Tichys Einblick
Alle Jahre wieder

Nur Kartoffeln im Kader

Der WDR deckt ein brandneues Gesellschaftsproblem auf: zu wenige Personen mit Migrationshintergrund in den Gremien. Äh, im deutschen Handball.

imago Images/Horst Galuschka

Ohne den WDR wüssten wir vieles nicht. Wir wüssten nicht, dass Seniorinnen, die sich Discounterfleisch braten, „Umweltsäue“ sind und Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks „rechte Trolle“. WDR1 weist uns auch auf ein anderes gesellschaftliches Problem hin, nämlich den Umstand, dass es in der deutschen Handball-Nationalmannschaft fast ausschließlich weiße Herkunftsdeutsche gibt – und nur einen Spieler mit Migrationshintergrund: Der aber, so ein WDR-Sprecher aus dem Off mit bedauerndem Unterton, sei Pole. Handball sei zu wenig multikulturell durchmischt: „Weiß und deutsch wird zum Problem“.

Dazu darf ein Handballspieler mit türkischen Wurzeln aus Lemgo noch einige Sätze beisteuern: Im deutschen Handball gebe es „nur blonde Köpfe, wenig schwarze“, und: „Die Handballnationalmannschaft muss ein Spiegelbild der Gesellschaft sein.“ Schuld, so weiter, seien irgendwie die deutschen Handballfunktionäre. Wodurch genau, verrät der Film nicht. Jedenfalls schlägt der WDR, ja was wohl, Alarm: dem Deutschen Handballverband drohe deshalb Schwund und Zerfall, aktuell habe gebe es dort nur noch gut 750.000 Mitglieder.

Das Thema ist nicht ganz neu; schon 2016 beschwerte sich Wolfram Eilenberger in der ZEIT über die Unbuntheit des deutschen Handballs, namentlich in der Nationalmannschaft:

„Bereits ein erster Blick auf das Mannschaftsfoto erhellt: Das frische Erfolgsteam hat keinen einzigen Spieler mit dunkler Hautfarbe oder auch nur südländischem Teint. Es handelt sich, mehr noch, um eine Mannschaft ohne jeglichen Migrationshintergrund. 100 Prozent kartoffeldeutsche Leistungsbereitschaft. Wir listen die Vornamen der Spieler vollständig: Hendrik, Finn, Erik, Christian, Steffen, Jannik, Niclas, Steffen, Fabian, Simon, Tobias, Johannes, Carsten, Andreas, Rune, Martin. Alle Achtung! Das muss man 2016 in diesem Land erst einmal hinbekommen.“

Ein kartoffeldeutscher Handball-Profi machte sich damals den Spaß, die Markusse, Thomasse und Anna-Lenas im Impressum der ZEIT aufzuzählen. Bei der Klage über zu wenig Teintschattierungen im Handball handelt es sich um eine Art publizistische Wanderdüne. Mal wird das Thema in der ZEIT besprochen, mal in der taz, jetzt im WDR. Vielleicht gibt es eine Vereinbarung zur Übernahme schon leicht abgehangener Themen, die zwischen die aktuellen Anklagen und Alarmschlägereien geschoben werden müssen (gerade ganz frisch: Fleisch ist zu billig).

Die Namen der Redaktionsbeiratsmitglieder des WDR jedenfalls lauten:

Claudia Schröder (Geschäftsstellenleitung)
Lorenz Beckhardt
Barthel Braune
Dirk Braunleder
Jutta Hammann
Brigitte Simnacher
Michael Stegers
Jochen Zierhut

Und der Verwaltungsrat des Senders sieht so aus:

Der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund liegt in den WDR-Gremien – Rundfunkrat eingeschlossen – noch etwas unter dem im Deutschen Handball-Bund. Dort sind es immerhin zehn Prozent.

Das muss man im Jahr 2020 erst einmal hinbekommen.

Woran das liegt, wer was versäumt hat, wer anzuklagen ist und wann den WDR-Gremien wegen Nachwuchsmangel Auflösung droht, muss demnächst untersucht werden. Jetzt ist erst einmal wichtig: Welches Medium macht 2021 das Anklagestück gegen den zu weißen Handball in Deutschland?

Wenn sich keiner freiwillig meldet, wird gelost.

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