Tichys Einblick
Achtung, Glosse - Achtung, Glosse - Achtung

Das Ende der Corona-Ära: „Es war nicht alles schlecht“

Gewiefte Stimmungspolitiker wie Markus Söder suchen nach einem Ausweg aus den Covid-Maßnahmen. Andere würden gern folgen. TE liegt ein vertrauliches Strategiepapier vor, wie Politiker in den kommenden Monaten die Pandemie-Ära abwickeln

IMAGO/Future Image

„Gebt uns unser normales Leben zurück“, fordert die BILD in ihrer Titel-Schlagzeile Anfang Februar. Zur gleichen Zeit erklärt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, sein Bundesland werde die schon beschlossene Impfpflicht für medizinisches Personal nicht umsetzen. Am 10. Februar titelt der STERN: „Zurück zur Leichtigkeit. Vorbild Dänemark? Wie ein entspanntes Leben mit Corona auch in Deutschland gelingen kann“.

Der Virologe Norbert Nowotny, gewissermaßen Österreichs Christian Drosten, plädiert öffentlich gegen die Impfpflicht. Die Demonstrationen in Deutschland, aber auch in Österreich und Kanada richten sich längst nicht mehr nur gegen Corona-Maßnahmen und die Impfpflicht, sondern ganz grundsätzlich gegen die belehrende Klasse der jeweiligen Länder, die überall in einem sehr ähnlichen Ton tief in das Privatleben von Millionen Menschen eingreifen, von der medizinischen Behandlung über Maßgaben zur Ernährung, zur Fortbewegung, zu der Art und Weise der Sprache.

Immer begründen die Wohlmeinenden ihre Vorschläge mit einer ultimativen und nicht anders abwendbaren Gefahr, ob es sich um das Virus handelt, das Klima oder die toxische Herrschaft alter weißer Männer. Immer droht die ultimative Katastrophe, wenn die Mehrheit nicht ihrem Fingerzeig folgt, immer sind die Vorschläge alternativlos. Immer findet sich ein Begleitkommando aus Experten, das unter dem Namen ‚die‘ Wissenschaft auftritt. Da alles schon final durchdacht, entworfen und modelliert ist, müssen Kritiker gar nicht erst berücksichtigt werden. Diskussion behindert nur die Erlösung. Und in jedem Fall kommen die Maßnahmen erst in Gestalt von Vorschlägen. Stoßen sie auf Widerstand, zieht die belehrende Klasse die Schrauben an. Zu jedem ihrer Vorstöße gehört die Angsterzeugung. Es handelt sich um eine Herrschaftsform, die Peter Sloterdijk schon vor Jahren hellsichtig Phobokratie nannte.

Im Fall von Corona brechen gerade die wichtigsten Stützpfeiler der Phobokratie. Zum einen die Angst selbst, da Omikron sich immer deutlicher als das erhoffte milde Ende von Corona zeigt. Zum anderen die Geduld mit denen, die aus einer privilegierten Lage heraus immer neue Opfer fordern.

Jemand wie Markus Söder – ein Opportunist aus Überzeugung – spürt als einer der ersten, dass die Stimmung sich dreht.

Wie geht es in den nächsten Wochen und Monaten weiter? TE liegen vertrauliche Unterlagen und Pläne über das Szenario 2022 vor. Das übrige modellieren TE-Experten nach den bewährten Methoden des RKI. Die Ergebnisse stellen wir an dieser Stelle exklusiv vor.

19. Februar

SPD-Chef Lars Klingbeil verkündet, wenn Bayern und jetzt auch Sachsen die Impfpflicht für medizinische Kräfte nicht umsetzen wollen, ergebe das ganze Gesetz keinen Sinn mehr. Die FDP-Politikerin Agnes Strack-Zimmermann reagiert darauf mit der Erklärung, dann werde ihre Partei auch den Gesetzentwurf einer allgemeinen Impfpflicht nicht weiterverfolgen.

Es gibt an diesem Tag viel Geschimpfe auf Twitter, einen Tagesthemenkommentar, dessen Autor fordert, jetzt müsste Scholz die FDP aus der Koalition werfen, und außerdem in Berlin Mitte eine große und vorerst noch stille Erleichterung.

25. Februar

Alexander van der Bellen bezeichnet es als richtig, die Impfpflicht in Österreich vorerst auszusetzen. Im Sonderinterview mit Armin Wolf erklärt er, jetzt müsste es eine Phase des Nachdenkens geben. Wolf schließt das Gespräch mit „das hoffen wir alle“, worauf van der Bellen antwortet: „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut.“

1. März

Großes ZEIT-Interview Giovanni de Lorenzos mit Markus Söder. Der spricht über lange einsame Nächte in der Staatskanzlei, die Kabinettsklausur in Altötting und überhaupt die Zeit tiefgreifender Erkenntnisse. „Wir hatten eine Zeit des Handelns“, sagt Söder. „Jetzt kommt eine Zeit des Redens.“ Viele Wunden müssten geschlossen und das nächste Oktoberfest unbedingt eröffnet werden. „Wir brauchen jetzt den großen Dialog mit dem kritischen Teil der Bevölkerung, der ja nicht in allem unrecht hatte. Und außerdem: Zu diesem kritischen Teil zähle ich mich ja selbst.“ In ZDF schlägt Söder außerdem ein großes deutsches Freiheitsfest vor. Er sei mit sich im Reinen.

2. März

Jan Böhmermann malt sich einen Hitlerbart an und parodiert im ZDF Söder, gleichzeitig spielt er auch di Lorenzo als Duce und den ZDF-Intendanten als Himmler. Der ZDF-Intendant, die „Süddeutsche“ und der STERN erklären das zu einem entschieden unlustigen Akt.

5. März

Olaf Scholz verkündet, die Bundesregierung brauche in Sachen Dialog keine Belehrung. Sie habe schon vor dem ZEIT-Interview mit Söder Dialogveranstaltungen überall im Land geplant. „Jetzt ist die Zeit für Gespräche gekommen, und die Zeit der Demonstrationen und der Querschüsse aus München vorbei.“ Allerdings nimmt die Zahl der Demonstranten gerade stark zu. Viele, die jetzt zu den Kundgebungen stoßen, sagen, sie seien schon lange innerlich gegen diese Politik gewesen.
Fast ganz Deutschland ist gerührt über eine Szene im heute-journal, die zeigt, wie eine junge hübsche Polizistin einem älteren Demonstranten eine Rose überreicht. Marietta Slomka bricht kurz die Stimme, als die den Filmbeitrag anmoderiert – am nächsten Tag das Twitter-Thema in Deutschland.

Der Geschäftsführer der MSL Group Germany Axel Wallrabenstein ruft bei Jens Spahn an: Seine Agentur könnte diese Dialogveranstaltungen PR-technisch umfangreich begleiten. Mediation zwischen Regierung und unzufriedenen Bürgern gehöre zu den Kernkompetenzen von MSL. Ob Jens nicht – jaja, ich weiß, Opposition ist Mist, Hinterbank ebenfalls – , aber ob er denn mit seinen Beziehungen wenigstens einen Kontakt zu Söder herstellen könnte? „Du kennst doch Andrea Tandler immer noch, oder?“

Die Linken-Vorsitzende erklärt, ihre Partei habe mit Dialogveranstaltungen kritischen Situationen mehr und bessere Erfahrung als alle anderen. Einen wohlwollenden Tweet zu Stalins Todestag löscht sie schnell.

7. März

Großer Streit bei Anne Will ohne Karl Lauterbach und im politischen Feuilleton: wie lassen sich die gemäßigten Demonstranten gegen die Corona-Maßnahmen von denen trennen, mit denen man auf keinen Fall reden darf? Grünen-Chefin Ricarda Lang meint, dass solle der Verfassungsschutz klären. Verfassungsschutzchef Haldenwang erwidert, das könne der Politik so passen: „Wir sind nicht Schild und Schwert der Regierung. Das waren wir auch nie.“

8. März

Gesundheitsminister Karl Lauterbach erklärt die Tatsache, dass es kaum noch neue nachgewiesene Omikron-Fälle gibt, für besorgniserregend: „Wir verlieren die Kontrolle über das Infektionsgeschehen.“ Auf die Frage, wie er den Verzicht auf die Impfpflich heute sehe, sagt er: „Sie können, also, Sie können nachlesen auf Twitter, ich habe da schon 2020 gesagt, eine Impfpflicht gegen Corona macht überhaupt keinen Sinn.“

12. März

Der SPIEGEL erscheint mit dem Titel: „Die Corona-Protokolle“. Die darin veröffentlichten Mails zwischen Angela Merkel und Christian Drosten lassen vor allem Drosten sehr schlecht aussehen. Außerdem geht es in der Titelgeschichte um den Geheimvertrag, mit dem Lauterbach schon im Februar viel zu große und zu teure Kühlhauskapazitäten angemietet hatte, um den zu viel bestellten Impfstoff zu lagern. Karl Lauterbach twittert: „Unsinn, damals war ich noch gar nicht Gesundheitsminister“; Kanzler Scholz entlässt ihn darauf, wie es heißt, aus Fürsorgegründen.
Überall im Land kommen Dialogveranstaltungen zwischen Politikern und ausgewählten Bürgern in Gang, organisiert von Scholz & Friends. Die Zahl der Demonstranten geht langsam zurück. Tagesschau und heute-journal melden abendlich die fallende Protest-Inzidenz.

14. März

Derweil in Kanada: Weil eine geheime Tonaufnahme in die Öffentlichkeit kommt, in der Justin Trudeau die protestierenden LKW-Fahrer als Fucker und Analphabeten auf Rädern bezeichnet, verliert er die Unterstützung im Parlament und tritt zurück. Joseph Biden ruft seine Berater zusammen: „Ich will nicht enden wie der Typ da oben im Norden.“ Er gibt eine Rede in Auftrag.

18. März

Joseph Biden ruft seine Berater zusammen: „Ich will nicht enden wie der Typ da oben im Norden.“ Jetzt brauche er dringend einen Popularitätsschub, damit er bei den Midterm Elections Ende 2022 nicht die Mehrheit in beiden Häusern verliere. Seine Berater kommen zu dem Schluss, am populärsten sei es, wenn er Kamala Harris feuern würde. Alternativ solle er eine andere wirklich große positive Botschaft an die Nation senden.

Er gibt eine Rede in Auftrag.

“The hard time is over. Yes, wewe shouldn’t stop to be careful. Of course, the virus did not vanish. Diseases will always part and parcel of our life.
But pandemic is over. We can breathe free again.
It’s time to return to our normal lives. It’s time to heal. It’s time to overcome the deep division of our beloved country, for a divided house will not stand. It’s time to look in a brighter future for every American. A new morning has broken.
Yes, we have held very different opinions in the time of pandemic. And yes, opinions will always differ. But what we hold dear over every opinion is the idea of a Great Society. A society that is able to forgive, to reconcile, and wich has always the power to reach new horizons.”
Journalisten der New York Times, der Washington Post und von CNN heben in ihren Analysen hervor, dass Biden geschickterweise gleich zwei andere Präsidenten paraphrasiert: Ronald Reagan mit seiner Wendung von dem neuen Morgen für Amerika, außerdem Lyndon B. Johnsons „great society“. Und dass er nur von Normalität gesprochen habe, nicht von „neuer Normalität“ – das sei aus progressiver Sicht ein bitterer, aber notwendiger Kompromiss.
Leicht zeitversetzt schreiben SPIEGEL Online und ZEIT in Deutschland das Gleiche.

19. März 2022

Olaf Scholz, auf die Biden-Rede angesprochen, sagt im heute-journal: „Der amerikanische Präsident hat jetzt vollzogen, was wir in Deutschland schon im März vorgemacht haben. Das ist ein weiterer Beweis der deutschen Führungsstärke.“
Er erklärt rückwirkend zum 18. März alle Corona-Maßnahmen für aufgehoben.

30. März

Nach dem dreitägigen Blackout in Südwestdeutschland verkündet Olaf Scholz im Bundestag seine Energie-Agenda Zwanzigdreißig: Die letzten drei deutschen Kernkraftwerke bleiben am Netz. Kohlekraftwerke werden erst einmal nicht abgeschaltet. Er werde die Agenda mit der Vertrauensfrage verbinden. Robert Habeck, Annalena Baerbock und Ricarda Lang beraten in einem geheimen Treffen in Bad Münstereifel, ob sich die Grünen bei der Abstimmung enthalten sollen, um weiter in der Regierung bleiben zu können.
Am Abend melden dpa und ARD, dass Olaf Scholz und Friedrich Merz sich bereits auf eine rot-schwarze Koalition geeinigt haben.

1. Mai

Annalena Baerbock erklärt: „Es war nie mein Strebensziel, in gefanzerten Regierungsparzeugen rumzufahren. Wer das glaubt, der kennt mich falsch.“

10. Mai

Ricarda Lang wird neue Greenpeace-Chefin.

15. Mai

Sandra Maischberger lädt Roland Tichy in ihre Show mit dem Titel: „Nach Corona: warum wir noch mehr Gespräch brauchen“ ein.
Jan Böhmermann twittert, damit sei eine rote Linie überschritten. Er verlasse jetzt das ZDF. Am Abend zitiert ihn SPIEGEL Online, das sei eine Metasatire gewesen, die viele wieder nicht kapiert hätten. Natürlich werde er bleiben. Magarete Stokowski schreibt: „Er ist das Gegengewicht, das wir unter dem neuen Zeichen des alten weißen Wassermanns jetzt dringender brauchen als jemals zuvor. Ohne Böhmermann wüssten wir nicht, dass es so etwas wie rote Linien gibt.“

30. Mai

Jürgen Habermas geht in einem in den Feuilletons mehrerer anderer Zeitungen stark beachteten FAZ-Aufsatz mit den Corona-Maßnahmen durchaus kritisch ins Gericht, zählt aber auch die guten Seiten auf: Im Lockdown hätten viele auch zu sich selbst finden können. Die Zeit der Schulschließungen habe den Gedanken der Familie gestärkt. Sein Fazit: „Es war nicht alles schlecht. Manches ist einfach nur schlecht erklärt worden.“

1. Juni

Greta Thunberg und Ed Sheeran werden von Ophra Winfrey interviewt: „Ja, wir sind ein Paar.“ Mit ihrer Bewegung habe sie alles erreicht, so Thunberg auf die Frage, warum man von Fridays for Future nicht mehr viel höre. Sie sei sehr dankbar.

5. September

Christian Drosten und seine Gitarre sind die neuen Stars im „Dschungelcamp“.

10. Oktober

Die „Bunte“ titelt: „Nach dem Entzug: das neue Leben des Karl Lauterbach.
Seine neue Frisur. Sein neues Liebesglück“

11. Oktober

Die Rechtsanwaltskanzlei Schertz teilt mit: „Die Titelgeschichte über unseren Mandanten Karl Lauterbach ist in wesentlichen Teilen frei erfunden.“
Auf den hinteren Seiten rätseln die Zeitungen: Welche Teile stimmen?

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