Tichys Einblick
TE 05-2023

Professor Wiesendanger: Virenforschung wie in Wuhan verbieten

Wenn SARS-CoV-2 ein Laborunfall war, dann müssen wir jetzt dringend von der gesetzgeberischen Seite tätig werden, fordert der Hamburger Professor Roland Wiesendanger. Hochrisikoreiche biotechnologische Experimente müssten international überwacht werden.

IMAGO / Kyodo News

Hamburg. Der Hamburger Forscher Prof. Roland Wiesendanger, der es für wahrscheinlich hält, dass das Coronavirus künstlich im Labor in Wuhan entstanden und entwichen ist, fordert eine strenge internationale Überwachung solcher Labore. Die Entwicklung von Viren, die zu weltweiten Pandemien führen können, sollte sogar verboten werden, fordert Professor Roland Wiesendanger im Monatsmagazin Tichys Einblick. „Viren auf künstliche Weise pandemiefähig zu machen, ist auch bei höchsten Sicherheitsvorkehrungen ein unkalkulierbares Risiko. Dies müssen wir ausschließen.“ Durch internationale Abkommen müsse ein Konsens herbeigeführt werden, dass „zu risikoreiche biotechnologische Forschung mit unabsehbaren Gefahren für die gesamte Menschheit verboten wird“.

Damit fordert Wiesendanger aber nicht ein generelles Verbot der Forschung an Viren. „Experimente, die der Menschheit dienen oder auch nur einen neuen Erkenntnisgewinn ermöglichen – ohne dabei andere zu gefährden – möchte man sicherlich nicht verbieten. Es geht nicht darum, technologischen Fortschritt zu verhindern. Die Freiheit der Wissenschaft ist ein extrem hohes Gut, das ich als neugieriger Wissenschaftler selbstverständlich – soweit es ethisch vertretbar ist – verteidige.“

Deshalb brauche es nach dem Vorbild beispielsweise der Internationalen Atomenergie-Agentur eine internationale Organisation, die gefährliche Virenforschung regelt und überwache. „Dies ist dringend erforderlich“, so Professor Wiesendanger. „Es ist überhaupt nichts geregelt im Bereich der biotechnologisch erzeugten Erreger. Man kann heute relativ kostengünstig die Technologie bereitstellen, um Viren künstlich zu erzeugen, die bei gezielter Manipulation auch pandemiefähig werden können. Diesem extremen Gefahrenpotenzial müssen wir Rechnung tragen, auch der Gesetzgeber.“

Kritisch sieht Wiesendanger, dass während der Coronapandemie eine offene wissenschaftliche Debatte über die Herkunft des Virus’ nicht möglich war und kritisiert besonders Prof. Christian Drosten. „Herr Drosten hat nachweislich in mehreren Interviews des Jahres 2020 die Labortheorie als Verschwörungstheorie charakterisiert und Vertreter dieser Theorie diffamiert. Und er hat gemeinsam mit 26 anderen Virologen in der Fachzeitschrift «The Lancet» die Laborhypothese als Verschwörungstheorie abgetan.“ Darauf hätten sich dann alle Medien und Faktenchecker berufen.

Es brauche wieder offene wissenschaftliche Debatten ohne Diffamierungen. „Ich denke, es ist zunächst einmal vorrangig die Aufgabe der Wissenschaft und insbesondere der wissenschaftlichen Akademien, ganz generell dafür Sorge zu tragen, dass man wissenschaftliche Fragen offen diskutieren kann und eben nicht, wie dies während der Pandemie geschehen ist, eine berechtigte Theorie vonseiten der Wissenschaft politisiert. Man hat ja jegliche offene Diskussion gescheut – und das muss sich ändern. Wir leben in der Wissenschaft von einer offenen Debatte, vom Wettstreit um die besten Argumente.“


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