Tichys Einblick
Correct versus Correct

Wie die PC-Ideologie die Freiheit zerstört

Ein aufrüttelndes Buch zeigt, dass die „Political Correctness“ außer Rand und Band geraten ist – und welche Gegenbewegungen sie hervorruft.

Der Druck der „Political Correctness“ gefährdet nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern auch die Wissenschaftsfreiheit. Davor hat jüngst nochmals das Vorsitzende des Deutschen Hochschulverbands, der Juraprofessor Dieter Kempen, gewarnt. Andere Meinungen und Ansichten würden nicht mehr akzeptiert. „Das Diskussionsklima hat sich dadurch verschlechtert.“

Im vorliegenden Buch „Es war doch gut gemeint“ analysieren Daniel Ullrich und Sarah Diefenbach sehr anschaulich, wie die PC-Ideologie aus dem Ruder gelaufen ist und unsere freiheitliche Gesellschaft zu zerstören droht. Ullrich ist Medieninformatiker an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Sarah Diefenbach ist eine noch junge Professorin für Wirtschaftspsychologie ebenfalls an der LMU.

Warum der Titel „Es war doch gut gemeint“? Die Grundidee von PC sei gewesen, alles zu vermeiden, was Benachteiligte, Minderheiten oder „Unterprivilegierte“ diskriminieren könne. Eigentlich eine sympathische Idee. Aber sie ist so stark überzogen und missbraucht worden, dass sie zu einer Gefahr für die Freiheit, ja für das friedliche und demokratische Miteinander in den westlichen Gesellschaften geworden ist. PC will mit der Sprach-Kontrolle gleich auch Realität kontrollieren und korrigieren. Kontrolle der Sprache heißt, dass man „richtige“, „korrekte“ Worte oder Codes benutzen muss. Tatsächlich sind es oft genug Euphemismen. Beschönigen und Verdrängen der Realität wie das Verschweigen unangenehmer Tatsachen sind die Folgen. Die PC werde zu einem „mentalen Gift für die Gesellschaft“ und führe nicht zum Abbau von Vorurteilen, sondern zu neuen. Und manchmal hat sie mörderische Folgen.

Beispiel Rotherham: In der nordenglischen Stadt missbrauchte und vergewaltigte eine Bande von Muslimen über Jahre mehr als 1.400 Kinder, vor allem Mädchen aus armen und zerrütteten weißen Familien. Die Behörden schauten weg. Hinweise und Klagen wegen des sexuellen Massenmissbrauchs wurden jahrelang unter den Teppich gekehrt. Warum? Weil die Täter pakistanischer Abstammung waren und Ermittlungen als „rassistisch“ gegolten hätten. Auch bei den Silvesterexzessen vor zwei Jahren versuchten etliche Medien die Vorkommnisse zunächst herunterzuspielen, weil die Täter – überwiegend afrikanisch-arabische junge Männer – als „Flüchtlinge“ zu den bevorzugten Opfergruppen der PC zählen.

Das Buch von Ullrich und Diefenbach ist zum einen eine sehr reiche Materialsammlung, die nicht nur Dutzende von Fällen auflistet, in denen die PC-Ideologie zugeschlagen hat und missliebige Menschen abschießt, die gegen PC-Gebote verstoßen – vorzugsweise „alte weiße Männer“. Sie dokumentieren Beispiele für überzogenen und aggressiven Pseudofeminismus wie den Fall Brüderle oder den Fall des Nobelpreisträgers Tim Hunt, der seine Professur wegen eines selbstironischen Witzes über Frauen verlor. Es gab auch den Fall einer Gleichstellungsbeauftragten, die entlassen wurde, weil sie sich auch für Männer einsetzen wollte.

Teil 3 von 3 - Wiederkehr des Kulturpessimismus
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An amerikanischen und britischen Universitäten hat die PC zu einem verdrucksten Klima der Einschüchterung geführt, in dem Dozenten sich jedes Wort dreimal überlegen müssen. Schon kleinste verbale Fehltritte oder sogenannte „Mikroaggressionen“ können als „trigger“ wirken und bei hypersensiblen Studenten hysterische Reaktionen auslösen. Ein dahingekreischtes „I feel offended“ reicht, damit die Uni-Leitung kommt, wegen Diskriminierung ermittelt, Rügen ausspricht, Sanktionen verhängt. Selbst klassische Werke von Ovid bis Shakespeare müssen „gereinigt“ werden von bedenklichen Formulierungen. Das erinnert an Orwells 1984, in dem ein Wahrheitsministerium die Vergangenheit umschreibt und sie den aktuellen propagandistischen Bedürfnissen anpasst.

Nach Ansicht von Ullrich und Diefenbach hat die PC letztlich viele Merkmale einer Ersatzreligion und erinnert auch an eine Sekte: Die Glaubenssätze der PC sind nicht zu hinterfragen, sie sind unverhandelbare Dogmen. Wer sich an die Gebote der PC hält, wird belohnt, wer dagegen verstößt, dem droht die Verdammnis. Die PC-Jünger zeigen ihre Tugend durch kultartige Handlungen, Rituale und Zeichen („virtue signalling“), etwa die richtigen Buttons mit PC-konformen Botschaften (Für Vielfalt, FCKNZS, FCKAFD). Ihren Anhängern vermittelt die PC ein gutes Gefühl der Geborgenheit. Sie stehen auf der richtigen Seite, im Kampf für das Gute, analysiert Ullrich und Diefenbach. Diese und andere Analysen sind stark, weil sie immer wieder aus dem Fundus von psychologischen Erklärungen und Erkenntnissen schöpfen.

Lingua Reipublicae Foederatae
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Die PC, so die Autoren, basiere auf eine Zweiteilung der Welt: dort die Opfer (Minderheiten, Farbige, Frauen, alle möglichen sexuellen Abweichungen), hier die Täter (die Noch-Mehrheit, Weiße, Männer, Heteros). Die PC arbeitet mit eklatanten Doppelstandards, weil sie etwa kriminelle Taten von Angehörigen der definitorischen „Opfergruppen“, also etwa Flüchtlinge oder Ausländer, herunterspielt, verschweigt oder als Folge von „Diskriminierung“ zu entschuldigen versucht. Der ewige Opferstatus verleiht Privilegien. Hart und gnadenlos wird hingegen mit „weißen, heterosexuellen Männern“ umgesprungen. Sie sind der Feind, ihre Kultur gilt es zu überwinden. In ihrer Extremform gibt es einen PC-Schuldkult, der eine quasi erbliche Verderbtheit der weißen westlichen Zivilisationen erklärt, die es zu überwinden gilt. Der Islam gilt als gut, wer ihn kritisiert, ist islamophob oder gar rassistisch. Dass der Islam selbst jede Menge freiheitsfeindliche und diskriminierende Elemente hat, wird von den PC-Jüngern ausgeblendet.

In Deutschland ist der nationale Schuldkult auf die NS-Zeit gerichtet und führt zu entsprechenden Identitätsproblemen, ein sehr verklemmtes Verhältnis der Deutschen zu sich selbst. Die starke Distanzierung von der eigenen Nation gilt als fortschrittlich, bis hin zu den Aufrufen der Grünen Jugend, Deutschlandfahnen abzuschaffen. Ullrich und Diefenbach wagen sich hier mit einigen Formulierungen zum deutschen Schuldkult weit vor. Sie meinen der übermäßige Schuldkult in Deutschland erschwere die Integration von Zuwanderern, da diese sich nicht in ein Volk integrieren könnten, das sich selbst verleugnet und im Grunde selbst ablehnt.

Ein politisches Hauptziel der PC in jüngerer Zeit in Deutschland war der Kampf gegen die AfD. Die „Auseinandersetzung“ war einer demokratischen Gesellschaft nicht würdig. Politisch-medial wurde eine Strategie der Ausgrenzung gefahren. Zudem kam es zu tätlichen Übergriffen, Morddrohungen bis hin zu Brandanschlägen auf Autos und Wohnungen von AfD-Politikern. AfD-Mitglieder wurden denunziert und verloren ihres Jobs.

Die PC-Ideologie hat auch deswegen ein destruktives Potential, finden Ullrich und Diefenbach, weil sie zu einer Spaltung und Entfremdung der Gesellschaft führt. Eine Entfremdung vor allem der einfachen Bürger von Medien und Journalisten, die sich wie Gouvernanten der PC aufführen und nicht mehr einfach über die Realität berichten, sondern sie entsprechen der PC-Vorgaben verbiegen. Selektive Berichterstattung, Auslassungen, Lückenjournalismus – all das führt dann zum Vorwurf der Lügenpresse. Ullrich und Diefenbach zeigen, dass es besonders im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 und der medial hochgejubelten Willkommenskultur zu einem tiefgreifenden Vertrauensverlust in die (oft öffentlich-rechtlichen) Beschönigungsmedien kam.

Gelassen und heiter
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Viele Bürger wenden sich ab und suchen nach anderen Informationsquellen. Alternative Medien seien auf dem Vormarsch. Etwas seltsam ist, dass Ullrich und Diefenbach hier nur zwei Namen nennen, einen völlig unbedeutenden Kleinsblog mit Nazi-Geruch sowie die Plattform „Politically Incorrect“. Ullrich und Diefenbach warnen, dass in solchen Alternativmedien oftmals eine ebenso verzerrte Sicht der Welt geboten werde, eine PC aber andersherum. Die Bürger, die sich nur noch in solchen Filterbubbles aus selektiven News und Selbstbestätigung bewegen, sind auch nicht besser informiert.

Gleichzeitig beginnen die Politik und die Mainstreammedien den Kampf gegen „Fake News“ und „Hate Speech“ zu verstärken. Dass beides Kampfbegriffe sind, machen Ullrich und Diefenbach deutlich. Was Hate Speech wirklich ist, ist juristisch nicht klar definiert, das Schlagwort dient aber als Vorwand für Eingriffe und Sanktionen bis hin zu Zensur im Internet – etwa mit Heiko Maas unsäglichem Netzwerkdurchsuchungsgesetz (NetzDG), das der SPD-Politiker mit seinen dubiosen Hilfstruppen wie der Amadeu-Antonio-Stiftung unter der Führung einer ehemaligen Stasi-Spitzel-Dame durchsetzen will.

Die Schlusskapitel von Ullrich und Diefenbach sind eher düster: Entweder drohe das Abdriften in einen Überwachungsstaat, in dem (Gedanken-)Polizei und Justiz abweichende Meinungen verfolgen. Oder es komme zu einem Aufstand, einer Rebellion der bislang schweigenden Mehrheit, die sich nicht länger bevormunden lassen will. Ullrich und Diefenbach hoffen auf letzteres, warnen aber auch vor einer Eskalation, bei der sich radikalisierte PC- und Anti-PC-Kämpfer gegenüberstehen. Beides sei abzulehnen. Ihr Ideal ist und bleibt eine aufgeklärte Gesellschaft, die respektvoll, aber offen über die bestehenden Probleme debattiert. Es ist letztlich das alte liberale Ideal – das aber in der westlichen Welt zunehmend unter die Räder zu kommen droht.