Tichys Einblick
TE-Interview 09-2022

Harald Schwarz: Politik ist für Desaster der Energiepolitik verantwortlich

Zukunftstechnologien wurden von der Politik gestoppt – Elektrolyseanlagen für Wasserstoff abgebaut und verschrottet. Die letzten 20 Jahre waren aus technischer Sicht verlorene Jahre für die Energiewende, so Energietechnik-Professor Harald Schwarz im TE-Interview. Es fehlte ein langfristiges Konzept.

IMAGO/BildFunkMV

Cottbus. Der Energieexperte Prof. Harald Schwarz, Spezialist für Energieverteilung und Hochspannungstechnik an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, macht die Politik verantwortlich für die aktuelle Energiekrise. Die Politik habe in den vergangenen 20 Jahren mehrfach den Kurs verändert und sei bewusst aus Technologien wie der Wasserstoffelektrolyse ausgestiegen. Es sei ein großer Fehler gewesen, voll auf Wind- und Solarenergie zu setzen. „In der Politik gibt es de facto keine Ingenieure. Den meisten politisch Verantwortlichen fehlt ein ausreichendes technisches Grundverständnis, was es an Zeit und an Geld kostet, um mit einer Idee vom Labor zu einem realen System im Gigawattbereich zu kommen“, kritisiert Prof. Schwarz im Monatsmagazin Tichys Einblick.

Vor 20 Jahren habe es sogar ein Konzept für die Energiewende gegeben. Weil Sonne und Wind keine verlässlichen Energieträger sind, habe die damalige Planung „einen Sockel an konventioneller Erzeugung“ vorgesehen, der Deutschland mit Strom versorgen sollte, wenn die Regenerativen nicht liefern. „Zu diesem Sockel mit Kernenergie kamen in dem Konzept noch Kohlekraftwerke mit CO2-Abscheidung. Mit dem Überschuss an regenerativem Strom sollte per Elektrolyse Wasserstoff erzeugt werden – um daraus mit dem abgeschiedenen CO2 aus den Kohlekraftwerken synthetisches Methan oder synthetische Treibstoffe zu machen.“

Der damalige Chef der Deutschen Energieagentur dena, Stephan Kohler, forderte 2005 den Aufbau der ersten 1000 Megawatt Elektrolyseleistung in Deutschland, erinnert sich Schwarz. „Die Reaktion aus der Politik war: Das ist viel zu teuer, dieses ganze Thema Elektrolyse und Wasserstoff brauchen wir nicht, da der europäische Strommarkt hier immer einspringen könne. Wir sind damals komplett aus der Wasserstoffelektrolyse ausgestiegen, haben alle Anlagen abgebaut und verschrottet“, erklärt der Wissenschaftler. „Jetzt, 20 Jahre später, ist die aktuelle Zielsetzung der Politik: Wir brauchen eine nationale Wasserstoffstrategie. Also bauen wir die Elektrolyseanlagen wieder auf, die wir vor 20 Jahren schon hatten.“

Schwarz’ Fazit: „Die letzten fünfzehn, zwanzig Jahre waren aus technischer Sicht verlorene Jahre für die Energiewende, weil sie getrieben wurden von ständig neuen Schlagworten. Was völlig fehlte, war ein langfristiges Konzept, in dem eine Stufe auf der anderen aufbaut.“


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