Tichys Einblick
Nichts als Populismus

Die Union übt Opposition

Die Union präsentiert einen Fünf-Punkte-Plan, um die Wirtschaft in Deutschland zu entlasten und das Wachstum anzukurbeln. Es zeigt sich: Die CDU/CSU will laut reden, aber nichts machen. Die Mittel, um Druck aufzubauen, hätte sie.

Boris Rhein, Markus Söder und Friedrich Merz, bei der Vorstellung ihres Zehn-Punkte-Plans am 30. Juni 2023. Am Montag wollen sie einen Fünf-Punkte-Plan vorlegen

IMAGO / Sven Simon
Der Internationale Währungsfonds sagt für Deutschland ein weiteres Schrumpfen der Wirtschaft voraus. Gleichzeitig soll die Weltwirtschaft um 3 Prozent wachsen. Auch Spanien, Italien und die anderen EU-Staaten verzeichnen ein Wachstum. 

In der Politik ist der weitere Wohlstandsverlust in Deutschland lange kein Thema gewesen. Nun will die Union mit einem Fünf-Punkte-Plan Druck auf die Ampel aufbauen. Wie die Bild am Sonntag berichtet, werden CDU-Chef Friedrich Merz, CSU-Chef Markus Söder und der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) den Forderungskatalog am Montag gemeinsam präsentieren. „Die Wirtschaft im Ausland wächst und Deutschland fällt immer weiter zurück. Die Probleme sind also hausgemacht. Die Ampel muss jetzt ein Sofortprogramm für die Wirtschaft auflegen“, sagte Söder der Bild am Sonntag. „Es wird Zeit, dass der Kanzler die Wirtschaftskrise zur Chefsache macht.“

Die fünf Vorschläge:

  1. Die Stromsteuer und Netzentgelte sollen zum 1. Oktober gesenkt werden.
  2. Alle neuen Gesetze, die Bürokratie verursachen, sollen gestoppt werden.
  3. Überstunden sollen ab sofort steuerfrei gestellt werden.
  4. Das Heizungsgesetz soll gestoppt und keine Erbschaftsteuer auf das Elternhaus erhoben werden.
  5. Für Unternehmen soll es weniger Steuern auf einbehaltene Gewinne und bessere Abschreibungen geben. 

Die Union übt Opposition. Merz rief die Ampel-Koalition dazu auf, erste Punkte direkt nach der Sommerpause zusammen mit der Union im Parlament zu beschließen: „Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, mit uns im Deutschen Bundestag für eine Senkung der Stromsteuer und der Netzentgelte zu stimmen. Damit könnten die Energiepreise schon zum 1. Oktober sinken. Außerdem müssten wir wenigstens ein Belastungsmoratorium gegen die ausufernde Bürokratie beschließen.“

Die Forderungen von Merz könnten eine kurzfristige Entlastung bringen, aber ändern nichts an den Problemen, die die deutsche Wirtschaft geißeln. Der Strommangel wird nicht behoben – ein Strommangel, den die CDU mitzuverantworten hat. Sinken die Stromabgaben, steigen die Nachfrage und der Preis. Das könnte zu mehr Investitionen in Energieproduktion sorgen, aber es sind quasi nur noch teure Investitionen in wenig effektive Stromproduktion möglich. Atomstrom ist unmöglich, Kohlekraftwerke stehen auch unmittelbar vor dem Aus und Gas ist zu knapp, um weiter Gaskraftwerke zu bauen. Die Bürokratie nicht weiter auszubauen ist attraktiv, bis man realisiert, dass Unternehmen und Bürger schon jetzt erdrückt werden. Es ist kein Befreiungsschlag, es ist ein langsameres Ersticken. 

Überstunden von der Einkommensteuer zu befreien wäre ein wichtiger Schritt, um die Leistung der Arbeitnehmer nicht weiter zu bestrafen; aber es berührt die Leistungsfeindlichkeit des Steuersystems nicht. 

Es sind unkonkrete Minimalforderungen. Abschreibungen zu verbessern ist ein Trick, um kurzzeitige Steuererleichterungen zu suggerieren, ohne die Steuerbelastung nachhaltig zu reduzieren. Und auch die Forderung, das Elternhaus nicht mit Erbschaftsteuer zu belasten: Die Erbschaftsteuer als solche bleibt bestehen. Es kommt nur einem größeren Freibetrag gleich.

Die Strategie der CDU scheint zu sein, keine Strategie zu haben. Schon vor einigen Wochen warb der neue CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann damit, dass man die Steuern auf Überstunden aussetzen und in Freibädern Schnellgerichte installieren wolle. Schon dann war es unglaubwürdig, denn beide Forderungen waren offensichtliche, populistische Reaktionen auf die Tagespolitik und genauso tagespolitisch schnell vergessen.

Der Fünf-Punkte-Plan ist verschriftlichter Forderungs-Populismus. Er kommt als Krisenprogramm daher, doch ist nur Kommunikations-Taktik, wie man sie besonders von Söder gewöhnt ist; Söder, der nach jeder Umfrage eine andere Meinung vertritt als vor der Umfrage. Denn: Söder und Rhein sind beides Ministerpräsidenten der CDU beziehungsweise ihres Süd-Ablegers CSU: von Bayern und Hessen. Außerdem stellt die CDU den Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein (Daniel Günther), in Berlin (Kai Wegner), in Nordrhein-Westfalen (Hendrik Wüst), in Sachsen (Michael Kretschmer) und in Sachsen-Anhalt (Reiner Haseloff). In Baden-Württemberg und in Brandenburg regieren sie als Juniorpartner mit. In Thüringen kann Bodo Ramelow nur mit Unterstützung der CDU regieren. Man könnte vor Ort Wirtschaftspolitik betreiben. Oder noch besser: Will die CDU das Heizungsgesetz stoppen, will die CDU irgendein Gesetz stoppen, kann sie es im Bundesrat ausbremsen. 

Die Politik hat es vergessen, aber das ist der Sinn des Bundesrats: Ein Durchregieren des Bundestags soll verhindert werden und sich wandelnde Stimmungen können sich im Bundesrat auch unabhängig von den vierjährigen Bundestagswahlen niederschlagen. Der Bundesrat ist längst ausgehebelt. Weil die CDU in den Ländern mit den Grünen und der SPD in Koalition regiert, verhält man sich im Bundesrat neutral. Die zweite Kammer der deutschen Demokratie wurde mit rechtlich nicht bindenden Koalitions“verträgen“ und Absprachen kastriert. Stattdessen begnügt man sich mit Forderungen, von denen man weiß, dass man sie niemals in die Tat umsetzen muss. 

Ministerpräsident Rhein sagte zum Fünf-Punkte-Plan: „Wir müssen den Cocktail aus hohen Steuern, hohen Abgaben und hohen Energiepreisen wegschütten.“ Die CDU will den Cocktail nicht komplett wegschütten, sondern nur einen Teil. Bis man sie wiederwählt – und vergessen hat, dass es die CDU war, die diesen Cocktail gemischt hat.  

Anzeige