Tichys Einblick
Lindners "Wachstumschancengesetz"

Ein vermurkstes Gesetz aus Dummheit blockiert

Die FDP versucht das Comeback – mit dem „Wachstumschancengesetz“. Der Name klingt so bürokratisch, wie das Gesetz ist. Jetzt liegt es auf Eis. Die Grünen wollen durch die Blockade Milliarden für ihre Pläne herausschinden. Das klingt nach Erpressung. Mit falschen Argumenten wird ein schlechtes Gesetz gestoppt – Ampel pur.

Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, aufgenommen im Rahmen der Kabinettssitzung in Berlin, 05.07.2023

IMAGO / photothek

Zu den ödesten Berliner Ritualen gehört das „Stecken“ von Material. Das läuft so: Mittwochs tagt das Kabinett. Vorher gibt Finanzminister Christian Lindner (FDP) einem Medium den Entwurf für das „Wachstumschancengesetz“. So bekommt er im Vorfeld wenigstens eine wohlwollende Schlagzeile. In diesem Fall von der Nachrichtenagentur Reuters: „Das FDP-geführte Finanzministerium will Unternehmen in den nächsten Jahren stärker als bisher steuerlich entlasten.“

Mit „Entlasten“ greift Reuters auf ein Wort zurück, das ganz im Sinne ihres Lieferanten Lindners ist. Und die „Journalisten“ bleiben im schmeichelhaft kommentierenden Duktus: Nach dem Entwurf werde „mit einem deutlich höheren Entlastungsvolumen gerechnet“. Was ist nun für Reuters „deutlich höher“? Statt 6,3 Milliarden Euro sollen die Unternehmen von 2025 bis 2027 zwischen 6,5 und 9,38 Milliarden Euro weniger pro Jahr zahlen.

200 Millionen Euro bis 3,08 Milliarden Euro niedrigere Steuern. Für Reuters „ein deutlich höheres Entlastungsvolumen“. Angesichts von 895,7 Milliarden Euro, die Deutsche mittlerweile laut Statista im Jahr an Steuern zahlen. Eine zusätzliche Entlastung, die mal bei 0,02 und mal bei 0,34 Prozent liegt. „Deutlich höher“. Christian Lindner hat seinen Entwurf Journalisten zukommen lassen – und Pressesprecher erhalten.

"Wachstumschancengesetz"
Kammer sauer auf Lindner: FDP wolle Anwälte zum "Volksverpetzer" machen
An dem „Wachstumschancengesetz“ gibt es auch Kritik. Die hat Reuters gleich ganz weggelassen. Etwa die Kritik von der Rechtsanwaltskammer, die Lindner vorwirft, mit dem Gesetz ein Ende der Schweigepflicht gegenüber ihren Mandanten herbeizuführen. Was auch für Steuerberater und ihre Klienten gelten würde: „Was nach Begünstigungen für Steuerpflichtige klingt … entpuppt sich auf den zweiten Blick im Wesentlichen als etwas ganz anderes, nämlich als Pflichtenkatalog für Berater sowie Steuerpflichtige, denn insbesondere die Regelung in der Abgabenordnung enthält Mitteilungspflichten bei nationaler Steuergestaltung“, schreibt die Kammer in einer Pressemitteilung. Statt das Steuerrecht zu vereinfachen, bedeute das Gesetz einen „erheblichen Verwaltungsmehraufwand“ und „eine weitere Bußgelddrohung“. Denn Lindner wolle die Meldepflichten erweitern.

Allerdings gibt es eine Hürde für das Wachstumschancengesetz, nicht das mit dem Ende der Schweigepflicht. Das finden SPD und Grüne schon immer gut und die FDP seit 2021 auch. Aber wenn es schon „Entlastungen“ für den Bürger gibt, dann soll es auch mehr Geld für die Kindergrundsicherung geben, was deshalb zusammenhängt, weil es die Grünen so wollen. Da sie das Geld aber nicht bekommen, haben sie das „Wachstumschancengesetz“ vorerst im Kabinett gestoppt.

Um 6,5 und 9,38 Milliarden Euro pro Jahr sollen die Steuern zwischen dem Wahljahr 2025 und dem Jahr 2027 sinken. Vorausgesetzt, Lindner setzt sich durch. Schon zum Jahreswechsel erhöht die gleiche Regierung die LKW-Maut um mehr als 80 Prozent und die CO2-Steuer um 25 Prozent. „Chancenvernichtungsgesetz“ heißt das nicht. Es gibt gar keinen beschönigenden Namen dafür. Vielleicht fällt ja Reuters noch was ein.

Und so startet die Ampel in den Herbst: Ein vermurkstes Gesetz scheitert im Kabinett, weil die Grünen so Geld für ihre eigenen Vorhaben erpressen wollen. Es ist der falsche Grund, das Gesetz zu stoppen. Aber man ahnt, was folgt: Noch mehr Geld für grüne Wohlfühlpläne, noch weniger Wachstum. Die Koalition fährt zielsicher das Land an die Wand.

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