Tichys Einblick
Großer Junge auf dem Turm

Friedrich Merz: Der Junge, der nicht ins Wasser springt

Ende eines Hoffnungsträgers: Friedrich Merz hat sich vor Annegret Kramp-Karrenbauer selbst verzwergt. Und der Rest von konservativem Flügel der CDU hat keine Hoffnung mehr.

TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images

Man kennt dieses mitleiderregende Bild aus dem Schwimmbad: Da steht ein schmächtiger,  hochgeschossener Junge auf dem Sprungturm, ganz oben auf dem Brett, fünf Meter über dem Wasser. Und er springt nicht. Und die Kumpels rufen: Spring doch. Und dann springt er nicht. Er dreht sich um und klettert die Leiter runter, an der sich die anderen an ihm vorbei hoch drängeln. Und über ihn schmunzeln.

OK, das kann passieren, diese Pleite kann man überleben und wenn die Schultern all zu tief hängen, sollte man den Jungen trösten. Das Leben geht weiter und vielleicht wird er ein ganz mutiger Mann in einer ganz anderen Situation. Man wächst auch an Pleiten.

Es ist aber nicht Sommer und wir sind nicht im Schwimmbad. Es ist November und CDU-Parteitag und der zu groß gewachsene Junge mit den hängenden Schultern heißt Friedrich Merz. Er hat unten geprahlt, wie er mit einer Riesenarschbombe das Wasser zum kochen bringen und die Kanzlerin und ihre grottenschlechte Regierungsmannschaft einfach wegspülen wird.

Bekanntlich ist er nicht gesprungen, sondern heruntergeklettert.

Man muss ihm nicht auf die Schultern klopfen, denn er ist schon ein großer Junge von 64 Jahren und 11 Tagen – und ein Held wird nicht mehr aus ihm.

Er ist buchstäblich der Mann, der springen will und nicht springt, der schwimmen und dabei nicht nass werden will. Weil er sich nicht traut, die Macht zu ergreifen. Aber das muss man sich trauen. Trauen heißt: nicht Kneifen.

Helmut Kohl schoss Rainer Barzel als Parteivorsitzenden ab und wurde Bundeskanzler. Er hätte verlieren können. Angela Merkel schoss Helmut Kohl als Parteivorsitzenden ab und wurde Bundeskanzlerin. Sie hätte baden gehen können damit. Friedrich Merz ordnet sich AKK unter und wird nicht Bundeskanzler. Weil er nicht springt.

Das ist die Story in wenigen Zeilen.

Die eigentliche Story geht erst jetzt richtig los, allerdings ohne Friedrich Merz. Die CDU hat sich berauscht an einer Rede, die holprig war und nicht erklärt hat, warum die CDU nach 14 Jahren etwas besser machen wird, was sie bisher vermurkst hat. Es ist eine CDU, die ein Digitalministerium fordert, weil Annegret Kramp-Karrenbauer ernsthaft der Meinung ist, dass Google oder Amazon oder Apple in einem Ministerium erfunden wurden. Es ist eine CDU, die vorsichtig ins Kinder-Becken watschelt, das handwarm ist und etwas sauer riecht, aber da drin reden die Grünen vom Klimawandel und das will die CDU jetzt auch. Es ist eine CDU, in der Funktionäre klatschen, weil wenn sie laut klatschen, hören sie ihr Herz nicht schlagen, das Angst hat vor der nächsten Wahl – und dem Verlust, dem unvermeidlichen Verlust.

Es ist eine CDU, die sich selbst aufgibt und auch Deutschland, das sie angeblich so toll regiert. Denn das politische Nichts, das die CDU hinterlässt, die Leere auf dem Fünf-Meter-Brett, die bleibt nicht leer. Die füllt sich. Und die, die sie füllen werden, stehen auch bereit. Das wird für viele Bürger nicht einfach, weil sie zwar dem schmächtigen Jungen auf dem Sprungturm Flügel wünschen, auf dass er sanft ins Wasser gleiten kann. Aber sie mögen den Flügel der AfD nicht und werden die Partei deshalb nicht wählen. Manche gerade deshalb. So wird sich das Land weiter radikalisieren und die CDU wird alles dafür tun, das Land weiter zu spalten, weil sie hofft, mit der linken Hälfte des Landes statt mit dem Ganzen noch ein paar Jährchen weiter planschen zu können. Und deshalb wird sie in Thüringen mit der LINKEN zusammenarbeiten, und keiner wird sie dafür wählen, denn für die Wahl gibt es das Original. Und sie wird wie in Baden-Württemberg mit den Grünen koalieren, und sie wird dort verdampfen wie ein seichtes Schwimmbecken in der Augusthitze, weil das andere Original einfach interessanter ist als das grüne Imitat mit der schwarzen Badekappe, die ihr noch dazu über die Augen gerutscht ist. Denn die CDU wird jeden Tag kleiner, so wie Friedrich Merz mit jeder Sprosse kleiner wurde beim herabsteigen.

Und vielleicht treffen sich ein paar alte CDUler mit ein paar alten Sozis in der Schwimmbadkneipe und zischen ein paar Bierchen, dafür reicht die staatliche Pension ja immer. Und die Großväterchen werden sich erzählen, wie toll es war, als sie ganz oben waren. Da oben auf dem Fünf-Meter-Brett und wie weit weg und wie klein das Becken von oben wirkt und wie so eine Riesenarschbombe reinhaut.

Aber sie sind halt nicht gesprungen.

Und vielleicht kommt ja Friedrich Merz dazu. Er wird eine bewundernswerte Rede halten unter der Überschrift: Wie man eine Riesenarschbombe springt und dabei nicht nass wird.