Tichys Einblick
152 von 193 Staaten sagen Ja

UN-Migrationspakt in New York förmlich angenommen

Die Vollversammlung der Vereinten Nationen hat den UN-Migrationspakt („Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration“) am 19. Dezember in New York förmlich angenommen. Für den Pakt stimmten alle Länder mit Bevölkerungsexport, klassische Einwanderungsländer stimmten dagegen.

Chris Hondros/Getty Images

152 der 193 Mitgliedstaaten stimmten für den Pakt, 12 enthielten sich, 5 stimmten dagegen, darunter die USA und Ungarn. Der Rest der Mitgliedstaaten (24 Länder) war zur Abstimmung nicht anwesend. Ziel des globalen Übereinkommens ist es, Migrationsprozesse zu erleichtern, zu steuern und zu managen. Der Streit in Deutschland hat sich darüber entzündet, inwieweit der Pakt Migration fördert, was die Kritiker behaupten oder bremsen soll; diese Interpretation vertreten  die Bundesregierung und der Bundestag. Und weiter, ob der Pakt überhaupt „gültig“ und verpflichtend sei.

Am 17. Dezember hatte die UN-Vollversammlung bereits dem Flüchtlingspakt, dem zweiten Standbein der Regulierung internationaler Wanderungsbewegungen, mit 181 Ja-Stimmen zugestimmt. Die USA und Ungarn hatten sich gegen ihn ausgesprochen. Der umstrittene internationale Migrationspakt, der in der deutschen und europäischen Öffentlichkeit sehr viel stärker diskutiert worden ist als der Flüchtlings-Pakt, war zuvor von einer angeblich „deutlichen Mehrheit“ der UN-Mitgliedstaaten auf einer internationalen Konferenz in Marrakesch/Marokko am 10./11. Dezember gebilligt worden. Diese Abstimmung allerdings, zu der Bundeskanzlerin Merkel extra angereist war, erfolgte in unklarer Situation durch Feststellung und ohne Auszählung.

Wer dafür stimmt sagt viel aus

In New York stimmten jetzt endgültig 152 Staaten förmlich für den Pakt. Zu den Befürwortern gehörten neben Deutschland auch Russland (Russische Föderation), Kanada, das Vereinigte Königreich, Belgien und Brasilien. Allerdings hat der künftige brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, der sein Amt im Januar 2019 antritt, bereits angekündigt, sich aus dem Migrationspakt zurückziehen sowie strengere Aufnahmekriterien für Migranten anwenden zu wollen. In Belgien hat der politische Streit um den Migrationspakt eine Regierungskrise ausgelöst.

Auch in anderen Staaten führte vor allem die Frage, ob und inwieweit die nationale Souveränität durch die geplanten internationalen Vorhaben tangiert sein könnte, zu internen Debatten bzw. Zusatzerklärungen zum Vertrag, die öffentlich aber kaum thematisiert wurden. So zum Beispiel in Lettland, Estland, der Schweiz, Österreich, Norwegen, Dänemark und den Niederlanden.

Nein zum Migrationspakt sagten am 19. Dezember neben den USA, die sich bereits 2017 aus den Verhandlungen zurückgezogen hatten, Polen, Ungarn, Israel und die Tschechische Republik.

Nicht abgestimmt haben unter anderem Afghanistan, Nordkorea, die Dominikanische Republik, Paraguay, die Slowakei sowie die Ukraine.
Enthaltungen gab es aus: Algerien, Australien, Österreich, Bulgarien, Chile, Italien, Lettland, Liechtenstein, Libyen, Rumänien, der Schweiz und Singapur.

Mit den USA und Australien haben damit die wichtigsten Einwanderungsländer der Welt nicht zugestimmt. Beide, die USA und Australien, bemühen sich um eine Begrenzung der Zuwanderung und sehen diese Anstrengung durch den Pakt torpediert. Einhellig für den Pakt stimmten die Länder Afrikas und Asiens, die Menschen exportieren wollen um sich so ein Ventil für die Folgen von Bevölkerungsexplosion, Misswirtschaft und innere Krisen zu verschaffen. Damit dürfte der Charakter des Pakts eindeutig sein: Er soll der Migration von Süd nach Nord helfen.

EU bemüht sich um Zusammenhalt

Aus Europa kamen die meisten Gegenstimmen und relativ viele Enthaltungen. Im Endergebnis stehen aber immerhin zwei Drittel der Staaten, genauer gesagt: der Regierungen der EU-Staaten, mehr oder weniger klar hinter dem internationalen Abkommen – selbst wenn man das Vereinigte Königsreich, das bei den UN für Ja stimmte, wegen des 2017 beantragten Austritts aus der Gemeinschaft außen vor lässt. Darunter sind auch Staaten, die bereits seit Längerem eine höhere Zuwanderung verzeichnen.

Die EU-Bilanz: Für den Pakt sprachen sich aus: Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Kroatien, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Portugal, Schweden, Slowenien, Spanien, Zypern, [sowie Vereinigtes Königsreich]. Gegen den Pakt votierten: Polen, die Tschechische Republik, Ungarn. Es enthielten sich: Bulgarien, Italien, Lettland, Österreich, Rumänien. Es war nicht anwesend: Slowakai. Europa ist also in dieser Frage gespalten. Der Versuch der EU, eine einheitliche europäische Linie zu fahren und eine gemeinsame Außenpolitik zu etablieren ist gescheitert.

Bundeskanzlerin Merkel: „Es ist dann gültig“

Bei der Befragung der Bundesregierung am 12. Dezember im Bundestag (Plenarprotokoll 19/70) hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Streitgespräch mit dem AfD-Abgeordneten Martin Hebner vorausgesagt, dass die Zahl derer, die den Pakt annehme, größer sei als die Zahl derer, die ihn nicht annimmt. Weiterhin sei es so, „dass Länder ausgetreten sind, die bis zum letzten Tag im Namen der Europäischen Union verhandelt haben. Das muss ich so hinnehmen. Aber nicht diejenigen, die ihn angenommen haben, haben die Einigkeit verletzt, sondern diejenigen, die ausgetreten sind, mit Ausnahme von Ungarn; denn Ungarn hat vom ersten Tag an gesagt, dass es diesen Pakt nicht akzeptieren wird … Es ist so: Wenn nächste Woche der Pakt in der UNO-Vollversammlung noch einmal zur Debatte steht, dann kann ein Mitgliedstaat Abstimmung verlangen. Diese Abstimmung muss dann so erfolgen, dass zwei Drittel der vertretenen Länder der VN dem zustimmen, und dann ist es für alle gültig. Das ist nun mal so, wenn es um Mehrheitsentscheidungen geht. Es ist dann gültig. Ich bitte, auf das Wort zu achten.“

„Gültig“ – was heißt das?

Was heißt aber nun in der Praxis „gültig“? Es dürfte auch weiterhin darüber diskutiert und beobachtet werden, welchen formalen Status das so genannte soft law künftig hat, inwieweit es in juristische Formeln und Verfahren gegossen werden könnte, ob es Einfluss auf den Umfang von Migrationsbewegungen hat. In einem „Bericht der Bundesregierung zur Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinten Nationen und einzelnen, global agierenden, internationalen Organisationen und Institutionen im Rahmen des VN-Systems in den Jahren 2016 und 2017“ vom August 2018 wurden der Flüchtlings- und Migrationspakt als „rechtlich nicht bindend, aber politisch verpflichtend konzipiert“ beschrieben. In der weiteren öffentlichen Debatte wurde dann vor allem von vielen Befürwortern auf die (völker-)rechtliche Unverbindlichkeit abgestellt und auf das Bestreben, speziell „irreguläre“ Migration einzudämmen. Außenminister Heiko Maas würdigte den Pakt am 19.12. als „klaren Erfolg für den Multilateralismus“ sowie „starkes Bekenntnis der Staatengemeinschaft dazu, dass menschenwürdige Bedingungen auch für Migrantinnen und Migranten gewährleistet werden müssen.“

Damit bestätigen sich die Befürchtungen der Kritiker: Der Pakt wird auch in Deutschland und Europa Wirkung entfalten und die liegt in der gewünschten weiteren Steigerung der Zuwanderung.


Elke Halefeldt


Mehr zum Thema:
Roland Tichy (Herausgeber), Der UN-Migrationspakt und seine Auswirkungen. Tichys Einblick, 112 Seiten, 12,00 €.
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