Tichys Einblick
Das neue Buch eines Unbestechlichen

Schuler schert aus, wo die Wokeness im Gleichschritt marschiert

Das Bewusstsein für Freiheit, die zahllosen Spielarten ihrer Bedrohung und die immer wieder neue Selbstvergewisserung wovon wir frei sein wollen und wozu wir Freiheit brauchen, hält Ralf Schuler für eines der wichtigsten Gegenmittel gegen jede Form von Gleichschritt.

Drei Jahre nach seinem Titel „Lasst uns Populisten sein“ hat Autor und Journalist Ralf Schuler mit einem weiteren Klartext-Buch nachgelegt. Dieses Mal geht es um das brave Mitlaufen des deutschen Michels.

Bereits die Durchsicht des Inhaltsverzeichnisses lässt manch ungeschminkte Analysen und Provokation erwarten. Es sind insgesamt fast fünfzig, mal zweiseitige, mal zwölfseitige, Unterkapitel daraus geworden – diese wiederum einsortiert inkl. Prolog und Epilog in sieben Hauptkapitel. Hier eine kleine Auswahl an Unterkapiteln: „Universitäten als Nährboden der Intoleranz“, „Die Rückkehr der Räterepublik“, „Machtmechanikerin Merkel“, „Entkerntes Unions-Erbe“, „Der Verfassungsschutzchef als Polit-Kommissar“.

Schuler zerlegt die Un-Kultur der „Cancel Culture“ mit ihrem „Intellekt auf Sparflamme“; er nimmt sich die politischen und politisierenden muslimischen Vorfeld- und Lobby-Organisationen zur Brust; er zerpflückt die bis hin zur FAZ gepflegte mediale Selbstgewissheit und deren mangelnde professionelle Distanz, und er beklagt den „identitätspolitischen Tribalismus.“

Hart ins Gericht geht Ralf Schuler mit Merkel, ihrer CDU und der Post-Merkel-CDU. Hier war Schuler über zehn Jahre hinweg quasi teilnehmender, gleichwohl innerlich sehr distanzierter Beobachter. Als Leiter der Parlamentsredaktion von BILD hat er Merkel bei Auslandsreisen auf fast alle Kontinente begleiten können.

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So schreibt Schuler: Die CDU habe mit Merkel den antibürgerlichen Kanon übernommen. Für Merkel sei Macht vor Markenkern gegangen. Merkel sei bereits Geschichte, ihre Partei könnte ihr folgen.

Zur Post-Merkel-CDU sagt er: Sie leide unter einem entkernten Erbe und habe ihre Rolle als Opposition auch ein Jahr nach der Bundestagswahl vom September 2021 immer noch nicht gefunden. Mit ihrer „Brandmauer-gegen-AfD“-Diktion grenze sie nach wie vor zehn Prozent ehemaliger oder potenzieller Unionswähler aus.

Schulers neues Buch könnte problemlos für sich allein stehen, doch dass Dieter Nuhr als einer der wohl unabhängigsten Kabarettisten eine markante Einleitung beigesteuert hat, wertet es auf. Auch Nuhr geht in die Vollen. Er schreibt von „Massenidiotie“, „Shitstorm-Kultur“, von einem Verschwimmen von Meinung, Wahrheit und Wahnsinn, von Gleichschaltung so mancher seiner Berufskollegen, von der staatlichen Alimentierung von Minderheiten, die allerdings im Framing und im Shitstorming geschickt seien …

Eine schonungslose Aufarbeitung liefert Schuler übrigens – zwangsläufig persönlich gefärbt – mit dem Hause Springer, für das er mehr zwölf Jahre an vorderer Stelle gearbeitet hat. Wörtlich schreibt er im Unterkapitel „Mein Ende bei BILD“ von einem „medial orchestrierten Gleichschritt“ auch der Springer-Presse und, dass auch dort die „Grenzen zwischen Journalismus und Aktivismus“ immer fließender geworden seien.

Diese harte Diagnose hat einen sehr konkreten Hintergrund: Eine Gruppe von renommierten Wissenschaftlern und Ärzten hatte Anfang Juni 2022 im Springer-Flaggschiff WELT einen kritischen Gastbeitrag über die fortschreitende sexualisierende Indoktrination von Heranwachsenden, namentlich den „Transgender-Hype“, veröffentlicht und vor allem die Öffentlich-Rechtlichen attackiert.

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Springer-Chef Mathias Döpfner indes bezeichnete diesen WELT-Gastbeitrag öffentlich als „unterirdisch, grob einseitig, oberflächlich, herablassend, ressentimentgeladen“ und verwahrte sich gegen die Feststellung, „dass es nur zwei Geschlechtsidentitäten gibt.“ Ralf Schuler wiederum wollte diesen Kotau vor der – offenbar auch US-amerikanischen – Queer-Lobby nicht mitmachen und schrieb an den Springer-Chef: Ich bin nicht bereit, für eine politische Bewegung, welcher Art auch immer, und unter ihrer Flagge zu arbeiten. Das habe ich früher nicht getan und tue ich heute erst recht nicht.“

Gleichwohl ist Schulers Weggang von BILD ein Verlust. Er würde dort gebraucht, denn BILD ist mittlerweile die einzige auflagenstarke Zeitung, die ungeschminkt aufgreift, was ARD/ZDF/DLF und viele andere Mainstream-Medien gerne unter den Teppich kehren: die Probleme mit der Massenzuwanderung, das kriminelle Treiben von Clans, die Täterherkunft von Messerstechern, die Radikalisierung der verharmlosend so genannten „Klima-Aktivisten“, die Sprachdiktate und Verrücktheiten der Gendersprache usw.

Alles in allem: Wer mit dem Blick eines unbestechlichen medialen Insiders noch genauer hineinschauen möchte in den politischen und intellektuellen Verfall dieses Landes (und des gesamten Westens), wer sich munitionieren möchte gegen den „woken“ Ungeist, wer andere motivieren möchte zum Ausstieg aus Schweigespirale, Ungeist und Untertanengeist, der ist bei Schuler an der richtigen Stelle.

Nach seinem freiwilligen, firstlosen Ausstieg bei Springer ging Schuler übrigens als Politikchef zu „Rome Medien GmbH“. Ralf Schuler (Jahrgang 1965), Vater von drei erwachsenden Kindern und bekennender protestantischer Christ, ist sich mit seinem Weggang bei Springer jedenfalls selbst treu geblieben, und er hat seine Unabhängigkeit bewahrt. Schon zu DDR-Zeiten hatte er sich politisch nicht vereinnahmen lassen. Von daher weiß er, was politisch und medial inszenierte Gehirnwäsche ist.

Ralf Schuler, Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde. Fontis-Verlag, 235 Seiten, 22,90 €


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