Tichys Einblick
TE-Interview 09-2022

DIHK-Vizepräsident Olbricht fordert Neubau von Kernkraftwerken

Nicht nur den Atom-, sondern auch den Kohleausstieg findet DIHK-Vizepräsident Klaus Olbricht falsch. „Ist eine sichere, bezahlbare Energieversorgung nicht gewährleistet, wird Deutschland als Industrienation bald keine Rolle mehr spielen“, so Olbricht im TE-Interview. Vor allem im Osten erwartet er eine Pleitewelle.

IMAGO/Bihlmeyerfotografie

Frankfurt. Der Deutsche Industrie- und Handelstag rechnet damit, dass die Gaspreise im Winter noch weiter steigen und vor allem in Ostdeutschland eine Pleitewelle droht. Deshalb fordert der DIHK-Vizepräsident Olbricht nicht nur eine Laufzeitverlängerung der vorhandenen Kernkraftwerke, sondern sogar den Neubau von Atomkraftwerken. „Wir sollten in Deutschland nicht nur eine Laufzeitenverlängerung erwägen, sondern uns auch Gedanken machen, ob wir neue Kraftwerke planen, so wie es auch andere Industrienationen praktizieren“, sagte DIHK-Vizepräsident Klaus Olbricht im Gespräch mit dem Magazin Tichys Einblick. Auch den geplanten Kohleausstieg hält er für falsch. „Wir halten trotz der größten Energiekrise und obwohl wir die modernsten Kohlekraftwerke der Welt haben, am Kohleausstieg fest. Aus ideologischen Gründen, wohlgemerkt. Wollen wir unsere Volkswirtschaft nicht an die Wand fahren, brauchen wir jetzt eine sichere und bezahlbare Energieversorgung.“

Während die deutsche Industrie besonders unter den Kostensteigerungen durch den Ukraine-Krieg leide, profitierten im Gegenzug die Konkurrenten China und Indien von günstigen Gaspreisen. „Russland beliefert sie weiter mit billigem Gas. Ihre Produktionen werden dadurch relativ günstiger, ihre Produkte billiger. Das ist ein Hebel, um Märkte in der westlichen Welt zu erobern, die bislang von deutschen und europäischen Firmen besetzt sind. Vor allem für die Strategie Pekings, die Volksrepublik als weltweit dominierende Wirtschaftsmacht zu etablieren, ist der Ukraine­-Konflikt ein Katalysator.“

Olbricht befürchtet, dass Deutschland sogar bleibend zurückfällt. Sei eine günstige Energieversorgung nicht gewährleistet, werde „Deutschland als Industrienation schon bald keine Rolle mehr spielen“, so Olbricht. „Wenn unsere Produkte nicht mehr konkurrenzfähig sind, werden andere Anbieter schneller, als wir es uns jetzt noch vorstellen können, in die Bresche springen und unsere Marktanteile übernehmen. Das zeichnet sich schon ab.“

Druck auf China und Indien könne Deutschland nicht mehr ausüben. „Das ist unmöglich. Die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen China und Deutschland sind inzwischen viel zu verzahnt. Würden sie ins Stocken geraten, käme unsere Wirtschaft zusätzlich in Bedrängnis.“ Deshalb müsse Deutschland seine Abhängigkeiten verringern. „Das gilt für die Zulieferindustrie, um Lieferketten sicherzustellen, aber auch für die Rohstoffsicherung – etwa bei den seltenen Erden. Wollen wir in diesem Verteilungskampf nicht unterliegen, müssen die Bundesregierung – und auch die EU­-Kommission – Denkverbote über Bord werfen und längst fällige Reformen anstoßen, damit wir konkurrenzfähig bleiben.“

Vor allem die Unternehmen im Osten stünden vor einer Pleitewelle. Dort seien die „Betriebe auch 30 Jahre nach der deut­schen Einheit immer noch wesentlich kapitalschwächer“ und deshalb von der Energiekrise stärker betroffen als Unternehmen im Westen. „Die hohen Energiepreise und der Fortfall des russischen Marktes treffen sie doppelt.“


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