Tichys Einblick
SPD-Posse in München

Woran erkennt man AfD-ler im Biergarten?

Die Münchner SPD empört sich, dass die AfD in ihrem Namen einen Tisch in einem Münchner Lokal reserviert habe. Die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Angelika Barbe hatte sich dort, wie sie sagt, mit "Menschen verschiedener politischer Ansichten" getroffen.

imago images / Ralph Peters

Die Münchner SPD war „entsetzt“ über das „Tarnen und Täuschen“ der AfD. Und sie machte diesem Entsetzen öffentlich Luft: „Nahezu fassungslos“ sei man, hieß es in einer Pressemitteilung über „den jüngsten Tabubruch der AfD in der Stadt“. Die „Rechtspopulisten“ hätten sich bei der telefonischen Anmeldung für ein Treffen in der Gaststätte Augustiner-Keller „kurzer Hand als SPD“ ausgegeben.

Doch, so die Münchner SPD: „Der Wirt des Augustiner-Keller erkannte recht bald, dass sich bei ihm nicht die SPD trifft sondern die AfD und hat die Gäste kurzer Hand vor die Tür gesetzt.“ Die Münchner SPD-Chefin und Bundestagsabgeordnete Claudia Tausend ist „dem Wirt des Augustiner Keller, Christian Vogler, für seine Aufmerksamkeit und sein konsequentes Handeln dankbar. Wir sind von den Rechtspopulisten ja inzwischen einiges gewohnt, aber dieser Vorgang schlägt dem Fass den Boden aus“. Ihre Stellvertreterin Micky Wenngatz will „hier eine neue Kategorie des Tarnens und Täuschens“ erkennen.

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Wer nun die Reservierung, also das vermeintliche „Tarnen und Täuschen“, getätigt hat, erfährt man von der Münchner SPD nicht. Das ergänzt die Süddeutsche Zeitung: „Eingeladen zu dem Treffen hatten offenbar der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron und Angelika Barbe. Laut Bystron habe die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin und heutige CDU-Politikerin Barbe im Augustiner reserviert, er habe lediglich „mit ihrem Einverständnis AfD-Mitglieder dazu geladen“.“

Was die Süddeutsche Zeitung allerdings zu erwähnen versäumt: Barbe war auch SPD-Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Bundesvorstand. Mittlerweile sitzt sie im Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Auf Nachfrage schreibt Barbe: „Der Tisch wurde von bayrischen Freunden (ehemaligen und noch Sozialdemokraten) auf meinen Namen mit Angabe: Ex-SPD-Bundestagsabgeordnete und ehemaliges SPD-Vorstandsmitglied A. Barbe bestellt.“ 

Barbe hat jetzt in einer Presseerklärung ihrerseits „fassungslos und entsetzt“ über ihre frühere Partei reagiert. Offenbar geht sie davon aus, dass die Münchner Ex-Parteifreunde wussten, dass sie bei der Veranstaltung dabei war: „Es erstaunt mich, dass niemand von der SPD München sich die Mühe gemacht hatte, bei mir vorher anzufragen. Ein Telefonat hätte gereicht, um zu klären, dass die Tische im Augustiner Keller auf meinen Namen bestellt wurden. … Es muss um die SPD sehr schlecht bestellt sein, wenn sie es nötig hat, gegen ein friedliches Zusammensein Münchner Bürger mit einer ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten im Biergarten auf eine derart üble Art zu polemisieren. Dieses Vorgehen ruft bei mir Erinnerungen an die unheilvolle Zeit der SED Diktatur in der DDR – vor der Friedlichen Revolution 1989 – hervor.“

Wir wollten daraufhin von der Münchner SPD Genaueres wissen und fragten schriftlich beim Pressesprecher an, wie man denn so sicher sein konnte, dass es sich bei dem Treffen um eine AfD-Veranstaltung handelte und ob man den Wirt nach Belegen für den angeblichen Betrug gefragt habe. Und ob man denn die beschuldigte AfD vor Veröffentlichung der Pressemitteilung damit konfrontiert und um Aufklärung gebeten habe. Und ob man denn gewusst habe, dass die ehemalige Parteifreundin Barbe diese Veranstaltung organisiert habe.

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Bis jetzt kam dazu keine Antwort von der Münchner SPD. Falls sie noch kommt, tragen wir das gerne nach. Auch ohne diese Antworten kann man sich den Ablauf der Ereignisse, inklusive mehr oder weniger gewollter Missverständnisse und geheuchelter Empörung, nun einigermaßen erklären. Und man kann wohl davon ausgehen, dass die Ankündigung in der SPD-Pressemitteilung, man werde prüfen, „inwieweit gegen die missbräuchliche Nutzung ihres Namens rechtlich vorgegangen werden kann“, eine Ankündigung bleiben wird.

Nun eine Frage bleibt offen: Wie hat der Wirt denn überhaupt gemerkt, dass da „Rechtspopulisten“ von der AfD sein Lokal bevölkerten? Hat er etwa gelauscht? Sich Notizen gemacht? „Wir sagen zu der Sache gar nichts“, antwortet der Geschäftsführer auf telefonische Anfrage. Für Gäste, die ihre Haxe und ihr Bier im Augustiner-Keller in Ruhe genießen wollen, empfiehlt es sich wohl, künftig keine Ansichten zu äußern, die dem Personal irgendwie AfD-mäßig erscheinen könnten.

Die Münchner SPD hat bereits mindestens einmal dazu beigetragen, einem Wirt die Existenz zu zerstören, der die aus SPD-Sicht falschen Gäste beherbergte. Ein Sendlinger SPD-Funktionär hatte 2017 eine öffentliche Kampagne gegen den Wirt der Pizzeria Casa Mia losgetreten, wie die tz berichtete, weil dort Pegida-Anhänger eingekehrt waren – „Wir wollen kein braunes Bier in Sendling“. In einem Brief wurde der Wirt aufgefordert, den Pegida-Leuten den Zutritt zu verwehren. Doch der sagte: „Die Leute kamen einzeln. Sie reden unter sich. Soll ich jeden nach seiner Gesinnung fragen? Ich bin Wirt und kein Spion!“ Schließlich kündigte ihm die Brauerei den Pachtvertrag.

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