Tichys Einblick
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Will Robert Habeck sich aus Twitter und Facebook zurückziehen?

Der Chef der Grünen über Twitter: "Offenbar triggert Twitter in mir etwas an: aggressiver, lauter, polemischer und zugespitzter zu sein – und das alles in einer Schnelligkeit, die es schwer macht, dem Nachdenken Raum zu lassen. Offenbar bin ich nicht immun dagegen.“

Sean Gallup/Getty Images

Robert Habeck ist für Überraschungen gut. Manche werden es als wahlkampftaktisch oder populistisch deuten, aber was der Chef der Grünen da gerade auf seinem persönlichen Blog abgeliefert hat, verdient Beachtung: Robert Habeck trennt sich nach einer Reihe von Vorfällen, auf die wir gleich noch näher eingehen, von tausenden Facebook-Freunden und annähernd 50.000 Folgern auf Twitter.

Für eine politische Größe wie Habeck kann das als erstaunliches Risiko gesehen werden, könnte man doch annehmen, dass hier mit einer Löschung großes Potenzial verloren ginge, das mit der Aufgabe dieses Netzwerkes der persönliche Publikationsradius des Politikers spürbar verkleinert worden ist. Ein Schnitt in den veganen Fleischersatz? Möglich ist allerdings auch die Nutzung der Gelegenheit, diesen und jenen Fehler unsichtbar zu machen oder gar Facebook als Platz für eher ältere Nutzer gegen einen oder merhrere für jüngere zu tauschen.

Bei öffentlichen Personen stehen Eingeständnisse, Fehler gemacht zu haben, immer unter Verdacht, selbst Teil der Abwendung von Schaden und Imageverlust zu sein. Wie Robert Habeck sich anschickt, es hier zu machen, ist möglicherweise einfach nur hochprofessionell.

https://twitter.com/RobertHabeck/status/1082199490013130752

Robert Habeck hat nach Selbstbekunden eine Nacht lang wach gelegen, darüber nachgegrübelt, wie es passieren konnte, dass seine und auch Daten seiner Familie gehackt wurden, wie es passieren konnte, dass er sich so missverständlich in Videos ausgedrückt hat – zum einen anlässlich der Bayernwahl und zum anderen jetzt zu Thüringen: „Im Kern rufe ich in diesem Video dazu auf, die Thüringer Grünen im Wahlkampf zu unterstützen.“, schreibt Habeck. Aufgenommen hatte das Video der grüne Landesverband. Trotzdem ging nun schief, was Habeck da eingesprochen hatte: „Gesendet wurde jetzt ein Video, das so klang, als würde ich Thüringen absprechen, weltoffen und demokratisch zu sein. Was ich natürlich null tue.“

Oder wollte Habeck nachträglich nicht, dass ganz Deutschland weiß, was er wirklich von Thüringen hält? Jeder darf seines Glückes Schmied sein, wenn es darum geht, sich vorteilhaft darzustellen. Manche meinen, Twitter und Facebook sind dafür die idealen Medien. Jeder auf seiner Seite kommentieren, löschen, nachbessern, neu einstellen, wie er mag. Nur sind es genau diese Medien, die in den letzten Jahren zu den häufigsten Botschaftern prominenter Fehltritte geworden sind.

Die Medien schauen mir Argusaugen auf die Accounts der Prominenten, die 24/7 veröffentlichen, was sie gerade umtreibt. So kann der eine schlaflose Kommentar um 2:32 Uhr schon mal das Ende einer veritablen Karriere einläuten oder zum Jobverlust führen, wenn beispielsweise nur ein Smiley nach einem allzu süffigem Kommentar falsch gesetzt wurde.

Was nun die einen nicht abhält, einfach weiter zu posten, zu teilen und zu kommentieren, wurde es Robert Habeck wirklich zu viel? Macht ihm keine Spaß mehr, bereitet ihm schlaflose Nächte, wo er lieber durchschlafen will. Er komme nun zu dem Ergebnis, dass die Welt von Twitter auf ihn „abfärbt“. Unbewusst hätte er sich „auf die polemische Art von Twitter eingestellt.“

Twitter sei, so Habeck weiter „wie kein anderes digitales Medium so aggressiv und in keinem anderen Medium gibt es so viel Hass, Böswilligkeit und Hetze. Offenbar triggert Twitter in mir etwas an: aggressiver, lauter, polemischer und zugespitzter zu sein – und das alles in einer Schnelligkeit, die es schwer macht, dem Nachdenken Raum zu lassen. Offenbar bin ich nicht immun dagegen.“

Eine bemerkenswerte Diagnose. Möchte der Chef der Grünen nicht mehr verlockt werden, aggressiv, laut, polemisch und zugespitzt zu sein? Werden ihm das seine Grünen erlauben? Kündigt er an, seine Accounts zu löschen, damit er nicht mehr verführt wird? Wann genau das sein wird und warum nicht gleich, wird abzuwarten sein. In welche Welt der Twitterlosen will er wechseln? Denn verstummen kann er als Politiker nicht. In die Welt von Früher? Zu den ewiggestrigen Analogen? Das ist unrealistisch. Will er gebeten werden zu bleiben? Oder ist es schlicht Hochmut als Demut verkleidet?

https://twitter.com/meyermit_ey/status/1082289005360791552?s=11

Habeck hadert auf seinem Blog mit sich selbst. Er ringt um irgendwelche Weisheiten, wenn er sich fragt, warum er so ein böser Twitterer geworden ist: „Dabei ist mein politisches Ding doch genau das Gegenteil. Die Interessen der anderen Seite sehen und ernst nehmen, nicht überheblich oder besserwisserisch zu agieren. Das ist jetzt zweimal von mir konterkariert worden.“

Habecks vernichtendes Urteil über Twitter:

Es „desorientiert mich, macht mich unkonzentriert, praktisch, wenn man in Sitzungen verstohlen aufs Handy schaut. Grundsätzlich, weil ich mich dabei ertappt habe, wie ich nach Talkshows oder Parteitagen gierig nachgeschaut habe, wie die Twitter-Welt mich denn gefunden hat. Und das ist die Schere im Kopf. Als wäre Politik eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Dass man so redet, wie es das Medium will.“

Möchte Robert Habeck gern wieder konzentrierter sein, „fokussierter und auf die lange Distanz geeicht, nicht auf den kurzfristigen Geländegewinn“? Schaltet Habeck ab? Ganz wie nebenbei übrigens auch im Sinne der Selbstvermarktung; dann nämlich, wenn Verknappung das Mittel der Wahl ist: Habeck hat genau den Rückzugsmoment im Leben eines aufstrebenden Politpromis erwischt, wo die Medien längst jeden Strohhalm aufnehmen, wo man keine Fährten mehr in den sozialen Medien legen muss, um wahrgenommen zu werden. Habeck und seine gerade so aufstrebenden Grünen sind medial momentan immerhin die Partei der Stunde, nachdem sich die Grünen von Altlasten wir Katrin Göring-Eckard und Cem Özdemir getrennt haben und das neue Führungsduo die Partei bundesweit in die Nähe der Zwanzigprozenthürde getragen hat.

Habeck geht analog? Wir werden sehen ob wirklich, ob tatsächlich aus persönlichen oder aus Karrieregründen oder wegen allem zusammen. Oder bereitet Habecks Auftritt nur die nächste Verbots- und Zensurwelle der Grünen vor? Wie er das macht, verlässt jedenfalls die Muster der Berufspolitikerschar mittelmäßigen Zuschnitts.

Was immer Habeck tut und vorhat, seine Worte über Facebook und Twitter in ihrem Einfluss auf ihre Nutzer – nicht zuletzt Politiker – bleiben. Denn sie stimmen.