Schon in seinem Vorwort stellt Rainer Wendt, der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizei-Gewerkschaft, zupackend die unterschiedlichen Sichtweisen vor, die die Sicherheitsdebatte in Deutschland bestimmen. Dabei beschreibt er die staatlich garantierte Sicherheit für wenige Privilegierte, die naive Gläubigkeit an das uneingeschränkt Gute im Menschen sowie die vielfach feststellbare Resignation vor einer zunehmenden Alltagskriminalität, die von den Bürgern als besonders bedrohlich empfunden wird.
Dabei wendet er sich gegen „Heuchler“, die der Polizei Untätigkeit vorwerfen, jedoch keine Gelegenheit auslassen, die polizeiliche Arbeit scharf zu kritisieren. Meltzer klagt an, in vielen Bereichen sei die Polizei ihrem Gegenüber unterlegen, weil keine Gleichheit der Waffen bestünde und aus ideologischen Gründen die Taten der einen verharmlost und die Taten der anderen überzeichnet würden. Wie viele seiner Kollegen zweifelt er an, dass sich eine polizeiliche Kriminalstatistik als Gradmesser für eine steigende oder sinkende Kriminalität eignet. Wenn die Missstände überdeutlich werden, braucht es ein Bauernopfer. Als ein Beispiel führt Meltzer die Entlassung des Berliner Polizeipräsidenten Klaus Kandt an. Das Gemisch aus ideologischer Verblendung, angeblichen Sparzwängen, unter denen die Polizeien vieler Bundesländer leiden und gebetsmühlenartigen Wiederholungen, in Deutschland könne man gut und sicher leben, hat seit der Flüchtlingskrise bei vielen Bürgern zu einer Vertrauenskrise geführt. Meltzer will nicht auf selbsternannte „Experten“ hören, die angesichts steigender Gewalt den Opfern zur Deeskalation raten. Rebecca Sommer, eine in Berlin lebende Künstlerin, legt in ihrem Beitrag den Schwerunkt auf die von Flüchtlingen begangenen Straftaten. Angesichts dieser Herausforderungen spitzt sie zu: „So schaffen wir das nicht“.
Die Rahmenbedingungen werden im dritten Kapitel zur These der „schwierigen Lage für Polizeibeamte“ verdichtet. Hier reicht das Spektrum der Darstellungen von einer Betrachtung über „Polizeiliches Denken“ bis zu den vielen Risiken des Polizeiberufes und führt zu der Frage, ob Polizisten die Müllmänner der Gesellschaft sind.
Die Autoren dieses Buches zeichnen ein Lagebild, das sich sehr deutlich von den offiziellen Verlautbarungen unterscheidet, die mindestens einmal im Jahr – bei der Vorstellung der PKS – zu hören sind. Steffen Meltzer fasst in seinem Nachwort zusammen, „dass sich unser Zusammenleben in den letzten Jahren stark zum Nachteil verändert hat, allen politischen Beschwichtigungsreden zum Trotz. Daran ändert auch die bei Politikern weit verbreitete geradezu religiöse Verehrung von Statistiken und Studien nichts. Das Leben findet auf der Straße statt und nicht im Elfenbeinturm oder beim Reden schreiben.“
Diese Rezension von Thomas Lay erscheint mit freundlicher Genehmigung von VEKO online.
Steffen Meltzer, Rainer Wendt; Roland Tichy (Hg.), Schlussakkord Deutschland. Wie die Politik unsere Sicherheit gefährdet und die Polizei im Stich lässt. Ehrenverlag, 244 Seiten, 16,90 €.