Tichys Einblick
Märkte und Markthallen

Der Viktualienmarkt: Münchner Schickeria

Der Viktualienmarkt (auch liebevoll "Fressalienmarkt" genannt) ist einer der wichtigsten Touristenmagneten Münchens. Doch gibt es hier nicht viel mehr als anderswo in der Isarmetropole und das zu Spitzenpreisen. Und doch ... Von Georg Etscheit und aufgegessen.info

IMAGO / imagebroker

Am Münchner Viktualienmarkt scheiden sich die Geister. Die einen schwärmen von ihm, vor allem Touristen, andere meiden ihn, wozu in der Mehrzahl Einheimische zählen: Zu teuer, zu voll, vor allem an den Wochenenden, das Angebot zu touristisch. Ich selbst zähle mich zu keiner der beiden Fraktionen, mein Verhältnis zum Viktualienmarkt ist pragmatisch. Wobei zu sagen ist, dass der Viktualienmarkt – Viktualien sind nichts anderes als „Lebensmittel“ – kein echter Bauernmarkt ist, sondern eine Ansammlung fester Stände, vergeben meist an alt eingesessene Händler. Also eher eine Markthalle unter freiem Himmel. Im Winter mummeln die „Standlbesitzer“ ihre Verkaufsstellen mit Plastikplanen ein. Der Viktualienmarkt sieht dann aus wie ein Flüchtlingslager. Das dem Markt gerne nachgesagte „südländische Flair“ wird in der kalten Jahreszeit vollends zur Marketingbehauptung.

Wenn mal ein Händler aufgibt, entscheidet die Werkleitung der „Münchner Markthallen“ über einen Nachfolger. Dabei kommen heute oft Angebote aus dem Bereich vegetarisch/vegan/bio oder irgendwelches Ethnofood mit Migrationshintergrund zum Zuge. Kein Wunder, war der Chef der Markthallen lange Zeit ein gewisser Boris Schwartz, ein in der Wolle gefärbter Grüner. Eigentlich wollte der Mann Münchner Kommunalreferent werden, zuständig für städtische Immobilien und Eigenbetriebe, doch reichte dazu sein Fachhochschulabschluss nicht aus, typisch grün eben. Dann wurde er, typisch Politklüngel, eine Ebene tiefer, mit der Leitung der Markthallen abgefunden, zu denen auch der Viktualienmarkt sowie die beiden ähnlichen, wenn auch kleineren Märkte am Wiener Platz in Haidhausen sowie in Pasing gehören. 2021 durfte Boris, typisch Klüngel, doch noch aufsteigen und ist heute Stadtdirektor im Münchner Umweltreferat.

Vom Aussterben bedroht?
Sauerkrautkrise
Das meiste, was auf dem Viktualienmarkt angeboten wird, gibt es auch anderswo in München und dann oft deutlich preisgünstiger, etwa beim türkischen Gemüsehändler, den Geschäften von „Käse Abt“ oder in den über die Stadt verteilten, gut sortierten und nicht allzu überteuerten Delikatessenmärkten von Feinkost Käfer. Wenn es mich selbst gelegentlich zum Viktualienmarkt zieht, dann kaufe ich dort Sachen, die es andernorts nicht gibt oder nicht in dieser Qualität: frische Waldpilze am Stand von Renate Zollner zum Beispiel oder Wild bei „Wild und Geflügel Reitmayer“. Den mutmaßlich besten bayerischen Obazdn gibt’s im „Tölzer Käsladen“, schön rass und buttrig, wie er sein soll. Erstklassiges Geflügel führt „Stephani’s Geflügelparadies“, frischen Fisch erster Wahl „Fluss- und Seefisch Maier“. Der Stand von „Fisch Witte“ daneben mit dem drolligen Werbeslogan „If it swims, we have it“ ist mir zu schickmicki.

Zum Glück haben einstweilen einstweilen auch die beiden Kartoffelstände überlebt, die auch ausgefallene Varietäten der Knolle anbieten wie „Bamberger Hörnchen“ oder „Moos-Sieglinde aus dem Donaumoos. Das wars dann aber auch weitgehend. Gelegentlich gönne ich mir noch einen frisch gepressten O-Saft an einem der immer zahlreicheren Saftstände, ein dem Tourismus geschuldetes Überangebot, die schon zu Kritik geführt hat.

Aber das sind die rationalen Argumente zum Viktualienmarkt. Teuer, schickimicki, überschätzt. Und doch. Und doch zieht es einen immer wieder hin, wenn man in der Stadt ist. Ein schlendern über den Markt, bei dem einem an jeder Ecke ein Trüffel angeboten wird. Eine Leberkassemmel oder ein Orangensaft oder eine ausgezogene Schmalznudel zum Kaffee: Das ist Glück zum Mitnehmen. Und wenn dann noch Platz ist, kann man in der Nähe eine Weißwurst finden, bevor sie das 12-Uhr-Läuten hört.

In den kommenden Jahren soll der Markt, respektive sollen die einzelnen Stände grundlegend saniert werden. Mag sein, dass das aus hygienischen wie logistischen Gründen sinnvoll ist, doch dürfte das Angebot danach vermutlich noch edler und teurer werden. Fazit: Ganz missen möchte man ihn nicht, den Viktualienmarkt, doch zum Weltkulturerbe, wie bereits vorgeschlagen, taugt er wohl nicht. Da läuft ihm jeder Markt einer französischen Provinzstadt locker den Rang ab. Gut also, dass er stattdessen in München steht.


Dieser Beitrag wurde für Tichys Einblick von aufgegessen.info geschrieben, der Blog für freien Genuss:

Anzeige