, wenn man so investiert hätte? Zeigen nicht die Beispiele Gates und Soros auf, wie verdienstvoll das ist?

Nun also wendet sich das derzeit bekannteste Gesicht der erfolgreichen Inhalat-Dynastie mit ihrer Aufmerksamkeit wieder nach Osten, wo die wunderschönen Tabakfelder jetzt in der Hand der Russen sind. Aber ich schweife ab und das sollte ich in einem Abituraufsatz nicht machen.

Neubauer titelte ihren Artikel „Nur weil die richtigen regieren, wird nicht gleich richtig regiert“ und setzte damit gleich mal die richtige Tonalität. Denn dass aktuell die richtigen regieren, bedeutet, dass in dieser verunfallbaren Demokratie es passieren kann, dass die falschen regieren. Wie man das verhindert, hat übrigens eine andere ganz wunderbare Frau der deutschen Politik demonstriert als sie sagte: „Das muss rückgängig gemacht werden!“ Was aber steht drin?

Die Autorin schlägt in genialer Weise den Bogen vom Klimaproblem zur Geopolitik und erkennt: Der Krieg ist böse und fossil, insbesondere weil der klar identifizierte Aggressor, den bestimmt schon der oben erwähnte Vorfahr als tückisch und hinterhältig kennenlernen musste, einen großen Teil seiner (Kriegs-)wirtschaft mit dem Verkauf von „braunen“ Energien, Öl, Kohle und Gas, finanziert. Deshalb lassen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Solidarität mit dem Opfer des fossilen Imperiums und gleichzeitig Ausstieg aus allem, was brennt. Wir dürfen nicht vergessen zu erwähnen, dass das natürlich bei dem einen oder anderen soziale Härten bedeutet, natürlich nicht bei uns selbst, wo denken Sie hin? Aber darum kümmern wir uns schon beizeiten und wenn nicht dann gilt der Satz des weisen Lord Farquaad: „Einige von euch sterben vielleicht, aber das ist ein Opfer, dass ich einzugehen bereit bin.“

Völlig zu Recht empört sich die grüne Leistungsträgerin darüber, dass die Bundesregierung jedoch nicht diesen offensichtlichen und guten Weg in ausreichendem Maße beschritten hat und obwohl sie es unterlässt zu schreiben, dies geschehe aus Feigheit vor dem Feind bzw. dem Volk, ist es genau diese Diagnose die man den schwachen, weichen und eben nicht in echten Stahlgewittern gehärteten Herren Habeck und Scholz unterstellen muss.

Volksentscheid in Berlin
Die Niederlage der Luisa Neubauer
Was tun diese Verräter am Klima stattdessen? Ja, genau: Sie bauen LNG-Terminals, gehen langfristige Lieferverträge mit anderen Despoten für Öl und Gas ein und vertrösten die Helden der sozialistischen Klimaarbeit auf später. Messerscharf analysiert sie die unglückselige Rolle der Industrie, insbesondere von Klimakiller-Profiteuren und Gazprom-Freunden wie der BASF, deren billige und durchschaubare Propaganda bei dem naiven Scholz auf fruchtbaren Boden gefallen sein muss, der gleiche Scholz, der sich beim Katholikentag an den seit fast 100 Jahren bewährten Methoden des politischen Kampfes für die gute Sache gestört hat, ausgerechnet er… und außerdem: Andere mit Nazis zu vergleichen, darauf haben wir schließlich ein Monopol, um nicht zu sagen, das haben wir schon seit den 40er Jahren zum Patent angemeldet. Wer was anderes sagt, konsumiert die Inhalate der falschen Marke, also der bösen Konkurrenz.

Und sie fragt rhetorisch geschickt: Wenn die Klimakrise nicht ausreicht, diese Herren zur Vernunft zu bringen, was dann?

Daher ist es wichtig daran zu erinnern, was jetzt schnellstens alles verboten werden muss: Schneller als 20 km/h zu fahren, zu fliegen, in der Stadt überhaupt Auto zu fahren und – so hätte jedenfalls Greta Thunberg ergänzt: Zur Not auch das Atmen. Ich habe übrigens Einsteckbildchen der Klimaheiligen fürs Gebetbuch der seligen Nachhaltigkeit gesammelt, wo sie das auch schon mal selbst vorbildlich geübt hat, das Luftanhalten fürs Klima. Man wird ganz vom heiligen Zorn erfüllt beim Betrachten, aber das nur am Rande.

Nur an eben diesem Rande möchte ich auch erwähnen, dass der Philosoph auf dem Klimaolymp, Robert III., diese Verbotsliste in nachgerade genialer Weise ergänzt und erweitert hat, denn ich bin sicher, er hat sich die zitierte Philippika von Frau Neubauer zu Recht zu Herzen genommen. Alle Heizungssysteme, die das Warmduschen ermöglichen, müssen verbannt werden aus diesem wunderbaren Land der technikbefreiten Romantik, das ist ja logisch. Denn auch ihm ist klar: Sie muss rigoros sein, die Energiewende, rigoros in historischen Dimensionen. Etwa so rigoros wie der Kanalbau des Genossen Stalin, der damals bei Ur-Großpapa leider auf der falschen Seite der Geschichte gestanden hat, aber Schwamm drüber, der Mann wusste wenigstens, wie man r-i-g-o-r-o-s buchstabiert. Geschichte schreiben ist nun mal nichts für schwache Nerven, wusste schon Urahn.

Aber um sicherzustellen, dass diese Truppe heimlicher Fossilschläfer auf Trab bleibt, muss eine Programmatik des Politagitprop-Kampfes her, der den Namen auch verdient hat. Was dürfen wir darunter verstehen? Besetzungen, Blockaden, Bürgerwehren… – nein, natürlich Bürgerbegehren – Forderungen an Abgeordnete, demonstrieren, protestieren und – auch als Schlagwerkzeug geeignet? – 100 km/h Temposchilder. Kurz zusammengefasst: Wunder müssen her, daran glauben tun wir ja heute schon.

3. Optionen von Bürgern, Gruppen und Aktivisten:

Ich scheibe das im Ich-Erzählstil der Autorin, weil ich so schön versuchen kann, mich in ihre Gedankenwelt hineinzuversetzen. Also: Zunächst ist es wichtig, das Narrativ in der Hand zu behalten. Das wusste schon Ur-Großpapa, hat ihm glaube ich der Himmler gesteckt, als er ihm diesen Dolch mal geschenkt hat. Für uns bedeutet das: Wer behauptet, dass die Klimakrise nicht real ist, den müssen wir gleich einsperren, haha, Scherz! Das macht man heute nicht mehr so, jedenfalls noch nicht. Fürs erste reicht es klarzumachen: Das sind Leugner, Aluhüte, Verschwörungstheoretiker, Nazis und Antisemiten, Putinversteher, Russenfreunde (habe ich auf dem Dachboden zwischen den alten Uniformen gefunden, den Begriff) und sie sind vor allem eines: Falsch abgebogen!

Das sollte fürs erste reichen.

Dann müssen wir die Nachrichten dominieren. Die sind eh alle auf unserer Seite, also auf der Seite der Polkappen und der Schweinswale (obwohl ich auch nicht weiß, wie die sich in den Artikel verlaufen haben). In die Nachrichten kommen wir am besten mit Rambazamba, Razzmatazz und Tohuwabohu, also mit Schadensmaximierung für alle, die auf die Leugner hören und deshalb noch Auto fahren. Das geht mit Blockieren und damit sie uns nicht davontragen mit Festleimen. Wir suchen uns dafür ein paar aus den weniger erfolgsverwöhnten grünen Beamtenhaushalten. Die werden uns schon auf den Leim gehen, buchstäblich, hahaha! Aber damit fangen wir bitte schön erst an, wenn unser Family Office ein paar Leimhersteller aufgekauft hat. Schließlich muss ich als unverzichtbare Heldin zur Rechten der heiligen Jeanne d’Arc unser Tage, Greta Thunberg, weiterhin finanziell unabhängig bleiben.
Das versteht ihr sicher alle.

PS: Ich kontempliere darüber, ein Spendenkonto einzurichten, damit ich auch endlich einen Privatjet kaufen kann für Davos. Nur wenn man dort standesgemäß einschwebt, wird einem richtig zugehört und man ist auf Augenhöhe und wir sind uns doch einig, dass wir die weiterhin auf unserer Seite wissen müssen, ok?

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