Tichys Einblick
Ukrainischer Generalstab

Bereitet Putin langen Krieg vor? – Syrische Söldner wollen über die Ukraine in die EU

Putins Truppen graben sich vor Kiew ein. Ihre größte Sorge soll laut ukrainischem Generalstab der Nachschub an Kämpfern sein. Angeblich werden schon Jugendliche mobilisiert. Der Kampfeswille syrischer Söldner sei begrenzt und das Motiv, in die Ukraine zu gehen, ein anderes.

Ukrainische Soldaten bei Selyshche in der Nähe von Kiew, 19. März 2022

IMAGO / ZUMA Press

Russlands Führung könnte sich von der Aussicht auf einen schnellen Sieg in der Ukraine verabschieden. Im jüngsten Bericht des Institute for the Study of War heißt es zusammenfassend: „Russische Streitkräfte rund um Kiew errichten zunehmend Verteidigungsstellungen und bereiten den Einsatz von zusätzlicher Artillerie und Feuerleitanlagen vor. Die ukrainischen Streitkräfte schlugen die fortgesetzten russischen Bemühungen zurück, die Stadt Isjum südöstlich von Charkiw zu erobern, und die russischen Streitkräfte führten keine weiteren Offensivoperationen in der Nordostukraine durch. Die russischen Streitkräfte machen im Oblast Luhansk und um Mariupol weiterhin langsame, aber stetige Fortschritte, führten jedoch keine Offensivoperationen in Richtung Mykolayiv oder Kryvyi Rih durch.“

Die Ukraine hat also dem Aggressor die Aussicht auf einen langen Ermattungskrieg aufgezwungen. Der ukrainische Generalstab geht nun davon aus, dass die russische Regierung die eigene Bevölkerung auf einen „langen Krieg“ in der Ukraine vorbereitet. 

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Dazu gehörten auch Propaganda und Mobilisierungsmaßnahmen – in Russland selbst und bei Verbündeten. Auf der Website des ukrainischen Generalstabs heißt es: „Aufgrund des Mangels an Männern, um die Reihen der Besatzungsarmee aufzufüllen, erwägt die Kremlführung die Möglichkeit, russische Minderjährige in die Feindseligkeiten in der Ukraine einzubeziehen. Eine entsprechende Anordnung ‚Über die Organisation der Beteiligung von Mitgliedern der militärisch-patriotischen öffentlichen Bewegung Yunarmija an der Durchführung einer Sonderoperation auf dem Territorium der Ukraine‘ wurde vom russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu unterzeichnet.“ Ob das angefügte Dokument authentisch ist, können wir nicht verifizieren. Demzufolge würde die militärische Führung Russlands Vorschläge für die Ausbildung dieses Personals vorlegen. Yunarmija („Jugendarmee“) ist eine 2016 von Shoigu gegründete paramilitärische Schülerorganisation. Bei „versteckten Mobilisierungsmaßnahmen“ in mehreren Regionen Russlands sei es massenhaft zu Ausweichreaktionen der jungen Männer gekommen.

Der Generalstab und das ukrainische Verteidigungsministerium behaupten außerdem, der libysche Warlord Khalifa Haftar habe bei einem Besuch in Moskau zugestimmt, libysche „Freiwillige“ auf russischer Seite in der Ukraine einzusetzen. Die russische Söldnerfirma Wagner (laut Generalstab hat sie sich in „Liga“ umbenannt), die von Putins Regime oft für heikle Unternehmen eingesetzt wird, soll demnach den Transport organisieren. Die Berichte wurden von libyschen Medien bestätigt.

Dem ukrainischen Generalstab zufolge hat Russland auch Probleme mit den in Syrien geworbenen Söldnern. Das mit Putin verbündete Regime in Damaskus hat Moskau angeblich zwar 40.000 Kämpfer zugesagt. Aber ob diese auch kommen und in der Ukraine kämpfen, ist anscheinend nicht sicher. Am 15. März seien laut Informationen des ukrainischen Militrgeheimdienstes 150 Syrer von der russischen Militärbasis Khmeimim nach Russland gebracht worden.

Über den Einsatz und Motivation der Syrer schreibt der ukrainische Generalstab: „Bei der Rekrutierung wird den Söldnern versprochen, ausschließlich Polizeifunktionen zur Wiederherstellung der Ordnung in den besetzten Gebieten, also reine Polizeifunktionen, zu erfüllen. In jüngerer Zeit verbreiteten sich jedoch Informationen über die direkte Teilnahme an Feindseligkeiten gegen die ukrainische Armee unter Söldnern. Dies habe den „Kampfgeist“ der Syrer erheblich gemindert. Darüber hinaus sind kürzlich mehr als 30 Kämpfer, die im Kampf gegen die Verteidiger der Ukraine verwundet wurden, aus Russland auf dem Militärstützpunkt Khmeimim angekommen. Diese Tatsache hat sich negativ auf den moralischen und psychologischen Zustand anderer Söldner ausgewirkt und dazu geführt, dass sich einige von ihnen weigerten, an Feindseligkeiten teilzunehmen. Unter syrischen Kämpfern wurden sogar Fälle von Selbstverstümmelung festgestellt. Einige Söldner sehen in der Entsendung nach Russland und Weißrussland eine Chance zur Desertion und illegalen Migration in EU-Länder.“

Wenn weiter die Parole der Bundesinnenministerin Nancy Faeser gilt – „Wir wollen Leben retten. Das hängt nicht vom Pass ab“ –, wird ihnen zumindest Deutschland auch offen stehen.

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