Tichys Einblick
Von den Werten rechtsstaatlicher Demokratie

Die heutige CDU ist keine Partei der politischen Mitte

Mit den Unionsparteien hat sich auch unser Land in den letzten zehn Jahren verändert, ist linker, um nicht zu sagen sozialistischer geworden: mit mehr Staat, mehr Bürokratie, mehr Bevormundung, einem Mehr an Ausgrenzung, einem engeren Meinungskorridor und weniger Rechten des Einzelnen – von Hans-Georg Maaßen

CDU und CSU sind die Parteien, die Deutschland nach 1945 am stärksten geprägt haben. Sie sind die Parteien des deutschen Wirtschaftswunders, der sozialen Marktwirtschaft, der Westbindung, der Wiedervereinigung und der europäischen Integration. Die Unionsparteien haben durch eine kluge Politik über Jahrzehnte maßgebend zur Stabilität und zum inneren Frieden Deutschlands beigetragen und Deutschland zu einem hoch anerkannten internationalen Partner und globalen Mitspieler gemacht. Sie haben wie keine andere Partei seit 1949 Regierungsverantwortung in Bund und Ländern getragen, und sie sind trotz aller Verluste bei Wahlen immer noch die stärkste und die entscheidende politische Kraft in Deutschland.

Das alles sind keine Selbstverständlichkeiten. Es lag nicht nur an herausragenden politischen Persönlichkeiten, die die Union hervorgebracht hat und Deutschland geführt und gestaltet haben, wie Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Franz-Josef Strauß und Helmut Kohl. Es lag auch daran, dass die Unionsparteien Volksparteien sein wollten, die nicht bestimmte Interessen einer Klientel oder spezieller Milieus und Ideologien vertreten. Dies war das Erfolgsrezept der Unionsparteien, dass sie es verstanden, unterschiedliche Milieus, Geistesrichtungen, Konfessionen und Interessengruppen zu integrieren, und in der Lage waren, deren teilweise gegenläufige politische Vorstellungen zu kanalisieren und als gemeinsame Standpunkte nach außen zu vertreten. Die Union war deshalb niemals rechts oder konservativ, nicht links oder wirtschaftsliberal, auch nicht katholisch oder evangelisch. Sie schaffte es, die Vorstellungen der verschiedenen Milieus und Personengruppen zusammenzuführen. Je besser es ihr gelang, desto erfolgreicher war sie.

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Was die Partei einte und von anderen Parteien unterschied, waren gemeinsame Grundwerte, ein realistischer Politikansatz und die Ablehnung jeder Form von Ideologie und politischer Romantik. Grundwerte, die nicht beliebig sind, sondern die im Kern rote Linien für die praktische Politik darstellten, wie beispielsweise das christliche Menschenbild und der Humanismus, die soziale Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit, bürgerliche Freiheiten, Patriotismus, ein starkes Europa, das Streben nach gesunden und natürlichen Lebensverhältnissen und der Schutz von Ehe und Familie.

Diese Punkte waren für mich persönlich ausschlaggebend, als ich 1978 der Jungen Union, 1987 der CDU (nicht der OstCDU) und 2019 der WerteUnion beitrat. Ich hatte mich bewusst gegen SPD und Grüne entschieden, die aus meiner damaligen und umso mehr heutigen Sicht ideologische und teilweise weltfremde politische Positionen vertreten. Menschen, die bestimmte politische oder religiöse Ziele als die einzig richtigen ansehen, die Politik als emotionales oder ideologisches Geschäft betreiben, anderen Menschen das Recht absprechen, auch Recht haben zu können und so zu leben, wie sie es für richtig halten, sind gefährlich. Ideologen sind schädlich für eine Demokratie, denn sie zerstören mit ihrem Eiferertum und ihrem Hass gegen politisch Andersdenkende die Demokratie, die davon lebt, dass man den politisch Andersdenkenden nicht als Feind behandelt, sondern ihm die Möglichkeit gibt, sich in einem fairen demokratischen Wettbewerb durchzusetzen.

Ich habe mich in dieser Einstellung bis heute nicht verändert. Anders als die Unionsparteien und die Politik dieser Parteien.

In den letzten zehn Jahren haben sich die Unionsparteien, vor allem aber die CDU, in einer Weise entwickelt, dass man sie nicht mehr wiedererkennen kann. Die klassischen Grundwerte der CDU wurden mehr oder weniger stillschweigend aufgegeben. Mehr noch: Worte wie Freiheit, Marktwirtschaft, Familie und Rechtsstaatlichkeit blieben zwar, aber sie wurden mit neuen Inhalten gefüllt, teilweise mit dem genauen Gegenteil der bisherigen Werte. Politische Persönlichkeiten, die die klassischen Grundwerte der Union vertraten, rückten in den Hintergrund und wurden marginalisiert. Dagegen wurden klassische linke Forderungen übernommen und als modern sowie als Positionen der politischen Mitte hingestellt. Dabei bedeutet links nicht Fortschritt, sondern das Gegenteil: Entmündigung des Menschen und Gängelung der Wirtschaft. SPD und teilweise auch die Grünen mussten zur Kenntnis nehmen, dass die CDU sie programmatisch enteignete. Sie suchten ihr politisches Heil darin, die CDU noch weiter links zu überholen. Damit wurde das politische Koordinatensystem nach links verschoben, was bei der Union zum Verlust Zehntausender Parteimitglieder sowie zu erheblichen Einbußen bei Wahlen führte und ursächlich war für den Erfolg der AfD. Die Union hatte damit das Erbe Konrad Adenauers und Helmut Kohls aufgegeben.

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Die Übernahme von Positionen der Grünen und Linken, die Aufgabe klassischer eigener Überzeugungen der CDU, die Ausgrenzung von politischen Persönlichkeiten, die klassische CDU-Standpunkte vertreten, mündeten in eine grundlegende Veränderung der innerparteilichen, aber auch der öffentlichen Diskussionskultur. Parteimitglieder, die die Übernahme linker Positionen für falsch halten, werden innerparteilich ausgegrenzt und bekämpft. Sie werden sogar als Krebsgeschwür bezeichnet, das vernichtet werden muss. Ein derartiger innerparteilicher Umgang ist totalitär und einer demokratischen Partei unwürdig. Die heutige CDU ist keine Partei der politischen Mitte, sondern eine linke Partei.

Nicht nur die Unionsparteien haben sich in den letzten zehn Jahren verändert, sondern durch sie ist auch unser Land verändert worden. Es ist linker, um nicht zu sagen sozialistischer geworden: mit mehr Staat, mehr Bürokratie, mehr Bevormundung, einem Mehr an Ausgrenzung, einem engeren Meinungskorridor und weniger Rechten des Einzelnen. Meinungsumfragen zufolge sind über 70 Prozent der Bürger der Auffassung, dass man sich nicht mehr so frei äußern kann wie früher, ohne Gefahr zu laufen, in die rechte Ecke gestellt zu werden. Die Presse ist frei, aber sie berichtet zunehmend gleichförmig. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist nicht nur wegen seiner Kosten, sondern auch wegen der politischen Ausrichtung seiner Berichterstattung umstritten wie nie zuvor. Rechtsstaatlichkeit und freiheitliche Demokratie werden von namhaften Rechtsprofessoren als gefährdet angesehen. Personen, die sich kritisch äußern, werden isoliert, diskreditiert, lächerlich gemacht, ausgegrenzt und damit politisch neutralisiert. Eine zutiefst undemokratische Umgangsform.

Hinzu kommt, dass die wirtschaftlichen, außenpolitischen und migrationspolitischen Probleme, denen Deutschland heute gegenübersteht, gewaltig sind. Bereits vor der Corona-Krise sah es für die deutsche Wirtschaft nicht rosig aus, weil die bestehenden starken deutschen Wirtschaftszweige vernachlässigt oder auf Grund der Klimapolitik belastet werden. Zukunftsträchtige Wirtschaftszweige sind dagegen in Deutschland zu wenig entwickelt worden. Manche Schwierigkeiten wurden durch die schleichende Abhängigkeit vom chinesischen Markt verschleiert. Auch die Corona-Krise verdeckt, dass einige unserer aktuellen Probleme nicht erst durch die Pandemie, sondern viel früher aufgrund von politischen Fehlentscheidungen entstanden sind. Die Migrationspolitik der letzten fünf Jahre war eine Fehlleistung, die langfristige negative Folgen für unser Land hat. Außenpolitisch hat sich Deutschland zunehmend isoliert. Wir sind unseren Freunden, Alliierten und Partnern fremd geworden.

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Diese Probleme können nur gelöst werden, wenn wir bereit sind, sie auch als Probleme und nicht als linken »Fortschritt« zu sehen, und wenn wir bereit sind, ihre wirklichen Ursachen zu erkennen und darüber zu sprechen. Wer die Schwierigkeiten nicht als solche wahrnimmt und ihre Ursachen verkennt, und wer sich weigert, darüber zu reden, wird selbst Teil des Problems. Weil die Union in Deutschland die maßgebende politische Kraft ist, können wir diese Herausforderungen nur bewältigen, wenn sich CDU und CSU diesen Problemen unvoreingenommen und ohne ideologische Scheuklappen stellen und auch willens sind, sie zu lösen.

Die WerteUnion ist kein romantischer Traditionalistenverein, der das Rad der Geschichte zurückdrehen und in eine angeblich gute alte Zeit zurück will. Anders als die in Deutschland politisch dominierenden Linken, die sich an eine historisch überlebte und widerlegte romantische Ideologie aus der Frühzeit der Industrialisierung klammern, steht die WerteUnion für die Prinzipien des fortschrittlichen, liberalen, demokratischen Rechtsstaats. Prinzipien, die CDU/CSU und Deutschland stark gemacht haben. Wenn die WerteUnion konservativ ist, dann nur deshalb, weil sie der Überzeugung ist, dass einmal für richtig erkannte politische Prinzipien nicht beliebig sind und nicht aus Opportunität in ihr Gegenteil verkehrt werden dürfen. Die WerteUnion ist der Auffassung, dass unter den derzeitigen Umständen eine Veränderung der Politik in Deutschland nur dadurch erfolgen kann, dass die Union wieder zu ihren politischen Grundwerten zurückfindet. Sie will, dass die bestehenden Probleme und Herausforderungen auf der Basis der Grundwerte von CDU und CSU und nicht auf der Basis von Beliebigkeit und linker weltfremder Heilsgewissheit gelöst werden. Nur ideologiefrei und mit einem festen Wertegefüge sind wir in der Lage, die Probleme zu lösen.

Dieser Beitrag von Dr. Hans-Georg Maaßen erscheint als Vorwort in:
Alexander Mitsch, Im Dienste der Überzeugung. Wie wir Deutschland und die CDU/CSU nach Merkel retten. FinanzBuch Verlag, 240 Seiten, 22,99 €


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