Tichys Einblick
SPD ade, Grüne Lieblinge

Umfragen: Es rutscht und die SPD zerbröselt

Neueste Umfragen zeigen: Die Wähler sortieren sich neu. Die CSU muss Federn lassen und reagiert aggressiv. Der Umzug der SPD vom 20-Prozent-Turm in den niedrigen 10-Prozent-Turm kommt zügig voran.

© Patrik Stollaz/AFP/Getty Images

Deutschland im Frühjahr zeigt eine veränderte politische Landschaft: Die linke Mehrheit in Deutschland aus SPD, Grünen und Linken ist verschwunden – die AfD zieht so viele Wähler an, dass es eine rechte Mehrheit gibt. Die wird parlamentarisch nicht wirksam, weil mit der AfD nicht koaliert werden darf – und das schwächt die Union weiter: Sie muss immer neue Zugeständnisse an linke Partner machen, und untergräbt damit ihre Glaubwürdigkeit weiter.

Eine schwarze Mehrheit bildet sich heraus

In Bayern käme die CSU in der kommenden Landtagswahl im Oktober, nach der repräsentativen Umfrage des Meinungforschunginstituts Civey für die Augsburger Allgemeine (Montagsausgabe), derzeit auf 42,1 Prozent der Wählerstimmen. Damit würde sie zum Ergebnis der Landtagwahl 2013 satte 5,6 Prozent verlieren. Den Beweis, dass wenig noch weniger werden kann, tritt erneut die SPD an und schrumpft von 20,6% auf 13,7 Prozent.

Die Grünen steigen von 8,6 auf 13,5 und die AfD könnte mit zwölf Prozent in den Landtag einziehen. Für die FDP wird’s wieder eng, bestenfalls könnte sie mit 5,1 Prozent knapp wieder in den Landtag kommen. Die Freien Wähler, eine auf lokale Initiativen gründende Art von Partei, gewinnt 6,6 Prozent. Wenn es so kommt, gehörten dem Parlament sechs Parteien an, zurzeit sind es vier.

In Hessen, dort wird kurz nach Bayern gewählt, hat die schwarz-grüne Koalition keine Mehrheit mehr. Die erwarteten Stimmen für die AfD stärken das Oppositionslager. Auch hier gilt: Die Union könnte vermutlich mit der AfD, aber sie wird nicht dürfen und daher waghalsige Partnerschaften schließen müssen.

In Nordrhein-Westfalen  sieht es ähnlich schlecht für die SPD  aus, ihrem stärksten Landesverband: Minus 6 auf nur noch 22 % – ein unfaßbar schlechtes Ergebnis. Nicht nur um Prozente geht es: Eine Partei, die so abschmiert, verliert Mitglieder, Ortsvereine und Hoffnung. So falsch lag der abgemeierte Vorsitzende Martin Schulz nicht mit der Ablehnung der Großen Koalition: Die SPD schrumpft schneller als je zuvor: Grüne und AfD gewinnen je 3 Prozent, die FDP gibt etwas ab und die CDU gewinnt leicht dazu – der Ministerpräsident erhält einen Mini-Amtsbonus. Hier hat die schwarze Mehrheit auch ohne AfD die frühere rot-grüne bereits abgelöst.

Das Bild wiederholt sich bei der Europawahl: SPD fällt in den 10-Prozent-Turm, AfD steigt weiter und liegt nur noch 1% hinter SPD.

Die AfD und die Grünen gewinnen. Rein zahlenmäßig sieht es so aus, dass sich die abtrünnigen SPD-Wähler auf diese beiden Parteien verteilen.

Für die Grünen lohnt es sich derzeit, dass sie ihre Vorsitzenden ausgetauscht haben. Der neue Vorsitzende Robert Habeck wird derzeit von vielen Journalisten gefeiert bis zum Ausbruch erotischer Inbrunst: Er sei der pure „Eros“, so die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in einer peinlichen Hymne an den Traummann, der sogar „Rollkragenpulli“ trägt: für die FAS Beweis seiner Großartigkeit. Aber ob die Grünen die Stimmen aus dem SPD-Lager länger als nur einen liebestollen Habeck-Frühling halten können ist fraglich: Zu weit weg sind die Grünen von den Problemen in den Wohnsilos.

Währenddessen wächst die AfD an die SPD heran und droht, sie zu überholen – so wie es in Baden-Württemberg (AfD15,1%, SPD 12,7) und Sachsen-Anhalt (dort hat die AfD 24,3, die SPD nur 10,6%) bereits geschah. Wie gefährlich es für die SPD mittlerweile ist, zeigt eine Analyse des Wählerpotentials durch das Marktforschungsinstitut INSA: Danach lehnen zwei Drittel der Wähler die AfD kategorisch ab und würden sie niemals wählen. Aber wichtiger ist ein anderes Ergebnis: 12 Prozent wollen derzeit die AfD „sicher“ wählen – die SPD 13 Prozent. Der Mythos Volkspartei ist für die SPD verloren; sie kann ihn nur noch retten, wenn sie dieses Wort auch der AfD zuerkennt. Aber ein „Volk“gibt es ja gar nicht mehr, lehrt Habeck die Wähler; Volk ist neuerdings ohnehin ein kontaminierter Begriff.

Die FDP kann ihre Anteile nicht ausbauen, im Gegenteil: Sie verliert, wenn auch nur geringfügig.

In allen Fällen gilt: Eine linke Mehrheit aus SPD, Grünen und Linken, wie sie im letzten Bundestag noch rechnerisch möglich war, gibt es nicht mehr.

CSU-Strategiepapier
CSU-Strategiepapier: In ihrer Not greift auch die CSU zum abgenutzten Klischee
Dagegen entwickelt sich eine „rechte“ Mehrheit, zu deren Entstehen die AfD massiv beitrug, weil sie insgesamt eine Stimmenverschiebung von links nach rechts bewirkte. Die „rechte Mehrheit“ wird allerdings derzeit politisch nicht wirksam. So wie die SPD die Koalition mit den Linken zuletzt auf Bundesebene noch scheute und damit die rechnerisch mögliche „linke Mehrheit“ nicht wirksam wurde, so lehnt die Union Koalitionen mit der AfD auch auf Landes- und Kommunalebene ab. Und bringt sich damit ihrerseits in eine schwierige Lage.
Der Wählertango der CSU

Das macht die Sache für die CSU nicht leicht: Sie könnte sie mit der SPD koalieren – wenn die wollte. Aber wer will schon mit einem derart gerupften Huhn am Kabinettstisch sitzen? Einem Verlierer Ministerämter schenken – das macht keinen guten Eindruck.

Alternativ müsste die CSU die Freien Wähler in ein Koalitionsboot holen und die FDP gleich dazu – wenn’s die überhaupt parlamentarisch gibt. Denn deren Einzug in den Landtag ist keineswegs sicher.

Alternativ könnte sie auf das Angebot der Grünen eingehen, die sich schon ganz beflissen anbieten – für die Grünen wäre es nach Baden-Württemberg ein Triumph, in das schwarze Reich einzuziehen, den Erzfeind in Koalitionsverhandlungen vorzuführen und damit den Beweis der Regierungsfähigkeit zu führen. Oder die CSU muss neben doch um die AfD buhlen und dafür die ganz große Schimpfe riskieren. Das erklärt den aggressiven Ton, den die CSU derzeit anschlägt.

„Die AfD ist ein Feind von allem, für das Bayern steht“, heißt es in einem Strategiepapier von CSU-Generalsekretär Markus Blume, über das der Parteivorstand auf seiner Klausur am Samstag beraten will. „Wir sind entschlossen, die AfD als zutiefst unbayerisch zu bekämpfen.“ Die AfD, das seien „Feinde Bayerns“, die man „stellen“ wolle, heißt es in dem Papier.

Das klingt entschlossen. Stellen wir uns mal vor, die CSU oder eine andere Partei hätte formuliert:

„Angela Merkel ist Feindin von allem, für das Bayern steht“, heißt es in einem Strategiepapier von CSU-Generalsekretär Markus Blume, über das der Parteivorstand auf seiner Klausur am Samstag beraten will. „Wir sind entschlossen, Merkel als zutiefst unbayerisch zu bekämpfen.“ Die Merkel, das sei der „Feinde Bayerns“, die man „stellen“ wolle, heißt es in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur in München vorliegt und über das auch der „Spiegel“ berichtete.

Noch kühner ist aber die Behauptung der CSU, sie besitze den „Alleinvertretungsanspruch für das bürgerliche Lager“. Alle anderen Parteien bis zur FDP und den Freien Wählern haben keinen Anspruch darauf, sich bürgerlich zu nennen? Das engt den Koalitonsspielraum doch sehr ein. Denn klar ist, mit solchen Sprüchen ist längst kein AfD-Wähler mehr zu schocken.

Die CSU tanzt einen seltsamen Tango: Mit starken Sprüchen imitiert sie die AfD, und greift sie für Positionen an, die sie sich gerade geklaut hat. Viele Wähler wissen das, und wählen gerade deshalb nicht CSU: Sie fühlen sich in ihren Positionen bestärkt, aber glauben nicht, dass die CSU sich durchsetzt.  Und weil die CSU so dominant ist, können sie ihr angstfrei von der Fahne gehen – an eine SPD-geführte Regierung glaubt niemand.

Die starken Sprüche der CSU erinnern eher an die ironische Hilflosigkeit von Stoßstangenaufklebern, wie sie in den 80ern in Bayern kursierten:

„Heidaufdnachtwerndpreissnabgschlachtwerapreisnfleichmogsoikemmadiedog.“

Wer es dechiffrieren kann, lacht, aber wählt nicht.