Tichys Einblick
Achtung, Glosse

Joachim Gauck und der für die Freiheit frierende Fußbürger

Kaum ein Begriff unterliegt einem so schwankenden Wechselkurs wie die „Freiheit“. Gegen das Virus sollten wir auf sie verzichten, gegen Putin sollen wir für sie nun frieren.

IMAGO / Future Image
So müssen wir uns das vorstellen: Joachim Gauck sitzt in einer kleinen Wohnung. 20 Quadratmeter. Ungeheizt. Im Januar. Was aber nicht so schlimm ist. Denn er teilt sich diese Wohnung mit vier anderen Parteien, weil wir zusammenrücken müssen. In diesen Tagen. So wärmen sich alle gegenseitig. Und die Ergriffenheit von sich selbst wärmt den Raum. Währenddessen summen alle gerührt das Lied von Westernhagen – „… der Papst war auch schon da …“ und sind sich einig: Für die Freiheit müssen wir solche Opfer bringen.

Das ist natürlich alles Quatsch. Klar. Joachim Gauck ruft zu Verzicht auf. Aber in bester Politiker-Tradition meint der Bundespastor a.D. nicht uns, wenn er „wir“ sagt. Also nicht in dem Sinn, dass sein Er zu unserem Wir gehört. Den Verzicht dürfen wir Alleinerziehende, Bauarbeiter, Handwerker, Architekten, Lehrer, Pfleger … kurz: Steuerzahler, schon alleine tragen. Der Bundespastor singt uns während dessen Westernhagens Lied – „… was Süßes zum Dessert …“.

Wobei der brave Fußbürger froh sein darf über das Verzichten. Das ist noch der leichtere Teil an Gaucks Gedankensprüngen. Die Begründung ist komplizierter: Wir müssten Russland boykottieren, um den Krieg gegen die Ukraine zu stoppen. Das bedeute halt nunmal Verzicht, so der Bundespastor, gegebenenfalls den auf „ein paar Jahre weniger an Glück und Lebensfreude“.

Doch. Das hat er wirklich gesagt. Genau so. Jetzt mag der Mensch mit dem Willen zum braven Fußbürgertum etwas verwirrt sein: Denn hat uns nicht der Corona-Prophet Karl von der salzfreien Weide gepredigt, Menschenleben kämen vor der Freiheit? Müssten wir nicht eben auf die Freiheit verzichten, damit in diesem Land keiner mehr stirbt, nicht einmal das Klima? Haben wir unserem Karl nicht geschworen, solange heldenhaft auf der Couch zu bleiben, bis das Elend auf der Welt besiegt ist?

Über den „Freedom Day“ hat der Büroleiter vom Kanzleramtsminister jüngst auf Twitter gelästert: Es sei ein „Freedumm Day“. Unter dem englischen Begriff für Freiheit versteht der hauptberufliche Sozialdemokrat also Dummheit. Wobei: Dass der Thommy dekadent und damit ein leichtes Opfer sei, wusste schon Kaiser Wilhelm Zwo. Zwischendrin haben das immer wieder Deutsche geglaubt. Jetzt halt Sozialdemokraten. Die Deutschesten aller Deutschen.

Nun würde der brave Fußbürger schon gern verstehen, wann Freiheit wichtiger als alles ist und wann verzichtbar. Aber genau das ist der Fehler. Er soll nicht verstehen. Er soll folgen. Wenn der Gauck ihm sagt, er soll frieren, weil die Freiheit wichtiger als alles andere sei. Dann soll er frieren – und nicht verstehen, warum er das tut. Der Bundespastor singt ihm dann dazu das Lied vom Westernhagen – „… sollen tanzen … auch auf Gräbern …“ NEIN, schreit da der Corona-Karl. Nicht tanzen, Tanzen tötet. Und dann sitzt er da, der Deutsche, verwirrt, und denkt sich: Es war schon leichter, ein braver Fußbürger zu sein.

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