Tichys Einblick
Interview TE-Magazin 03-2021

Soziologe Streeck: Und was ist, wenn es nächstes Jahr ein neues Virus gibt?

Die Datenlage sagt so gut wie nichts aus über Infektionswege und Gefährlichkeit von Corona, kritisiert Wolfgang Streeck, emeritierter Direktor des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln. Die Krise habe gezeigt, dass das System der globalen Vernetzungen an seine Grenzen stoße.

picture alliance / Pacific Press | Alessandro Bosio

Köln. Wie bewältigt Deutschland eine weitere Virus-Pandemie im nächsten oder übernächsten Jahr? Nach Ansicht des Kölner Soziologen Prof. Wolfgang Streeck sind die finanziellen Spielräume des Staates bis dahin aufgebraucht, eine weitere Pandemie werde unbeherrschbar. „Ich kann mir eine Situation vorstellen, in der dieses System schon früher an seine Grenzen gerät: Wenn nämlich im nächsten oder übernächsten Jahr noch ein „neuartiges Virus“ kommt, nicht unbedingt ein schlimmeres, aber jedenfalls eines, das nicht mit den Mitteln zu bekämpfen ist, die jetzt entwickelt wurden“, schildert Streeck, emeritierter Direktor des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln, im Magazin Tichys Einblick. „Noch mal dieselben Schulden aufnehmen? Das ist das wirklich Brisante an unserer Lage: Die Unbeherrschbarkeit der globalen Netze und deren Unterhaltungs-, Absicherungs- und Schadensausgleichskosten, die wir vor uns herschieben, weil sie nicht bezahlbar sind.“ Das weltweite Aufhäufen von Schulden könne so nicht weitergehen. „Vielleicht gibt es irgendwann einen Schuldenschnitt; was dann passieren kann, entzieht sich jeder Fantasie.“

Zum Verzweifeln ist nach Streecks Einschätzung der Umgang mit den Corona-Zahlen, Fachleuten würden sich „die Haare sträuben“, so der Soziologe. „Generell sind die Statistiken, die uns jeden Abend von den Fernsehmännern und -frauen verlesen werden, zum Verzweifeln: «In Zusammenhang mit» verstorben sagt so gut wie nichts, «neu infiziert» müsste heißen «positiv getestet», für «geheilt» steht die Zahl der positiv Getesteten minus der Zahl der «an und mit» Gestorbenen.“ Ebenso verwirrend sei die Darstellung der Auslastung der Intensivbetten. „Ich würde gern wissen, wie die erhebliche Diskrepanz zwischen den angeblich vorhandenen, noch freien und in Reserve rasch aufbaubaren Intensivbetten und der offensichtlichen, immer wieder berichteten Grenzbelastung der Intensivstationen zustande kommt.“


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