Tichys Einblick
ZeroCovid und die Rückkehr des Totalitarismus

Zero Deutschland

In der Initiative ZeroCovid offenbart sich Marxismus in infantiler Schwundstufe. Die Zero-Aktivisten fordern, dass Europa in ein Einzelhaftgulag verwandelt wird, bis das Ziel, der coronabefreite Kommunismus, erreicht worden ist. 1968 wiederholt sich als Klamotte.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Man muss hier Karl Marx wirklich recht geben, wenn er schreibt: „Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“ In der gegenwärtigen Gesellschaftskrise scheint sich das Jahr 1968 zu wiederholen, allerdings die Groteske von 1968 als infantile Klamotte in den 2020er Jahren. Alle Ladenhüter linker Theorien mit dem Gleichheitspathos, das man aus George Orwells „Farm der Tiere“ kennt, aufgehübscht, beherrschen wieder die öffentliche Diskussion, auch deshalb, weil sich immer mehr Zeitgeistsurfer einfinden, um ihren Auftritt in den Daily Soaps linksliberaler Medien zu haben. 

Die jüngste Folge trägt den Titel „ZeroCovid“. Die Unterzeichner der Initiative überraschen nicht, unter ihnen finden sich Sea Watch Aktivisten, die bereits viel für die Pandemiebekämpfung in Deutschland getan haben, Klimaaktivisten wie die unvermeidliche Luisa M. Neubauer und Autoren, die zu lesen nicht lohnt. Wenn die Pandemie nicht so ernst wäre, müsste man darüber schmunzeln, dass die gute alte Weltrevolution nun auch bei Covid-19 angekommen ist. So wie die drohende Klimaapokalypse endlich zum Ökosozialismus mit grüner Kommandowirtschaft verhelfen sollte, so wird nun die Pandemie entdeckt, um das klassenkämpferische Ziel zu erreichen – mit dem einen Unterschied, dass die Pandemie wirklich grassiert.

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Lässt man den Grund weg, so finden sich die üblichen Forderungen wieder, die man schon von der Klimakrise kennt: Vermögensumverteilungen, Verstaatlichungen, die unverhältnismäßige Förderung von Migranten oder Bürgern mit sogenanntem Migrationshintergrund und natürlich die Rettung der ganzen Welt. Es sind kommunistische Standardwünsche – und wie immer wird mit der Apokalypse gedroht, denn wir alle werden jämmerlich an der Pandemie zugrunde gehen, wenn wir nicht, ohne nachzudenken und sofort und willig, den Imperativen der Aktivisten von „ZeroCovid“ Folge leisten.  

Selbstsicher verkünden die Aktivisten auf ihrer Website, dass die „Strategie, die Pandemie zu kontrollieren“ gescheitert sei und fordern deshalb, den Weg des Scheiterns noch schneller und konsequenter zu verfolgen, denn nur eine „gemeinsame Strategie in Europa“ wird „die Pandemie wirksam … bekämpfen.“ Dass die „gemeinsame Strategie in Europa“ zu einem Desaster bei der Beschaffung des Impfstoffes führte, ficht die Zero-Aktivisten nicht an, denn „mit Impfungen allein ist der Wettlauf gegen die mutierte Virusvariante nicht zu gewinnen“. Deshalb fordern sie, dass die gesamte Wirtschaft mit Ausnahme der „dringend erforderlichen Bereiche“ stillgelegt wird, die „Fabriken, Büros, Betriebe, Baustellen, Schulen müssen geschlossen und die Arbeitspflicht ausgesetzt“ werden. Im Grunde wird der totale Shutdown gefordert: „Wir schränken unsere direkten Kontakte auf ein Minimum ein – und zwar auch am Arbeitsplatz!“

Die Zero-Aktivisten fordern, dass Europa in ein Einzelhaftgulag verwandelt wird, bis das Ziel, der coronabefreite Kommunismus, erreicht worden ist: „Das Ziel darf nicht in 200, 50 oder 25 Neuinfektionen bestehen – es muss Null sein.“ Erst, wenn nicht einmal ein einziger Mensch in Europa mehr von Covid 19 und deren Mutationen infiziert ist, erst dann, werden Menschen aus ihren Häusern und Wohnungen entlassen und die Wirtschaft wieder hochgefahren – und keinen Tag früher. Wichtig sei, dass „die Beschäftigten die Maßnahmen in den Betrieben selber gestalten und gemeinsam durchsetzen.“ Deshalb werden die Gewerkschaften aufgefordert, diesen Aufruf zu unterstützen. Das ganze bringt natürlich weder menschlich, noch wirtschaftlich Probleme hervor, schließlich benötigt man nur „eine solidarische Pause von einigen Wochen“, dann wird das Virus an Langeweile und an Einsamkeit zugrunde gegangen sein. 

An die Einsamkeit von Menschen, von alten Menschen, von kranken Menschen, von sterbenden Menschen, an den Tod von Menschen, die wegen dieses totalen Shutdowns sterben müssen, die sich nicht von ihren Kindern und Enkeln verabschieden können, denken die Zero-Humanisten nicht. 

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Allerdings werden wir auch, nachdem die Infektionen abnehmen, nicht mehr frei werden, denn „die niedrigen Fallzahlen müssen mit einer Kontrollstrategie stabil gehalten und lokale Ausbrüche sofort energisch eingedämmt werden“ und als wäre das nicht schon genug Arbeit für eine zu bildende Gesundheitspolizei, muss dieser Corona-KGB dafür sorgen, dass „die gemeinsame langfristige Vision – und auf deren Basis regionale und nationale Aktionspläne“ eingehalten werden. Überwachung,  Bespitzelung und Denunziation heißt übrigens im Fachjargon Screening. 

Unsere Freiheit und unseren Wohlstand opfern wir nach dem Willen dieser Zero-Liberalen der neuen Gemeinwohlgesellschaft, die auf die Pandemie folgen muss. Die Zero-Aktivistin Hengameh Yaghoobifarah hat in ihrem Werbetext  für die Initiative in der Taz klargestellt, „dass der Kapitalismus uns zugrunde richtet und nie die Lösung war, sondern das Problem.“ 

Weil das Hauptziel der Initiative nicht darin besteht, die Pandemie zu bekämpfen, sondern die Pandemie zu benutzen, um den Kapitalismus und die Freiheit der Menschen abzuschaffen, zu deren Bedingungen übrigens die Garantie des Eigentums, auch des geistigen, gehört, verlangen die Aktivisten, dass ein sozialistisches Gesundheitswesen aufgebaut wird, denn das  „Profitstreben im Gesundheits- und Pflegebereich gefährdet die kollektive Gesundheit“. Den privaten Unternehmen – von welchen öffentlichen Unternehmen die Aktivisten fabulieren, bleibt im Dunkeln – wird befohlen, dass sie „umgehend die erforderliche Produktion von Impfstoffen vorbereiten und durchführen“. So einfach geht das, ein Befehl regelt alles. Hätten Jens Spahn und Angela Merkel von selbst drauf kommen können oder die Aktivisten fragen. 

Besonders hübsch ist der Satz voller faustischer Tiefe, dass die Erfindung von Impfstoffen ein Ergebnis der kreativen Zusammenarbeit vieler Menschen ist, und sie „deshalb der gesamten Menschheit gehören“ müssen. Wenn viele Leute einen Fisch fangen, gehört er also auch der ganzen Menschheit. 

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Und weil die große, solidarische und gemeinsame Pause, die wir uns jetzt einfach einmal gönnen müssen, finanziert werden muss, wird eine „europaweiten Covid-Solidaritätsabgabe auf hohe Vermögen, Unternehmensgewinne, Finanztransaktionen und die höchsten Einkommen“ erhoben. Die höchsten Einkommen werden allerdings Europa verlassen haben, bevor noch ein entsprechender Gesetzesantrag formuliert worden ist. Bezahlen soll es schließlich die Mittelschicht, die aber durch die große und gemeinsame Pause finanziell dazu nicht mehr in der Lage sein wird, auch nicht die vielen insolventen Unternehmen. Welche Gewinne wollen die Zero-Finanzminister denn besteuern? 

Die Zero-Ökonomen stellen sich vor, dass in Europa ein paar Burgen existieren, in deren Schatzkammern der „enorme Reichtum“ Europas lagert, den sich allerdings einige wenige Vermögende angeeignet haben – und den man dort auch nur abholen muss, denn schließlich wird man mit den Goldstücken aus den mittelalterlichen Schatzkammern „die umfassende Arbeitspause und alle solidarischen Maßnahmen problemlos“ finanzieren können. 

Wenn die Zero-Demokraten behaupten, dass kein „Gegensatz existiert zwischen Gesundheitsschutz und Pandemiebekämpfung einerseits und der Verteidigung demokratischer Rechte und des Rechtsstaats anderseits“, dann erweist sich die Floskelhaftigkeit der Wendung, wenn man statt Gesundheitsschutz Klimaschutz einsetzt – und so eine seltsam vertraute Behauptung hört. Natürlich besteht grundsätzlich kein Gegensatz zwischen Gesundheitsschutz und Pandemiebekämpfung und demokratischen Rechten, doch über welche demokratischen Rechte reden die Gesundheitsaktivisten, die Klimaaktivisten, die Zero-Liberalen, wenn sie von demokratischen Rechten sprechen? Die Marxisten – und das wird die Marxistin Rahel Jaeggi, die den Aufruf, der eigentlich unter ihrem theoretischen Vermögen steht, unterschrieben hat, bestätigen – sahen die UdSSR oder die DDR als die demokratischsten Länder der Erde. Für sie bestand die höchste Form der Demokratie in der Diktatur des Proletariats, in zeitgemäßer Version vielleicht in der Diktatur der Aktivisten.

Verstaatlichungs- und Umverteilungsforderungen schießen derzeit ins Kraut – und die Liebe zu Zwangsbeglückungen auch. Robert Habeck hat 2019 schon einmal mit Enteignungen gedroht. Und Renate Künast findet, dass unser Ernährungssystem gescheitert wäre. Deshalb sei die Zeit der Freiwilligkeit vorbei. Der Staat soll entscheiden, was und wie viel auf die Teller der Bürger kommt, wie überhaupt der Staat alles regeln soll, von der Gesundheit, über die Produktion, bis zur Verteilung des Eigentums, weil, so muss man annehmen, die Zero-Moralisten die Menschen für zu dumm halten, für sich selbst zu entscheiden. Der Mensch ist in ihren Augen grundsätzlich etwas, das erzogen werden muss und dem zu sagen ist, was er zu tun und was er wie zu denken, was er zu essen und was er zu trinken hat. 

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