Tichys Einblick
Rückkehr zur Normalität

Wieler: „Die Zahl der Atemwegserkrankungen liegt im Bereich der vorpandemischen Jahre“

Die Medien bildeten am Freitag vor allem die Reaktionen Karl Lauterbachs nach dem gescheiterten Impfzwang ab. Doch ein Detail auf der Bundespressekonferenz lässt den Schluss zu, dass Deutschland zur medizinischen Normalität zurückgekehrt ist. Es stammt von RKI-Chef Lothar Wieler.

IMAGO / Future Image

Am Freitag, einen Tag nach der Abstimmung gegen die „Impfpflicht” ab 60 im Bundestag, gaben Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und der Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI) eine Pressekonferenz. Was die Medien lieferten, waren vor allem die neuerlichen Drohungen und Erpressungen des Gesundheitsministers. Kein Raum für Lockerungen, das Scheitern der „Impfpflicht” sei eine Niederlage für alle, die sich „aufopferungsvoll für Corona-Kranke eingesetzt“ hätten, eine neue Welle im Herbst. Zudem verteidigte er die Rücknahme der freiwilligen Corona-Isolation ab 1. Mai.

Dabei ging in der anderthalbstündigen Konferenz ein Detail verloren, weil Lauterbach dieser seinen Stempel aufdrückte. Während der Gesundheitsminister zur vierten Corona-Spritze riet, bemerkte der RKI-Direktor zwar, dass die Lage in den Krankenhäusern kritisch sei. Doch die nachfolgenden Sätze ergeben ein anderes Bild.

„Wir beobachten, dass in der aktuellen Welle die Zahl der schweren Krankheitsverläufe bei gleichzeitig hohen Infektionszahlen deutlich niedriger ist“, erklärte Wieler. „Die Rate der Atemwegsinfektionen bei Kindern und Erwachsenen ist im Vergleich zur Vorwoche gesunken, und liegt im Bereich der Werte der vorpandemischen Jahre.“

Die Anzahl der Arztbesuche sei ebenfalls gesunken, führte Wieler aus. Die Anzahl der schweren Atemwegserkrankungen mit Covid-19 Infektion im Krankenhaus gehe kontinuierlich zurück. „Und bei der Zahl der wöchentlichen Neuaufnahmen schwerer Atemwegsinfektionen auf der Intensivstation haben wir fast schon das niedrige Niveau erreicht, das wir vor der Pandemie im Sommer gesehen haben.“ Das seien sehr gute Entwicklungen.

Wieler:Intensivstationen fast auf dem Niveau des vorpandemischen Sommers

Allerdings auch Entwicklungen, die in der öffentlichen Berichterstattung so gut wie gar nicht kommuniziert wurden. Stattdessen sollte Lauterbach im Mittelpunkt stehen, der für alle drakonischen Einschnitte, die nun folgten, das gescheiterte Projekt vom Donnerstag verantwortlich macht. Und obwohl Bundeskanzler Olaf Scholz am selben Tag gesagt hatte, dass das Thema „Impfpflicht” vom Tisch sei, scheute Lauterbach nicht davor zurück, von einem neuen Anlauf zu sprechen.

Wielers Aussage deckt sich mit den Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Die „ausgebliebene Grippewelle und Covid-19 Todesfälle gleichen sich offenbar aus“. Und: „Das kann eine Erklärung sein, warum die Sterbefallzahlen zu Jahresbeginn 2022 trotz der weiterhin auftretenden und mittlerweile wieder steigenden COVID-19-Todesfälle im Bereich des mittleren Wertes der Vorjahre oder nur leicht darüber liegen.“

Heißt: obwohl die Zahl der 300 Covid-Toten von Lauterbach und Wieler immer noch als laute Mahnung ausgesprochen wird, hat diese keinen großen Effekt, weil die Menschen bei Atemwegserkrankungen offenbar nur noch an Corona sterben. Dass man unter solchen Umständen immer noch die Rückkehr in die Normalität vertagen, eine „Impfpflicht” einführen und zu den Corona-Maßnahmen im Herbst zurückkehren will, ist durch keine wissenschaftliche Studie zu legitimieren. Wenn man in einer Situation, die jener der vorpandemischen Lage ähnelt, nicht zur Normalität der pandemischen Jahre zurückkehrt – wann dann?

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