Tichys Einblick
Schlecht für Innenministerin Faeser und SPD

Urteil des Gerichtshofs der EU gegen Vorratsdatenspeicherung

Die Anbieter von Telekommunikationsdiensten und Internetprovider müssen die Daten ihrer Kunden nicht speichern. Das hat heute der Gerichtshof der EU entschieden. Damit ist die deutsche Sonderlösung vom Tisch.

Nancy Faeser, Bundesinnenministerin, 13.07.2022

IMAGO / photothek

»Es ist nicht zulässig, dass die Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation die Verkehrsdaten ab dem Zeitpunkt der Speicherung zur Bekämpfung von Straftaten des Marktmissbrauchs, u. a. von Insidergeschäften, präventiv ein Jahr lang allgemein und unterschiedslos auf Vorrat speichern«, lautet das klare Urteil des Gerichtshofs der EU.

Der Gerichtshof stellte als Erstes fest, dass weder die Marktmissbrauchsrichtlinie noch die Marktmissbrauchsverordnung im Hinblick auf die Ausübung der den zuständigen Finanzaufsichtsbehörden durch sie übertragenen Befugnisse eine Rechtsgrundlage für eine allgemeine Verpflichtung zur Aufbewahrung der Datenverkehrsaufzeichnungen im Besitz der Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation bilden können.

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Der Gerichtshof der EU stärkt den Datenschutz, indem er als Zweites darauf hinweist, dass es sich bei der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation um den Referenzrechtsakt im Bereich der Speicherung und allgemein der Verarbeitung personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation handelt. Damit sei auch die Datenschutzrichtlinie maßgeblich.
Der Gerichtshof der EU kam deshalb zum Schluss, dass es auch im »Lichte der Charta« nicht zulässig sei, die Verkehrsdaten ein Jahr lang allgemein und unterschiedslos auf Vorrat zu speichern.

Die Bundesnetzagentur hatte einen Rechtsstreit mit Telekom und SpaceNet vom Zaun gebrochen, die sich gegen eine Speicherpflicht wehren. Die Vorratsdatenspeicherung soll Polizei und Behörden erlauben, Telefon- und Internetdaten auszuwerten, die Telekommunikationsanbieter auf Vorrat speichern müssen. Mit diesen Daten kann genau nachvollzogen werden, wer mit wem wann telefoniert hat, wo er sich zum Zeitpunkt der Verbindung befunden hat und wie die IP-Adresse lautet. Das deutsche Telekommunikationsgesetz sieht diese Pflicht ab Juli 2017 vor.

Seit langem beschäftigte die Vorratsdatenspeicherung die Gerichte. Wir berichteten bei TE ausführlich. Unmittelbar bevor die Vorschrift in Kraft treten sollte, hatte 2017 das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden, das SpaceNet nicht zur Speicherung der Daten verpflichtet werden darf.

Der Gerichtshof der EU hatte bisher regelmäßig Vorstößen einzelner Staaten eine Absage erteilt und die sogenannte anlasslose Vorratsdatenspeicherung als grundsätzlichen Verstoß gegen EU-Recht vom Tisch gewischt. Ausnahme: wenn es um nationale Sicherheitsinteressen geht. Der Begriff allerdings wird sehr eng umrissen.

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Über weitere Fälle auch aus Irland und Frankreich verhandelten die Richter in Luxemburg zuletzt im April. Bei diesen Fällen ging es nicht nur um Speicherpflichten, sondern auch um einen Mordfall in Irland, Geldwäsche und Insidergeschäfte, für deren Aufklärung gespeicherte Daten verwendet wurden. Der irische Supreme Court wollte in dem Verfahren unter anderem klären, welche Anforderungen das Unionsrecht an die Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung schwerer Kriminalität stellt. Ein wegen Mordes Verurteilter wollte erwirken, dass seine Kommunikationsdaten nicht als Beweismittel hätten verwendet werden können. Dies wurden ebenfalls abgelehnt, weil nicht im nationalen Sicherheitsinteresse.

Der Fall geht jetzt wieder zurück an das Bundesverwaltungsgericht. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP steht: »Angesichts der gegenwärtigen rechtlichen Unsicherheit, des bevorstehenden Urteils des Europäischen Gerichtshofs und der daraus resultierenden sicherheitspolitischen Herausforderungen werden wir die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung so ausgestalten, dass Daten rechtssicher anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden können.«

FDP und Grüne wollen keine Vorratsdatenspeicherung. Die SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser jedoch will »Eingriffbefugnisse auf der Höhe der Zeit«, wie sie beim Jahresempfang der Sicherheitsbehörden betonte.