Tichys Einblick
Ronald Reagan

„Wenn wir die Freiheit hier verlieren, gibt es keinen Ort, wohin wir fliehen können“

Im merkelianischen Deutschland ist völlig in Vergessenheit geraten, was eine große politische Rede ist. Nun ja, da war mal ein abgehalfterter Schauspieler in Los Angeles, der zeigte, wie es geht. Seine vielleicht größte Rede hielt er 1964 im Wahlkampf für einen Verlierer.

Ronald Reagan 1964

Bettmann/Getty Images

Im fünfzehnten Jahr der Kanzlerschaft der Angela Merkel und dem dritten der Bundespräsidentschaft des Frank-Walter Steinmeier sind die meisten Deutschen des Hörens oder Lesens großer politischer Reden wohl durch und durch entwöhnt. „Überraschen wir uns damit, was wir können“, lautete eine der absurd-gefühligen Phrasen, die Merkel in ihrer Neujahrsansprache verabreichte. 

Nein. Lassen Sie sich lieber von einer im Folgenden dokumentierten Fernsehrede   des späteren US-Präsidenten Ronald Reagan überraschen. Er hielt sie als aus der Mode gekommener Schauspieler im Oktober 1964 im Wahlkampf für den unterlegenen republikanischen Präsidentschaftskandidaten Barry Goldwater. Sie wurde unter dem Titel „Rendezvous with Destiny“ („Rendezvous mit dem Schicksal“) bekannt und steht am Anfang von Reagans zweiter, seiner politischen Karriere. Es ist ein großes Plädoyer für die Freiheit, das in weiten Teilen auch 56 Jahre später und auf der anderen Seite des Atlantiks in Europa und Deutschland gehalten werden könnte. Man mag Reagan und die Politik, die er dann als Präsident von 1980 bis 1988 machte, in Teilen oder grundsätzlich ablehnen. Doch seine hier dokumentierten Worte zeigen, was in der deutschen Politik der Gegenwart ganz offensichtlich fehlt: Klarheit des Denkens, der Ziele und der Argumente und vor allem politische Leidenschaft für die Sache.

Die komplette Rede finden Sie hier im englischen Original. Im folgenden einige zentrale Teile der Rede in deutscher Übersetzung:

„(…) Wir sind im Krieg mit dem gefährlichsten Feind, den die Menschheit je hatte in ihrem langen Aufstieg aus den Sümpfen zu den Sternen. … Falls wir diesen Krieg verlieren und dadurch auch unsere Freiheit, so wird die Geschichte mit größtem Erschrecken festhalten, dass diejenigen, die am meisten zu verlieren hatten, am wenigsten taten, um zu verhindern, dass dies passierte. Nun, ich denke, es ist Zeit, dass wir uns fragen, ob wir noch die Freiheiten kennen, die uns die Gründungsväter zudachten. 

Neulich sprachen zwei Freunde von mir mit einem kubanischen Flüchtling, einem Geschäftsmann, der Castro entkommen war, und mitten in seiner Erzählung wendete einer meiner Freunde sich dem anderen zu und sagte: „Wir wissen gar nicht, wie glücklich wir sind.“ Der Kubaner unterbrach sich und sagte: „Wie glücklich ihr seid? Ich hatte einen Ort, zu dem ich entkommen konnte.“ Mit diesem Satz sprach er seine ganze Geschichte aus. Wenn wir die Freiheit hier verlieren, gibt es keinen Ort, wohin wir fliehen können. Hier ist der letzte Posten auf Erden. Und diese Idee, dass die Regierung dem Volk verpflichtet ist, dass sie keine Quelle der Macht hat außer das souveräne Volk, ist immer noch die neueste und einzigartigste Idee in der langen Geschichte der Beziehungen zwischen Menschen. Das ist das Thema der Wahl. Ob wir an unsere Fähigkeit zur Selbstregierung glauben, oder ob wir die Amerikanische Revolution aufgeben und hinnehmen, dass eine kleine intellektuelle Elite in einer weit entfernten Hauptstadt unser Leben besser planen kann, als wir es selbst können. 

Ihnen und mir wird unablässig gesagt, dass wir zwischen links und rechts zu wählen hätten. Aber ich behaupte, dass es solch ein rechts oder links gar nicht gibt. Es gibt nur ein hoch oder runter … hoch zum uralten Menschheitstraum , dem äußersten der individuellen Freiheit im Einklang mit Recht und Ordnung —- oder runter zum Ameisenhaufen des Totalitarismus. Und unabhängig von ihrer Ehrlichkeit, ihren humanitären Zielen, haben jene, die unsere Freiheit für Sicherheit hergeben würden, diesen Abwärtspfad beschritten. 

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(…) Wie uns vor einigen Tagen vom Präsidenten gesagt wurde, müssen wir „eine größere Aktivität der Regierung in den Angelegenheiten der Menschen“ akzeptieren.  (…) Senator Clark aus Pennsylvania definiert Liberalismus als „die materiellen Bedürfnisse der Massen befriedigen durch die ganze Macht zentralisierter Regierung“. Nun, ich lehne es erstens ab, wenn ein Repräsentant des Volkes über Sie und mich – den freien Mann und die freie Frau dieses Landes – als „die Massen“ spricht. Das ist ein Begriff, den wir für uns in Amerika nicht verwenden. Aber darüber hinaus: „Die ganze Macht der zentralisierten Regierung“ ist genau das, was die Gründungsväter minimieren wollten. Sie wussten, dass Regierungen nicht Sachen kontrollieren. Eine Regierung kann die Wirtschaft nicht kontrollieren, ohne die Menschen zu kontrollieren. Und sie wussten, dass wenn eine Regierung damit anfängt, sie Gewalt und Zwang anwenden muss, um dieses Ziel zu erreichen. Diese Gründungsväter wussten auch, dass eine Regierung jenseits ihrer legitimen Funktionen nichts so gut und so ökonomisch tun kann wie der Privatsektor der Wirtschaft. 

(…) Jedes mal, wenn Sie und ich die Taten der Wohltäter ablehnen, wird uns vorgeworfen, dass wir gegen ihre humanitären Ziele seien. Wir seien immer gegen und nie für irgendwas. Nun, das Problem mit unseren linken („liberal“) Freunden ist nicht, dass sie ignorant sind, sondern dass sie so viel wissen, was einfach nicht wahr ist. 

(…) Und dies ist das Thema dieses Wahlkampfes, das alle Probleme, die ich angesprochen habe, akademisch macht, solange wir nicht erkennen, dass wir in einem Krieg sind, der gewonnen werden muss. Diejenigen, die unsere Freiheit gegen die Suppenküche des Wohlfahrtsstaates eintauschen möchten, sagen, sie haben eine utopische Lösung des Friedens ohne Sieg. Sie nennen ihre Politik „Entgegenkommen“. Und sie sagen, dass der Feind, wenn wir nur die direkte Konfrontation vermeiden, seine bösen Absichten vergessen und uns lieben werde. Alle, die anderer Meinung sind, werden als Kriegstreiber verunglimpft. Sie sagen, wir böten einfache Antworten auf komplexe Probleme. Nun, vielleicht gibt es eine einfache Antwort, keine leichte Antwort, aber eine einfache: Wenn Sie und ich den Mut haben, unseren gewählten Amtsträgern zu  sagen, dass wir wollen, dass unsere nationale Politik auf dem beruht, was wir in unseren Herzen als moralischen richtig wissen. 

(…) Sie und ich, wir glauben nicht, dass das Leben so teuer und der Frieden so süß ist, dass sie durch den Preis von Ketten und Sklaverei erkauft werden sollten. Wenn nichts im Leben wert ist, dafür zu sterben, wann begann das? Erst im Angesicht dieses Feindes? Oder hätte Moses den Kindern Israel raten sollen, in Sklaverei unter den Pharaonen zu leben? Hätte Jesus das Kreuz ablehnen sollen? Hätten die Patrioten bei Concord Bridge ihre Gewehre wegwerfen sollen, ohne die Schüsse zu feuern, die in der ganzen Welt gehört wurden? Die Märtyrer der Geschichte waren keine Narren, und unsere geehrten Toten, die ihr Leben gaben, um den Vormarsch der Nazis zu stoppen, starben nicht umsonst.

(…) Sie und ich haben den Mut, unseren Feinden zu sagen: „Es gibt einen Preis, den wir nicht bezahlen werden.“ „Es gibt einen Punkt, über den hinaus sie nicht gehen dürfen.“ 

(…) Sie und ich haben ein Rendezvous mit dem Schicksal. Wir können für unsere Kinder dies bewahren, die letzte beste Hoffnung des Menschen auf der Erde, oder wir können sie dazu verurteilen, den ersten Schritt zu gehen in tausend Jahre der Dunkelheit.“

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