Tichys Einblick
TE-Interview 11-2022

„Man hat es versäumt, gegen die Entstehung von Parallelgesellschaften vorzugehen“

„Wir schaffen das“, verordnete Angela Merkel 2015. Das Wie überließ sie den Landräten und Bürgermeistern. Ein Gespräch mit dem früheren Botschafter in Jordanien und im Jemen Alfred Schlicht über die muslimische Massenmigration, den fragwürdigen Sinn unserer „Integrationsmaßnahmen“ und die bleibende Fremdheit der „neuen Deutschen“.

Anti-Israel-Protest in Berlin, Mai 2021

IMAGO / Stefan Zeitz

Berlin. Der frühere Botschafter in Jordanien und im Jemen, der Islamwissenschaftler Alfred Schlicht, glaubt nicht daran, dass sich muslimische Einwanderer gut in die deutsche Gesellschaft integrieren werden. Das liege auch am Bild, das der Koran vom Christentum zeichne. „Christen sind nicht gleichberechtigt, und man soll sie nicht als Freunde haben“, so der Diplomat im Gespräch mit dem Monatsmagazin Tichys Einblick.

Eine Bestandsaufnahme
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Schlicht plädiert dafür, sich ohne Vorbehalte mit dem Islam zu beschäftigen. „Da die Vertreter der ideologischen Islamophilie im Grunde sehr unsicher sind, sind sie schnell mit dem Vorwurf der ‚Islamophobie‘ oder des ‚antiislamischen Rassismus‘ bei der Hand. Für alle Intoleranz, Gewalt und Brutalität, die aus dem Islam kommt, haben sie – oft abstruse – Rechtfertigungs- oder Erklärungsnarrative. Den Koran haben sie meist nicht gelesen, die islamische Geschichte kennen sie oft kaum – sie ‚wissen‘ aber, dass der Islam und die Muslime Gegenstand westlicher Herabsetzung und Verfolgung sind.“

Für Schlicht liegt die Ursache der Integrationsprobleme muslimischer Bevölkerungsgruppen darin, dass viele von Integrationsprogrammen „gar nicht erreicht werden wollen, weil Integration gar kein erstrebenswertes Ziel für sie ist“. Natürlich gebe es gut integrierte Muslime, was aber nichts am grundsätzlichen Problem ändere. „In der Tat senden wir an die Migranten falsche Signale aus. Man müsste ihnen ganz eindeutig klar machen, welche Regeln hier gelten, dass Sozialleistungen und das Recht, bei uns zu bleiben, an gewisse Bedingungen geknüpft sind. Das Tolerieren von rechtsfreien Räumen, das Verständnis für Straftaten und der Mangel an Konsequenz in Justiz und Politik ermutigt Kriminalität gegenüber einer Gesellschaft, die man ohnehin ob ihrer ‚Schwäche‘ und Toleranz verachtet. Vergessen darf man auch nicht, dass islamistischer Terrorismus und ‚gewöhnliche‘ Kriminalität Hand in Hand gehen.“

Wenn Klischees bestätigt werden
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Von vielen Muslimen würden „unser Rechtsstaat und unsere Werte als Zeichen der Schwäche interpretiert. Unser Bekenntnis zu Frauenrechten und zu Toleranz wird verachtet“, so der frühere Botschafter. „Viele Muslime leben weiterhin wie in ihren Heimatländern. Frauen werden diskriminiert, Mädchen erhalten nicht die nötige Bildung und werden in Zwangsehen gezwungen. Wenn Islam-Apologeten gerne behaupten, all das komme nicht durch den Islam, sondern durch das Patriarchat, vergessen sie, dass das Patriarchat eine seiner stärksten Stützen im Islam hat.“

Erstaunt ist der Islamwissenschaftler, dass vor allem die politische Linke den Islam unterstützt. „Tatsächlich fällt im internationalen Vergleich auf, dass Islamophilie eher in linken Kreisen herrscht, manchmal bis an die Grenze der Absurdität. Dies ist besonders eigenartig, weil der Islam eher ‚rechte‘ Positionen vertritt: Er fordert patriarchalische Verhältnisse, verweigert Frauen die Gleichberechtigung und Mädchen gute Erziehung. Allen Arten von Freiheit oder Gleichberechtigung steht er ablehnend gegenüber. Dass Muslime ‚Hamas, Hamas, Juden ins Gas‘ skandieren, ficht Linke nicht an.“


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