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NDR: Vorwurf der Vetternwirtschaft ist falsch gegendert

Mit dem Begriff „Vetternwirtschaft“ werde suggeriert, dass es sich bei dem System der Begünstigung um rein männliche Teilnehmer handelt, kritisiert der NDR-Intendant Knuth einen offenen Brief von 70 Journalisten. Das sei ‚Fake News‘.

IMAGO

Hamburg (atn). Der Intendant des Norddeutschen Rundfunks (NDR), Joachim Knuth, hat den offenen Brief von 70 Journalisten des Landesstudios Hamburg kritisiert. Darin haben die NDR-Mitarbeiter gegen die Landesfunkhausdirektorin Sabine Rossbach schwere Vorwürfe wegen – so wörtlich – „Vetternwirtschaft“ erhoben und ihre Absetzung durch den Intendanten gefordert.

In einem Antwortbrief, der TE exklusiv vorliegt, geht Knuth nicht auf die Absetzungsforderung ein, bringt aber deutliche Kritik an seinen NDR-Mitarbeitern zum Ausdruck: „Wie Sie alle wissen, bemüht sich der NDR in seinen journalistischen Beiträgen seit einiger Zeit um eine inklusive Sprache. Wir wollen keine/n unserer Beitragszahler:Innen durch die Vermeidung falscher Begrifflichkeiten ausschließen.“

Nach diesem Hinweis auf die grundsätzliche Ableitung der Sprachregelung im NDR folgt die konkrete Belehrung durch den Intendanten: „Sie haben Ihre 70er-Gruppe zwar korrekt als ‚Unterzeichnende‘ und ‚KollegInnen‘ bezeichnet. Aber sie haben in gedankenloser Weise die Vorwürfe gegen die Direktorin als ‚Vetternwirtschaft‘ bezeichnet. Mit diesem Begriff suggerieren Sie, dass es sich bei dem System der Begünstigung um rein männliche Teilnehmer handelt. Das ist ‚Fake News‘ und das können wir uns gerade in Zeiten, in denen die Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unsere Glaubwürdigkeit in Frage stellen, nicht leisten.“

Knuth doziert dann weiter, JournalistInnen im NDR, die doch alle über eine akademische Bildung verfügten, sollten doch wissen, dass es sich bei „Vettern“ um männliche Verwandte handele. „Aber auch Ihnen sollte der Ausdruck für weibliche Verwandte ‚Basen‘ geläufig sein.“ Wenn die KollegInnen nicht eine neue – aber hier zutreffende – Wortschöpfung nämlich „Basenwirtschaft“ gebrauchen wollten, sei es das Mindeste, korrekt von „GünstlingInnen-Wirtschaft“ zu sprechen. „Der Ausdruck Nepotismus verbietet sich, da wir auch in leichter Sprache kommunizieren wollen.“

Der NDR-Direktorin Rossbach wird vorgeworfen, sie habe jahrelang die Geschäfte der PR-Agentur ihrer Tochter begünstigt, indem sie Themen über deren Kunden in Sendungen ihres Landesfunkhauses habe platzieren lassen. Außerdem soll sie Einfluss bei einer anderen Direktorin genommen haben, damit die ihre zweite Tochter mit einer der begehrten festen Redakteursstellen versorgt wurde. Die NDR-Antikorruptionsbeauftragte und der Rundfunkrat prüfen den Fall gerade.

Auf den Wunsch der 70 NDR-Journalisten nach einem Gespräch kontert Knuth mit der Forderung: „Wenn Sie Ihren inzwischen ja auf Twitter veröffentlichten Brief nach den Usancen des NDR entsprechend gendern, bin ich zu einem Gespräch mit Vertreter:innen von Ihnen bereit“.


Claudia Pritt