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Bürgermeisterin in der Kritik

Zentralmoschee Köln: Ditib will Muezzin-Ruf beantragen

Die dem türkischen Staat unterstehende Ditib will für die von ihr betriebene Zentralmoschee Köln einen Antrag auf Genehmigung des Muezzin-Rufs stellen. Dabei war der Verzicht darauf eine der Bedingungen für den damals umstrittenen Moschee-Bau.

IMAGO / Steinach

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker gestattete den Muezzin-Ruf Anfang Oktober quasi im Alleingang – zunächst als auf ein zwei Jahre befristetes Modellprojekt mit Auflagen: Der Muezzin soll nach Genehmigung zwischen 12 und 15 Uhr fünf Minuten lang zum Freitagsgebet rufen dürfen. Nun will die Kölner Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld diese Genehmigung beantragen, wie der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet. Das kündigten zwei Funktionäre der Ditib, die Betreiberin der Moschee ist, gegenüber der Zeitung an. Die Antragsformulare sollen demnach noch in dieser Woche eingereicht werden. Die Ditib (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) untersteht dem Präsidium für religiöse Angelegenheiten der Türkei, das dem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan direkt unterstellt ist.

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Für ihren Schritt, den Muezzin-Ruf zu erlauben, der für viele überraschend kam, bekam die Oberbürgermeisterin viel Kritik. Der Kölner Stadt-Anzeiger hatte hierzu bereits ein zweiseitiges Dossier in seiner Ausgabe vom 16./17. Oktober 2021 veröffentlicht. Demnach war der Kölner Rat der Religionsgemeinschaften vorab nicht darüber informiert worden, obwohl er nur einen Tag vorher mit Reker zusammensaß. Dem Gremium gehören 21 Religionsgemeinschaften und Organisationen an, und es tagt alle acht bis zwölf Wochen auf Einladung der Oberbürgermeisterin. „Wir haben uns schon sehr gewundert, dass der Gebetsruf bei der Sitzung kein Thema war“, wurde ein Teilnehmer zitiert. Reker habe es mit keinem Wort erwähnt, sie hätten es erst aus den Medien erfahren.

Nachdem die Stadtsprecherin auf Nachfrage der Zeitung damals zunächst behauptet hatte, das wäre sehr wohl Thema beim Rat der Religionen gewesen, korrigierte sie sich später und räumte ein, das Gremium habe sich nicht ausdrücklich mit dem Gebetsruf befasst. Warum diese „Geheimniskrämerei bei einem derart polarisierenden Thema?“, fragte der Kölner Stadt-Anzeiger in dem Dossier.

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Auch in der CDU-Ratsfraktion war man über den Alleingang von Reker verärgert. „Toleranz und Integration sind keine Einbahnstraßen. Die Ditib ist in der Vergangenheit leider mehr durch mangelnde Transparenz als durch ein offenes Miteinander aufgefallen“, so Fraktionschef Bernd Petelkau in seiner Stellungnahme. Dafür hätten die Menschen in Köln ein feines Gespür. Die aktuelle Diskussion spiegele den Unmut über dieses Verhalten wider. Die Kritik der SPD-Fraktion fiel noch deutlicher aus, deren Vorsitzender Christian Joisten wurde zitiert: „Bei einem solchen Thema muss es vorab eine breite, gesamtgesellschaftliche Debatte geben.“ Das habe Frau Reker unterlassen und die Menschen vor vollendete Tatsachen gestellt. „Das war ein schwerer Fehler und hat der Sache einen Bärendienst erwiesen.“

Kölns ehemaliger Oberbürgermeister Fritz Schramma kritisierte den Vorstoß von Reker ebenfalls. „Wir haben der Ditib ohne Not den roten Teppich ausgerollt“, sagte er der Zeitung. Der Muezzin-Ruf würde keinen Gläubigen zusätzlich in die Moschee bringen und habe nur symbolischen Charakter. Die Befristung auf zwei Jahre hält Schramma für lebensfremd. „Mit welcher Begründung sollte man den Gebetsruf nach zwei Jahren wieder abschaffen? Wenn die Genehmigung einmal vorliegt, kann man sie nicht mehr einkassieren.“

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Unter seiner Ägide wurde der damals umstrittene Bau der Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld vorangetrieben, wobei sich Schramma stark dafür einsetzte. Der 2008 mit der Ditib vereinbarte Verzicht auf den Muezzin-Ruf war eine der Bedingungen, ohne die der Moschee-Bau nicht zustande gekommen wäre. An der Einweihung der Moschee im September 2018 durch den türkischen Staatspräsidenten Erdogan waren dennoch weder er noch Reker noch ein anderer Vertreter der Stadt Köln beteiligt. Der damalige Bürgermeister Ehrenfelds, Jupp Wirges (SPD), nannte die Eröffnung eine „Feierstunde der Parallelgesellschaft“.

Nachdem die Zentralmoschee nun ankündigte, den Antrag zu stellen, rechnet Schramma mit Protesten von Nachbarn der Zentralmoschee in Ehrenfeld, schreibt der Kölner Stadt-Anzeiger nun. Mit den anderen Kölner Moscheegemeinden sei die Ditib im Gespräch, so Murat Şahinarslan, einer ihrer leitenden Funktionäre und Direktor des Moscheeforums. Jede Gemeinde würde selbst entscheiden, ob sie einen Antrag einreicht. Zuvor hatte schon eine Moschee in Köln-Mülheim den Antrag gestellt, der aber noch geprüft wird. Zehn weitere Moscheen haben bislang lediglich ihr Interesse bekundet.

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