Tichys Einblick
„Mut und Glaubwürdigkeit“

Polens Premierminister ehrt Gunnar Heinsohn für sein Werk

Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki hat den deutschen Wissenschaftler Gunnar Heinsohn, den TE-Leser aus vielen Beiträgen kennen, mit der Lech Kaczynski Medaille ausgezeichnet. Sein gerade neu aufgelegtes Werk "Söhne und Weltmacht" ist ein Klassiker der Erklärung moderner Konflikte.

Gunnar Heinsohn

IMAGO / STAR-MEDIA

„Mut und Glaubwürdigkeit“, dafür stehe Gunnar Heinsohn, sagte Mateusz Morawiecki anlässlich der Übergabe der Lech Kaczynski Medaille an Heinsohn in Warschau. Sein Werk sei breit, vielfältig und wegweisend – und Heinsohn ein Wissenschaftler, wie sie die Renaissance hervorgebracht habe: Vielseitig gebildet, allerseits interessiert und mit hervorragenden Leistungen gesegnet.

Er bringe Erkenntnisse aus höchst unterschiedlichen Gebieten zusammen und sei damit ein Vorbild für heutige Wissenschaftler: Gerade dieser breite, verschiedene Disziplinen vereinigende Ansatz sei in der heutigen Wissenschaft dringend von Nöten. Wissen entwickle sich in rasender Schnelligkeit, aber zerfalle in unterschiedliche Teilbereiche. Der von Heinsohn angewandte neo-liberale Ansatz habe seit 1989 die Reformen nach dem Zusammenbruch des Sozialismus in Osteuropa wesentlich geformt. Heinsohns Werk umfasst Beiträge zur Soziologie, Demographie, Geschichte, Wirtschaft und zur Bedeutung von Bildung für die Entwicklung der modernen Gesellschaft.

Heinsohn wurde 1943 im damals Gotenhafen genannten Gdingen (Gdynia) bei Danzig geboren. Er sagt über sich, dass seine Kindheitserinnerungen unbewusst durch die dortige Backsteingotik geprägt seien. Diese habe er erst als Erwachsener in Lübeck wieder gefunden. Heinsohn lehrte in Bremen und zog nach seiner Emeritierung nach Danzig. Dort unterhält er unter anderem ein privates historisches Stadt-Archiv, das bei der Rekonstruktion Danzigs wertvolle Hilfestellung leistet.

Heinsohn ist den Lesern von TE aus vielen Beiträgen zur Bildungsforschung bekannt. Sein bekanntestes Werk ist »Söhne und Weltmacht«, das in diesem Jahr in einer erweiterten Neuausgabe vorgelegt wurde.

Aus Anlass der Preisverleihung publizieren wir unsere Besprechung vom 10.9.2021 unten erneut und verweisen auf seinen Auftritt im TV-Talk „Tichys Ausblick“ im August, in dem er die Niederlage des Westens in Afghanistan begründet.

Die These von »Söhne und Weltmacht« lautet, dass nicht Religionen, Stammesfehden oder Hungersnöte zu Terror und Krieg führen, sondern überdimensionierte Bevölkerungsanteile an perspektivlosen jungen Männern die entscheidenden Treibsätze liefern.

Der mittlerweile seit Jahrzehnten dauernde Konflikt zwischen dem Westen und dem Islam in Afghanistan bestätigt das: »Im Jahr 1980, zu Zeiten der russischen Besatzung betrug die Bevölkerungszahl 13,3 Millionen, 2020 waren es unfassbare 38,9 Millionen. Eine Verdreifachung, in diesem extrem kargen Land! Für das Jahr 2050 werden 64,7 Millionen prognostiziert. Man kann unter diesen Umständen eigentlich nicht mehr von einer afghanischen Nation sprechen«, schreibt Gerd Held in seinem Beitrag »Afghanistan. Nur eine falsche ›Einschätzung‹?« auf TE online.

Helds Ausblick 6-2021
Afghanistan: Nur eine falsche „Einschätzung“?
Die Bevölkerungsexplosion schafft ein Heer aggressiver junger Männer, die Chancen im Krieg suchen, weil sie ihnen der Frieden nicht bietet, die nicht integrierbar sind, weil jeder wirtschaftliche Fortschritt sofort von der Bevölkerungsexplosion aufgefressen wird.

Heinsohn geht diesem – von ihm »Youth Bulge« genannten – Phänomen auch historisch auf den Grund: Führt ab 1500 die Bestrafung der Geburtenkontrolle zu den Sohnesmassen der Christenheit, die sich 90 Prozent der Erde unterwerfen und in Weltkriegen dezimieren, so verfügen heute islamische Territorien über jugendliche Bevölkerungen, die sich trotz enormer Verluste immer wieder an Reichsbildungen versuchen und den Traum vom Kalifat keineswegs aufgegeben haben.

Dieses Buch führte schon bei seinem Ersterscheinen 2003 zu heftigen Kontroversen. Während Friedensforscher und Demographen empört reagierten, suchten Geheimdienste und Militärakademien Heinsohns Rat. So hielt er zum 15. Geburtstag des Joint Warfare Centers (JWC) in Stavanger das Perspektivreferat für die NATO.

»Söhne und Weltmacht« bleibt für das Verständnis vergangener und für die Prognose zukünftiger Waffengänge unverzichtbar. Es liegt als vom Autor erweiterte und durchgehend aktualisierte Neufassung vor.

Sendung 26.08.2021
Tichys Ausblick Talk: „Afghanistan und der schwache Westen: Was bleibt?“
Peter Sloterdijk war bereits von der ersten Fassung beeindruckt: »Ich bin davon überzeugt, dass ein Buch des deutschen Genozidforschers Gunnar Heinsohn zur Pflichtlektüre von Politikern und Feuilletonisten gemacht werden sollte: ›Söhne und Weltmacht‹. Darin wird der Zusammenhang zwischen Menschenproduktion und Gewaltpolitik durchleuchtet. Es darf in keiner Diskussion mehr fehlen, weil die aktuellen Konflikte nur im Licht dieser Analysen transparent werden.«

Dieses Buch ist ein Klassiker; weil es in seinem Erkläransatz weit über den kurzfristigen Horizont hinausreicht, der die heutige Politik beherrscht. Denn die Konflikte reichen weiter – Afghanistan ist nur der dramatische Höhepunkt einer globalen Entwicklung. Somalia, der Gaza-Streifen, Äthiopien und viele afrikanische Staaten, die der frühere US-Präsident Donald Trump abschätzig als „Shit-Holes“, als die Dreckslöcher des Planeten, bezeichnete, sind alle von dieser Dynamik angetrieben, die aus der Bevölkerungsexplosion resultiert – und den Frieden der Welt gefährdet.

Gunnar Heinsohn, Söhne und Weltmacht. Terror im Aufstieg und Fall der Nationen. Orell Füssli, Hardcover mit Schutzumschlag, 224 Seiten, 20,00 €.


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