Tichys Einblick
Kontrollen, Barrieren und Kameras

Weihnachtsmärkte: „abstrakt gefährdet“

Weihnachtsmärkte sind in diesem Jahr wie eine Festung gesichert: Mit Pollern, Kameras und einsatzbereiten Hundertschaften der Polizei. Laut Pressesprechern der Polizei gibt es bloß eine „abstrakte Gefahr“. Eine konkrete Gefahr gibt es allerdings auch.

IMAGO / Ina Peek
Kameras, Betonpoller, Big Bags, zivile Polizisten, Einsatzhundertschaften, externe Sicherheitsdienste, Taschen- und Personenkontrollen: Herzlich willkommen auf deutschen Weihnachtsmärkten. Waren Weihnachtsmärkte früher schlichtweg ein geselliger und friedlicher Ort, an dem Menschen gemeinsam einen Glühwein oder Punsch getrunken haben und Kinder mit Kakaorändern und Zuckerresten an den Lippen lachend und kreischend auf einem Karussell saßen. So müssen Weihnachtsmärkte heutzutage ein Ort voller Schutzmaßnahmen sein, damit Menschen beim Trinken ihres Glühweins sicher sind. Vor allem in diesem Jahr wirken die Sicherheitsvorkehrungen auf Weihnachtsmärkten besonders hoch: Die Märkte sind umzingelt von Pollern, „Big Bags“ sowie Pflanztrögen und überall laufen Polizei- oder Sicherheitsbeamte herum.

Das bestätigten Polizeien und Ordnungsämter verschiedener Städte auf Anfrage von TE. Martin Dams, ein Pressesprecher der Berliner Polizei, meint zum Beispiel, dass Weihnachtsmärkte einer „abstrakten Gefährdung“ unterliegen. Diese „abstrakte Gefährdung“ konkretisiert er: Die zugespitzte Lage in Nahost sowie der islamistische Terrorismus würden unverändert erhebliche Auswirkungen auf die Sicherheitslage Deutschlands haben. Ähnliche Worte verwendet auch Florian Abbenseth, ein Pressesprecher der Polizei Hamburg: „Es besteht allgemein eine abstrakt hohe Gefährdungslage“.

Dams Aussage nach sei die Advents- und Weihnachtszeit „unter Gefährdungsgesichtspunkten“ besonders zu beachten: Weil diese Zeit so symbolträchtig sei. Weihnachtsmärkte seien daher insbesondere gefährdet. Oder wie er es ausdrückt: „begründen eine besondere Gefährdungsrelevanz“. Das liege an den vielen Besuchern, der meist zentralen Lage sowie dem offenen Zugang.

Die Gefahr durch einen solchen offenen Zugang versuchen einige Städte, beispielsweise Lübeck, seit 2017 einzudämmen, indem die Veranstalter der Märkte in Absprache mit den Ordnungsämtern Zufahrtssperren aufstellen. Dies ist eine Folge des Anschlags auf die Gedächtniskirche in Berlin am 19. Dezember 2016, durch den 13 Menschen starben. In Lübeck nehmen diese Zufahrtssperren die Form von „Big Bags“ an, in anderen Städten sind es Betonelemente und Pflanztröge. Laut dem Lübecker Ordnungsamt dienten diese Zufahrtsperren zur „Abwehr von Angriffen“. Andere Maßnahmen schützten zusätzlich vor Vandalismus und „Einzelproblematiken“ durch Alkoholkonsum.

Andere Maßnahmen sind laut dem Lübecker Ordnungsamt Sicherheitsdienste und Polizisten. Die Münchener Polizei konkretisiert das in einer Pressemitteilung etwas mehr: Um Risiken zu minimieren, sei es erforderlich gewesen, dass Einzelkonzept des Münchener „Christkindlmarkt“ weiterzuentwickeln. Auf diesem sind demnach neben einem Sicherheitsdienst sowohl uniformierte als auch zivile Polizisten unterwegs. Diese würden von der Bereitschaftspolizei, Einsatzhundertschaften und der Taschendieb-Fahnung unterstützt. Zudem kündigt die Münchener Polizei in dieser Pressemitteilung auch an, dass es 18 Überwachungskameras auf dem Gelände des Weihnachtsmarkts und unter Umständen auch selektive Taschen- sowie Personenkontrollen gibt.

Für mehr Überwachungskameras auf Weihnachtsmärkten plädiert auch Jochen Kopelke, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), wie die Tagesschau berichtet: Er denkt, dass alle Weihnachtsmärkte per Video überwacht werden sollen. Dies begründet er insbesondere auf drei Festnahmen wegen Terrorverdachts, die es bereits vor dem ersten Advent gegeben haben soll, also schon bevor die „symbolträchtige Adventszeit“ – wie Dams sie nennt – begonnen hat: Festgenommen worden seien einerseits zwei Jugendliche in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg, die einen islamistisch motivierten Anschlag auf einen Kölner Weihnachtsmarkt geplant hatten, wie der WDR schreibt. Andererseits hat die Polizei einen 20-Jährigen in Helmstedt in Gewahrsam genommen, wie der NDR berichtet: Der Iraker soll einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Hannover geplant haben.

So „abstrakt“ wie die Sprecher der drei Polizeistellen meinen, ist die Gefahr eines Anschlags auf Weihnachtsmärkte also nicht. Trotzdem schreibt beispielsweise Dams von der Berliner Pressestelle, dass ihnen aktuell keine Hinweise vorlägen, aus denen sich eine „konkrete Gefährdung speziell für Weihnachtsmärkte ableiten lassen könnte“. Abbenseth aus Hamburg fügt hinzu: „Es spricht nichts gegen einen Besuch auf Hamburger Weihnachtsmärkten.“ Wie die Sicherheitskonzepte ganz konkret aussehen, um diese „abstrakte Gefahr“ auf Weihnachtsmärkten einzuschränken, will gegenüber TE aber weder die Hamburger oder Berliner, noch die Münchener Polizei sagen: „Aus taktischen Gründen“.


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