Tichys Einblick
Nachteil AfD und Grüne?

Umfragen: Rennen nur noch um die Plätze 3 bis 6

Da die Meinungsführer-Medien nicht über wichtige Themen und Unterschiede in den Positionen der Parteien berichten (können), konzentriert sich fast alles NICHT auf die Frage, FÜR WEN sich welche und wie viele Bürger entscheiden, sondern GEGEN WEN.

© Steffi Loos/Getty Images

Gegen 15 Prozent tendiert der demoskopische Vorsprung der Union vor der SPD bei den diversen Instituten. Damit ist jede Spannung raus. Mit so etwas kann die auf Unterhaltung fixierte Massenmedien-Demokratie nichts anfangen. Was soll da noch ein „Duell“ zwischen Merkel und Schulz? Noch dazu wo ebenfalls schon feststeht, dass die Frage nur noch ist, mit wem zusammen die Union weiter hinter Kanzlerin Merkel – wie leise murrend auch immer – steht.

Das derzeitige Zahlenbild zeigt die Union bei 37 bis 39 Prozent, FDP 7 bis 10, AfD 7 bis 9, die SPD bei 23 bis 25 Prozent, Grüne 6 bis 8 und Die Linke 8 bis 11.
Wenden wir eine statistische Fehlerbreite von 2,5 Prozent an, könnten alle vier Kleinen nach den zwei Großen sich nebeneinander auf dem Siegerpodest für die Bronzemedaille drängeln müssen. Aber die Grünen können auch in bedrohliche Nähe der magischen 5 geraten. Zeigen die nächsten Umfragen (gleichgültig, wie viel sie wert sind) in diese Richtung, ensteht leicht Eigendynamik.
Da die Meinungsführer-Medien nicht über wichtige Themen und Unterschiede in den Positionen der Parteien berichten (können), konzentriert sich fast alles nicht auf die Frage, FÜR WEN sich welche und wie viele Bürger entscheiden, sondern GEGEN WEN.
Die Wahlberechtigten teilen sich in drei Segmente: die Kernwähler der Parteien, die noch Unentschlossenen und die Anti-Merkel-Wähler. Die Kernwähler (der sichere Teil der Stammwähler) kalkuliere ich alle zusammen auf 50 Prozent der Wahlberechtigten, die Unentschlossenen (ob und wen sie wählen) auf 30 und die (entschlossenen) Anti-Merkel-Wähler auf 20 Prozent.
Nachteil AfD und Grüne?
Die FDP wird es nicht gern hören, aber sie profitiert vom Umgang der Medien mit der AfD. Die Anti-Merkel-Wähler entscheiden sich zwischen AfD und FDP. Noch vor einem halben Jahr sah es so aus, als würde der deutlich größere Teil gegen Merkel AfD wählen. Nun ist die offensichtliche Entwicklung, dass der größere Teil FDP gegen Merkel wählen dürfte. Die Machtkämpfe bei der AfD spielen da sicher eine Rolle, aber eher eine marginale. Nach vielen Gesprächen bin ich recht sicher: Der Wechsel in vielen Medien von negativer Berichterstattung über die AfD zur Nichtberichterstattung wirkt. Die FDP ist fast ohne ihr Zutun in die Funktion der „seriösen“ Ant-Merkel-Wahl geschlüpft. Wolfgang Kubicki, der politische Überlebenskünstler aus sozialliberaler Zeit, dessen Rolle damals nicht annähernd so wichtig für die FDP war wie heute, und Christian Lindner passen als Personen sehr gut zu dieser „vorzeigbaren“ Anti-Merkel-Wahl.
Die verbleibende Zeit bis zur Bundestagswahl am 24. September fällt in die Ferienmonate. Unterbrochen kann diese politisch abkühlende Periode in der warmen bis heißen Wetterzeit nur durch unvorhergesehene, negative Ereignisse werden. Aber selbst solche blieben ohne Einfluss auf die dargestellte Lage mit einer Ausnahme: Aus den Unentschlossenen könnten sich mehr als im Moment entscheiden, an der Wahl teilzunehmen. Von solch Mobilisierten würden sich wohl nahezu alle gegen Merkel entscheiden.
Ansonsten haben wir dieses Mal einen „Lager-Wahlkampf“ der anderen Art. SPD, Grüne und Die Linke kämpfen um ihre Anteile nur untereinander: die Grünen könnten im Lager-Saldo die Verlierer sein. CDU, CSU, AfD und FDP tun unter sich das Gleiche: die AfD könnte hier in die Rolle der Grünen kommen. Zwischen diesen beiden klassischen alten Lagern „links“ und „bürgerlich“ bewegen sich keine Stimmen. Dass die üblichen „Wanderungsdiagramme“ uns nach der Wahl anderes zeigen werden, liegt nur daran, dass ihre „Modellrechnungen“ auf Daten veralteter Erfahrungen beruhen.