Tichys Einblick
"Oma, was war noch mal dieses Deutschland?"

Wie ein „gegen-Rechts“-Film Hohn und Spott im Netz erntet

Mit einem Kurzvideo spinnen linke Produzenten die „Correctiv“-Geschichte über das „Geheimtreffen“ von Potsdam weiter. Das Ergebnis: eine Holzhammer-Propaganda, für die sich die AfD bedankt.

Screenprint: via youtube
Zum Thema ‚rechte Machtübernahme‘ gibt es inzwischen derart viele Filme und sonstige Medienerzeugnisse, dass sie zusammen ein eigenes Genre bilden. Das ZDF widmete dem Topos 2020 gleich eine vierteilige Serie unter dem Titel „Deutscher“, und zwar so holzschnittartig und klischeetriefend, wie es wahrscheinlich nur der Mainzer Sender zustande bringt.

Der Film „Wir haben es zu Ende gedacht“ übertrifft das ZDF-Werk bei weitem: Es bringt in kürzester Zeit wesentlich mehr hundertfünfzigprozentige Haltung unter. Mit Hilfe von KI inszenierten die Produzenten Andreas Loff, Behzad Karim Khani und Christian Suhr einen Dreieinhalb-Minuten-Film, der im Jahr 2060 spielt. Er handelt von der Machtergreifung einer Partei namens „Die Blauen“, die massenhaft Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland deportiert, und stellt eine Art Verfilmung des Correctiv-Wannseekonferenz-Zweinull-Textes dar, der auch schon für die Theaterbühne adaptiert wurde.

Zwar gaben die Mitarbeiter der von der Regierung mitfinanzierten Plattform inzwischen vor dem Landgericht Hamburg zu Protokoll, der Begriff „Deportation“ sei bei dem Treffen in Potsdam gar nicht gefallen, es habe dort auch niemand Pläne zur millionenfachen Vertreibung von Menschen mit Migrationsgeschichte aus Deutschland ausgeheckt, vielmehr handle es sich bei den entsprechenden Sätzen im Text nur um Wertungen und Meinungen von Correctiv. Aber eben deshalb lag es offenbar nahe, die Fiktion noch etwas weiterzuspinnen.

Das Video erzählt im Rückblick aus der dystopischen Zukunft. Ein Mädchen in einer futuristischen Wüstenstadt mit orangefarbenen Wohnwaben irgendwo in Afrika fragt didaktisch wertvoll: „Oma, was war nochmal dieses Deutschland?“ Die Oma, in Kleidung und Frisur immer noch die idealtypische progressive Berlinerin, erklärt, was mit diesem Deutschland passierte, als „Die Blauen“ das Regierungsviertel eroberten: ein „Exodus“. Aber „Exodus“, klärt die Seniorin auf, „so nennen wir das heute. Damals nannten sie es Remigration“. Dann folgen KI-generierte Bilder eines Deutschlands mit verwahrlosten Straßen, also das, was nach Ansicht der Filmemacher droht, wenn geschieht, was in Wirklichkeit niemand plant, nämlich die Vertreibung aller Bürger, die selbst oder deren Familien irgendwann nach Deutschland einwanderten: „Der Müll nicht abgeholt“, erzählt Oma, „Post nicht zugestellt, Felder nicht geerntet, Lebensmittel nicht geliefert, Fabriken geschlossen … Menschen verarmten. Große Städte wurden leer und auf dem Land fehlte sowieso alles.“

Vor allem Universitäten, Krankenhäuser und Arztpraxen müssen in der Potsdam-Verfilmung schließen, weil die neuen Machthaber Arbeitskräfte außer Landes schaffen. Die doppelte Botschaft lautet also: Erstens kamen und kommen durch die Asyleinwanderung vor allem Professoren und Ärzte, zweitens sind Biodeutsche offenbar nicht in der Lage, diese Arbeiten zu verrichten. Den Filmemachern entging beim Weiterdenken allerdings der Punkt, dass viele Straßen in Berlin heute schon so vermüllt und verwahrlost aussehen wie in ihrer KI-Animation, manche davon nur zehn U-Bahn-Minuten von Mitte entfernt.

Und das nicht in einem nicht leeren, sondern an manchen Orten ziemlich überfüllten Deutschland, in dem beispielsweise in Berlin das Ku’damm-nahe Hotel Dormero von der Stadt angemietet wurde, um Asyleinwanderer unterzubringen, während anderswo Containersiedlungen entstehen. Nur die Autobahnen funktionieren in dem von Oma geschilderten Müllhaufen-Deutschland rätselhafterweise noch. Denn: Das war den „Blauen“ eben „irgendwie wichtig“.

Der Wink mit dem ganzen Zaun stößt auch den begriffsstutzigen Zuschauer auf die Assoziation: Autobahn, NSDAP, AfD respektive die „Blauen“, die im Film „die Demokratie abschaffen“. Die Enkelin möchte von der Oma außerdem wissen, ob die in der blauen Diktatur zurückgebliebenen Menschen denn gar nicht gemerkt hätten, wie sehr sie sich geschadet hätten. Worauf die Seniorin erläutert, seit Deutschland eine Diktatur geworden sei, „war es sehr schwierig zu sagen, was man wirklich denkt“.

Im Netz erntet das plumpe Werk vor allem eins: Hohn und Spott. Bedanken dürfte sich nur die AfD. Hätten ihre PR-Verantwortlichen sich eine Untergrundaktion überlegt, um einen möglichst grobschlächtigen Anti-Rechts-Film mit linkem Label in die Öffentlichkeit zu bringen – er hätte wahrscheinlich kaum anders ausgesehen als „wir haben es zu Ende gedacht“.

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