Tichys Einblick
Parteienstaat total

Thüringen-Wahl: Wenn Journalisten zu Parteisprechern werden

Wäre Thomas Kemmerich ein Produkt aus der Konfektion Parteienstaat, hätte er im Thüringer Landtag gar nicht kandidiert. Sondern hätte untätig zugeschaut, wie sein Vorgänger Bodo Ramelow als Mann der Minderheit unter Duldung der Mehrheit im Amt geblieben wäre.

Screenprint: ZDF/heute journal

Der demokratisch einwandfrei gewählte Ministerpräsident von Thüringen, Thomas Kemmerich, ist kein Politprofi, kein Absolvent der Kaderschule des Parteienstaats, also der Einschleifmühle für Funktionäre, noch schlimmer: Er ist als erfolgreicher Unternehmer wirtschaftlich unabhängig. Wäre er ein Produkt aus der Konfektion Parteienstaat, hätte er im Thüringer Landtag gar nicht kandidiert. Sondern hätte untätig zugeschaut, wie sein Vorgänger Bodo Ramelow als Mann der Minderheit unter Duldung der Mehrheit im Amt geblieben wäre.

Nichts unterstreicht das mehr als die Meldung, dass der Bundesvorsitzende der FDP, Christian Lindner auf dem Weg nach Erfurt ist mit dem „Ziel: Der gerade frisch gewählte Ministerpräsident Kemmerich soll den Weg für Neuwahlen frei machen.”

Gestern war Kemmerich zum peinlichen öffentlich-rechtlichen Verhör bei Frau Slomka, das der politische Amateur Kemmerich erstaunlich gut bestand.

Etwa bei Minute sieben wirft Slomka Kemmerich inquisitorisch vor, er wäre also gar nicht davon überrascht worden, dass auch die Abgeordneten der AfD ihm ihre Stimmen geben könnten. Frau Slomka, ich verrate Ihnen mal ein Geheimnis. Wenn jemand für ein Amt kandidiert, rechnet er in der Regel damit, dass Stimmen für ihn abgegeben werden.

Frau Slomka gab sich alle Mühe, Kemmerich aus der Fassung zu bringen. Doch das gelang ihr nicht. Diese Runde ging klar an Kemmerich.

Also legte der Chefredakteur des ZDF, Peter Frey mit dem gesetzesgleichen Satz nach: „Kemmerich hat eine Wahl angenommen, die er nicht hätte annehmen dürfen.”

Seine Begründung: In Thüringen hat 1924 der Weg nach Buchenwald begonnen. Herr Frey, es ist eine unverzeihliche Verharmlosung des NS-Staats, wen auch immer bei der AfD mit Hitler gleichzusetzen.

Die Maßstäbe im polit-propagandistischen Schlagabtausch sind längst völlig abhanden gekommen, eine Debatte oder Diskussion findet nicht nur nicht statt, sondern ist auch von keinem der Teilnehmer überhaupt noch gewünscht. Jan Fleischhauer platziert einen denkwürdigen Satz: „Wenn die Journalisten genau so klingen wie die Politiker, läuft etwas schief.”

Erwartungsgemäß segnete Frau Merkel den Chor des veröffentlichten Einheitsgesangs, SPON meldet:

»Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten mit AfD-Stimmen als „unverzeihlich“ kritisiert. Das Ergebnis dieses Vorgangs müsse rückgängig gemacht werden … Die Wahl habe mit einer „Grundüberzeugung“ gebrochen, sagte Merkel, „sowohl von mir als auch der CDU“, dass keine Mehrheit mithilfe der AfD gefunden werden dürfe.«

Sollte Christian Lindner oder wer auch immer Kemmerich zum Aufgeben bewegen oder es anderswie zu Neuwahlen in Thüringen kommen, ginge es in die nächste Eskalationsstufe des politischen Kulturkrieges in Deutschland: mit unkalkulierbaren Folgen. In diesem Land scheint es nur noch Brandstifter zu geben und keine Feuerwehr mehr.