Tichys Einblick
GENDERN, EINFACH GEMACHT

„Kinderfrau (m/w/d) gesucht“

Richtig gendern muss auch ein deutscher Muttersprachler erst lernen. Dank eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts kann es aber auch ganz einfach gehen: mit der Genderklammer, die die amtliche Geschlechtszugehörigkeit (männlich, weiblich, divers) in einer Kurzformel zusammenfasst.

Genderdeutsch wird in der deut­schen Sprachgemeinschaft we­nig verwendet: In gesprochener Form tritt es nur bei Aktivist*innen auf (und dies meist fehlerhaft), geschrieben kommt es hauptsächlich in amtlichen oder amtlich kontrollierten Texten vor. Es gibt keine Gedichte oder Romane auf Genderdeutsch, und auch Zeitungen gendern selten, weil die Lesbarkeit da­runter leiden würde.

Der deutsche Staat braucht auf die Sprachqualität seiner Texte keine Rück­sicht zu nehmen und produziert des­halb gendergerechte Sätze wie den fol­genden aus einem Gesetzentwurf für die Einrichtung eines „Polizeibeauf­tragten“ beim Berliner Abgeordneten­haus: „Jeder oder jede, der oder die ein persönliches Fehlverhalten einzelner Polizeidienstkräfte […] behauptet, kann sich mit einer Beschwerde an den oder die Polizeibeauftragte(n) wenden.“

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Im Beispiel werden die genusvariablen Personenbezeichnungen „gegendert“, also grammatisch in der Maskulinum­ und Femininumform ausgedrückt (Paarform). Bei genusinvariablen Be­zeichnungen entfällt das Gendern: Poli­zeidienstkraft, Mitglied, Person, die Studierenden und Ähnliches. Die meis­ten Personenbezeichnungen sind aber genusvariabel, die Paarformen blähen den Text auf und ermüden den Leser, der dann abschaltet.
Symbolisches Gendern

Auch grafische Kompaktbildungen mit Schrägstrich (Schüler/in), Binnen­-I (SchülerIn), Unterstrich (Schüler_in) oder Genderstern (Schüler*in) helfen nicht, weil sie den Lesefluss stören und nicht vorlesbar sind. Wer verstanden, gelesen oder vorgetragen werden will, verzichtet auf systematisches Gendern.

Um symbolisch seinen guten Willen zu zeigen, ist es aber stilistisch durch­aus möglich, gelegentlich zu gendern: Man verwendet dann zur Bezeichnung geschlechtergemischter Gruppen an einigen Textstellen die Paarform (Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Schüler und Schülerinnen und so weiter), ansonsten aber die Maskulinumform (Arbeitnehmer, Schüler).

Kommunikativ funktioniert hier die Paarform wie eine explizite Anrede („meine Damen und Herren“) und das Maskulinum als Allgemeinform („generisches Maskulinum“), die alle Mitglieder einer Gruppe umfasst: Ein „unbekannter Täter“ oder „Jeder ist sich selbst der Nächste“ beziehen sich auf Personen jeglichen Geschlechts.

Gendern in Stellenanzeigen (alt)

Genderdeutsch ist, linguistisch gesehen, eine Sondersprache, die unter staatlich kontrollierten Kommunikationsbedingungen verwendet wird; in freier Kommunikation würde es nicht überleben. Ein Paradebeispiel für diese Sprachkontrolle sind „Stellenanzeigen“.

1980 wurde im Bürgerlichen Gesetzbuch der Paragraf 611 b eingefügt, der für Stellenangebote eine sogenannte „geschlechtsneutrale“ Ausschreibung vorschrieb: „Der Arbeitgeber darf einen Arbeitsplatz weder öffentlich noch innerhalb des Betriebes nur für Männer oder nur für Frauen ausschreiben.“

Bei der sprachlichen Umsetzung dieser – 2006 durch Paragraf 11 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ersetzten – Vorschrift setzte sich in der Ausschreibungspraxis für Personenbezeichnungen die Paarform durch, sei es explizit (Rechtsanwältin/Rechtsanwalt) oder kompakt (Steuergehilfe/-in). Wenig genutzt wurde das generische Maskulinum mit einem Zusatz, der klarstellt, dass Männer und Frauen gemeint sind: Rechtsanwalt (m/w).

Der Paarform liegt ein einfaches Denkmuster zugrunde: Es gibt biologisch zwei Geschlechter, „männlich“ und „weiblich“, denen sprachlich zwei grammatische Formen entsprechen: Maskulinum beziehungsweise Femininum. Die Gleichung Maskulinum = Mann, Femininum = Frau geht zwar sprachlich nicht auf, aber Fakten spielen in dem nun schon seit 40 Jahren politisch betriebenen Projekt einer geschlechter- beziehungsweise gendergerechten Sprache keine Rolle.

Es geht vielmehr um Symbolik, genauer gesagt, um symbolische Unterwerfung. Die Paarform in Stellenanzeigen ist kommunikativ so sinnlos wie das Grüßen eines einer Stange aufgesetzten Huts (Gesslerhut): Beides dient einem politischen Zweck, nämlich „die Gehorsamen [zu] erkennen“ (Schiller, Wilhelm Tell, I,3).

In einem Urteil vom 10. Oktober 2017 erkannte das Bundesverfassungsgericht an, dass es, wenn auch selten, „eine weitere geschlechtliche Identität jenseits des weiblichen und männlichen Geschlechts“ gibt, und verpflichtete den Gesetzgeber, das Personenstandsgesetz (Paragraf 22 Abs. 3) entsprechend zu ändern. Seit 2019 gibt es deshalb im Geburtenregister neben dem bisherigen Geschlechtseintrag „männlich“ beziehungsweise „weiblich“ auch die Angabe „divers“.

Dieses „dritte Geschlecht“ ist nun wegen des Diskriminierungsverbots gemäß Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes – „Niemand darf wegen seines Geschlechtes […] benachteiligt oder bevorzugt werden“ – auch in Stellenanzeigen zu berücksichtigen. Aber wie?

Gendern in Stellenanzeigen (neu)

Die Umstellung der Stellenanzeigen auf das dritte Geschlecht ist noch im Gange, aber es zeichnen sich zwei Tendenzen ab. Der erste Weg ist die Beibehaltung der alten Paarform, die um eine Genderklammer ergänzt wird, zum Beispiel in der Zeit vom 10. Juni 2020:

• Nachwuchswissenschaftler und Nachwuchswissenschaftlerinnen (m/w/d)
• eine/n Pflegewissenschaftler/-in (m/w/d)
• eine*n Chef-Architekt*in IT-Systeme (m/w/d)
• eine_n Stabsstellenleiter_in (w/m/d).

Stilistisch bläht hier die Genderklammer die Anzeige weiter auf.

Der zweite Weg geht ähnlich, ersetzt aber in der Überschrift bei der Stellenbezeichnung die Paarform durch das generische Maskulinum und ergänzt wiederum durch die Genderklammer. Dafür einige Beispiele aus der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 13./14. Juni 2020:

• Pressesprecher des Präsidenten (m/w/d)
• Anlagenmechaniker (m/w/d) Kältetechnik
• Versorgungsingenieur (m/w/d)
• Verkäufer (m/w/d)

Man merkt die Absicht und ist verstimmt!
Gendersprache ist kein Spaß, sondern blanke Ideologie
Auch hier stellt sich natürlich die Frage, wie man im weiteren Text geschlechtergerecht weiterverfährt. In den genannten Beispielen benutzt der Anzeigentext dann entweder weiterhin das generische Maskulinum – „Schwerbehinderte Bewerber (m/w/d) werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt“ – oder die Paarform: So gehört zum Aufgabengebiet des „Anlagenmechanikers (m/w/d)“ die „Betreuung der Nutzer*innen“.

Das Problem „generisches Maskulinum oder Paarform?“ wird in der Praxis allerdings häufig dadurch umgangen, dass der Text sich direkt mit der Anrede „Sie“ beziehungsweise „Du“ an die Bewerber wendet. Dabei ist das „Du“ in gedruckten Anzeigen eher selten anzutreffen, allerdings umso häufiger in Jobportalen im Internet.

Ob das generische Maskulinum ergänzt um die Genderklammer sich in Stellenanzeigen nicht nur in der Überschrift durchsetzt, sondern auch im Text, ist noch nicht abzusehen. Jedenfalls gibt es jetzt zum bisher sehr umständlichen Gendern eine einfache, dank der Verfassungsrichter juristisch abmahnungssichere Alternative, die – abgesehen von dem Standardzusatz – dem normalen Sprachgebrauch entspricht. Dass dieser Zusatz wie das Amen in der Kirche eine rituelle Funktion haben kann, zeigt eine fast schon satirisch anmutende Anzeige in der Süddeutschen Zeitung mit der Überschrift: „Erfahrene Kinderfrau/Erzieherin (m/w/d) in Hamburg gesucht“.

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