Tichys Einblick
Nach Diffamierung:

X will gegen Hassrede-NGO wegen Diffamierung gerichtlich vorgehen

Nachdem die Twitter-Files bereits die Verstrickungen regierungsnaher Hassrede-NGOs in die Zensur des öffentlichen Diskurses im Internet aufdeckten, legt Elon Musk nun nach und droht einer britisch-amerikanischen Hassrede-Organisation mit einer Klage wegen falscher und irreführender Berichterstattung über Twitter.

IMAGO / ZUMA Wire

Seit Jahren bereits sind Internetnutzer es gewohnt, dass selbsternannte Zensoren und Hassrede-Spezialisten ihnen das Leben erschweren. Mit der Übernahme von X (vormals Twitter) und der Veröffentlichung der Twitter-Files setzte Elon Musk allerdings ein Zeichen, dass diese Beeinflussung des öffentlichen Diskurses nicht länger im Verborgenen stattfinden würde. Nun aber wagt der X-Chef den nächsten Schritt, dreht den Spieß um und reicht Klage gegen das Center for Countering Digital Hate (CCDH), also das „Zentrum zur Bekämpfung von digitalem Hass“ ein.

Die Anwälte von X werfen dem CCDH und ihrem Chef, dem langjährigen ehemaligen Labour-Berater Imran Ahmed, vor, geschäftsschädigende Behauptungen über die ungenügende Bekämpfung sogenannter Hassrede auf X getätigt zu haben, wobei die Behauptungen – entgegen des Eigenanspruchs des CCDH – keiner wissenschaftlichen Methodik standhalten. Stattdessen behauptet X, Hinweise darauf zu haben, dass das CCDH, dessen steuerbefreitem Status in den USA zum Trotz, direkt von „kommerziellen Mitbewerbern der X Corporation, sowie Regierungsbehörden und deren Partnern“ finanziert würde. Indem das CCDH seine Beiträge als „unvoreingenommene Forschung“ präsentiert und die Agenden der dahinterstehenden Förderer vertuscht, täusche es laut X-Anwälten die Öffentlichkeit über die eigentlichen Absichten seiner Berichterstattung.

Während sich die Klageschrift gegen eine Reihe verleumderischer Berichte des CCDH über Twitter richtete, führten die Ankläger exemplarisch einen relativ neuen Artikel des CCDH an, in dem die NGO (damals noch) Twitter vorwarf, in „99% der Fälle, in denen Twitter Blue Abonnenten Hass posten“, nicht oder ungenügend zu reagieren. Die gehandhabte Methodik bestand jedoch darin, dass Mitarbeiter des CCDH 100 Tweets, die ihnen anstößig erschienen, meldeten und dann nachzusehen, ob diese nach vier Tagen gelöscht oder anderweitig bestraft wurden. Die Anwälte verweisen auf die vollständige Abwesenheit einer Methodologie ihrer „Untersuchung“, ebenso wie auf den Mangel einer Erklärung wie diese 100 Tweets ausgewählt wurden, oder die Tatsache, dass die Frage, ob Twitter Blue Abonnenten in irgendeiner Art und Weise anders behandelt wurden als herkömmliche Nutzer, in keinster Weise erörtert wurde.

Die Anwälte schließen mit der Feststellung, dass der Artikel des CCDH kaum mehr ist als „eine Reihe aufrührerischer, irreführender und unbelegter Behauptungen basierend auf oberflächlicher Durchsicht zufälliger Tweets“. Was die Anwälte in ihrem Schreiben allerdings nicht erwähnen, ist die Definitionsproblematik des Kampfbegriffs „Hass“, der sich bislang im internationalen Diskurs einer eindeutigen und unideologischen Definition entzieht und somit leicht erklären könnte, warum 99 Prozent der Tweets, die die Zensoren des CCDH als „Hass“ identifizierten, außerhalb der Hassrede-Blase womöglich nicht als solcher wahrgenommen werden.

Unabhängige Forscher, ihre Gelder, ihre Geheimdienstfreunde

Das CCDH und Imran Ahmed dementierten selbstverständlich umgehend die Vorwürfe und sprachen stattdessen davon, dass Elon Musk „unabhängige Forschung und ehrliche Kritik zum Schweigen bringen“ wolle. Laut CCDH erhalte das Zentrum „keinerlei Förderungen von Tech-Firmen, Regierungen, oder deren Partnern“. Ob diese allerdings auf Umwegen, wie man es hierzulande auch vom Netzwerk der Stiftungen, eingetragenen Vereinen und gemeinnützigen GmbHs kennt, nicht doch über „Zwischenhändler“ gerade solche Mittel erhalten, ließe sich erst im Falle einer Offenlegung der Finanzstruktur des CCDH überprüfen.

Diese Strukturen schlummern beim CCDH allerdings hinter verschlossenen Türen und das wohl nicht zufällig. Wie die Recherchen des Journalisten Sayer Ji, Gründer von GreenMedInfo.com, ergaben, gab man sich beim CCDH früher deutlich transparenter, denn noch im April 2020 listete dessen Webseite einige der wichtigsten Förderer des CCDH auf. Bei den meisten dieser Förderer handelt es sich um „philanthrope“ Stiftungen, die das CCDH mit jährlich bis zu 100.000 Pfund oder mehr bedachten.

Besonders sticht dabei die Pears Foundation hervor, die das CCDH über mehrere Jahre verteilt mit 150.000 Pfund förderte, dabei aber selbst im Jahr 2020 Gelder des U.K. Dept for Digital, Culture, Media & Sport in Höhe von 5 Millionen Pfund erhielt, sodass sich der zuvor getätigte Eindruck bestätigen würde, dass staatliche Gelder womöglich nicht direkt, aber über „Zwischenhändler“ ihren Weg in die Taschen des CCDH finden können. Auch trifft man bei der Liste der Förderer auf altbekannte Gesichter, denn die Stiftung „Unbound Philanthropy“ rühmt sich auf ihrer Webseite, gute Beziehungen zur „Open Society Foundation“ von George Soros zu pflegen. Wie so häufig in diesen Kreisen gilt auch hier: Man kennt sich.

Imran Ahmed und sein CCDH sind gut vernetzt, so viel steht fest. Mike Benz, Direktor der „Foundation for Freedom Online“, wies darauf hin, dass der Vorsitzende des Aufsichtsrats des CCDH Simon Clark ist, der als „senior fellow“ des „Digital Forensic Lab“ („Digital-forensisches Laboratorium“, bestens bekannt aus den Twitter-Files) des Atlantic Council beste Beziehungen zu sowohl Geheimdiensten, als auch britischen und US-Ministerien unterhält. Die ehemalige Leiterin der Kommunikation des CCDH, Lindsay Moran, hingegen bezeichnet sich sogar auf ihrer Twitter-Seite als ehemalige CIA-Agentin, zu deren Spezialitäten „verdeckte Operationen, Geheimdienstinformationen und Desinformation“ gehörten. Wer sollte angesichts einer Dame mit dieser Vita in der Außendarstellung des CCDH irgendetwas anderes als vollkommene Unabhängigkeit erwarten?

Paul Thacker offensichtlich. Der Journalist veröffentlichte am 18. Juli eine neue Ausgabe der Twitter-Files und widmete sich damals dem CCDH und Imran Ahmed. Thacker fand heraus, dass ein Bericht des CCDH 2021 die Tweets eines Dutzend prominenter Impfkritiker (unter ihnen Robert F. Kennedy Jr.) verunglimpfte. Thacker grub nach und fand heraus, dass der Bericht des CCDH mit dem Beginn der Impfkampagne der Biden-Regierung zusammenfiel. Auch bemerkte er den wundersamen Wandel, den Ahmed vollzogen hatte, der in seiner Funktion beim CCDH plötzlich vom Berater der Labour-Partei im Handumdrehen zum Experten für Impfungen und Desinformation wurde. All dies erregte auch die Aufmerksamkeit von Elon Musk, der daraufhin seine Anwälte einschaltete, um in die Offensive zu gehen.

Durchhalten, die mediale Kavallerie kommt!

Wenig überraschend, aber doch erwähnenswert, ist die Tatsache, dass das mediale Echo auf diesen Fall im Mainstream in einer natürlichen Schutzreaktion gegenüber dem CCDH mündete. Die New York Times titelte „Twitter verklagt Nonprofit [-Organisation, Anm.], die Hassrede dokumentiert“, die englische Times ging sogar noch weiter und wählte die subtile Schlagzeile „Elon Musk verklagt Anti-Hass-Gruppe, nachdem er deren Boss als ‚Ratte‘ bezeichnete“. Da das von der Washington Post kaum zu übertreffen war, konzentrierte diese sich darauf, Imran Ahmed zu zitieren, der behauptete Elon Musk würde „vor nichts zurückschrecken um jeden zum Schweigen zu bringen, der ihn für seine eigenen Entscheidungen und Taten kritisiert“.

Die Forschung des CCDH zeige, dass „Hass und Desinformation sich seit der Übernahme durch Musk wie ein Flächenbrand verbreiten“. Ahmed meinte, der Milliardär „versuche den Überbringer der Nachricht zu erschießen, der auf den toxischen Inhalt der Plattform hinweist, anstatt sich mit der toxischen Umgebung, die er kreiert hat, auseinanderzusetzen“. Die Arbeit des CCDH würde nicht aufhören, so Ahmed, „Musk wird uns nicht zum Schweigen bringen“. Im Gegensatz zur früheren Einflussnahme der Zensoren des CCDH auf Twitter hat Musk deren Account allerdings bislang nicht blockiert. Das erfährt man allerdings nicht bei der Washington Post.

Aber auch deutsche Medien wissen um die Bedeutung der Hohepriester der Hassrede und eilen diesen pflichtbewusst zu Hilfe. Das ZDF titelt, Musk verklage „Hassrede-Forscher“ als „Reaktion auf kritische Berichte“. Er „reagiert empfindlich“, heißt es da. Auch das ZDF hat pikante Zitate von Imran Ahmed im Angebot, die an Dramatik selbst die Washington Post übertreffen. Es sei „eine noch nie dagewesene Eskalation eines Social-Media-Unternehmens gegen unabhängige Forscher“, so der ehemalige Labour-Berater. Musk habe „gerade den offenen Krieg erklärt“ und Ahmed fürchte, es würden demnächst „andere Forscher dran sein“, wenn es Musk gelinge, den CCDH zum Schweigen zu bringen.

Als wäre der Terminus „unabhängige Forscher“ noch nicht genug, geht die Berliner Zeitung noch weiter und behauptet, Musk verklage „Wissenschaftler, die zu Fake News auf Twitter forschen“. Zumindest erfährt man bei der Berliner Zeitung etwas mehr zum Inhalt der angeprangerten Tweets. Die Anwältin des CCDH nannte die Klage „lächerlich“ und verwies auf „eindeutig rassistische, antisemitische und homophobe“ Tweets, wie zum Beispiel die Behauptung, die „schwarze Kultur“ habe mehr Schaden als der Ku-Klux-Klan angerichtet, bzw. die Behauptung, „die jüdische Mafia“ wolle alle ersetzen. Originalquellen zu diesen Tweets findet man in der Berliner Zeitung allerdings nicht.

Das Portal Onlinehändler News hingegen nahm die „unabhängigen Forscher“ direkt in den Titel und schrieb „Musk droht unabhängigen Forschern mit Klage“, was beim Spiegel wiederum leicht abgewandelt als „Elon Musk droht kritischen Forschern mit Konsequenzen“ wiederkam. Die taz hingegen machte ihrem Ruf als linkem Kampfblatt mal wieder alle Ehre und reduzierte sich auf das ihrer Meinung nach Wesentliche: „X gegen Forschung“. Da bleiben keine Zweifel darüber, was man zu denken hat!

Die offensichtlichen Sympathien sowohl deutscher als auch internationaler Medien für das CCDH und seine Geheimdienstnähe ist bezeichnend für die Netzwerke hinter den Kulissen, denen über verschiedene Stiftungsräte auch die Verlagschefs von größeren Medienhäusern Deutschlands angehören. Die Verteidigung des CCDH entpuppt sich daher eher als Selbstverteidigung eines eng verwobenen Systems. Die Furcht, eine erfolgreiche Klage – die letztendlich von der Unabhängigkeit der Richter abhängt – könnte eine Kettenreaktion der Klagen gegen ähnliche Institutionen auslösen, mag berechtigt, aber auch überzogen sein. Dennoch könnte mit einer erfolgreichen Klage ein Präzedenzfall von hohem Symbolwert geschaffen werden, denn sie würde einen Weg – oder zumindest einen ersten Schritt – aufzeigen, wie man dem überwältigenden Einfluss des „Zensur-industriellen Komplexes“ wieder Herr werden könnte. Es wäre auch ein wichtiges Zeichen dafür, dass gute Recherche sowie die Entlarvung verdeckter und undemokratischer Netzwerke zu mehr als nur Empörung, sondern auch zu Veränderung führen kann. Insofern kann man Musk bei dieser Klage nur allen Erfolg der Welt wünschen!

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