Tichys Einblick
TE-Interview 01-2023

„Bürgerliche Mitte unter Druck“

Der Leiter der CDU-Grundwertekommission Andreas Rödder rät seiner Partei zu „intellektueller Satisfaktionsfähigkeit“.

IMAGO / Mauersberger

Mainz. Der Leiter der CDU-Grundwertekommission, der Mainzer Historiker Andreas Rödder, rät der CDU, stärker eigene Positionen zu entwickeln und diese auch während eines medialen Trommelfeuers durchzustehen. „Den Anspruch von Friedrich Merz, die AfD zu halbieren, indem die CDU AfD-Wählern ein Angebot macht, ohne der AfD nachzulaufen, halte ich für völlig richtig.“ Und das bedeute auch, das eigene Handeln nicht von der Zustimmung oder Ablehnung durch die AfD abhängig zu machen und verweist auf die CDU in Thüringen, die einen Gesetzentwurf gegen das staatliche Gendern zur Abstimmung gestellt hatte. „Ich habe die Kritik an der CDU in Thüringen überhaupt nicht verstanden. Die CDU hat dort einen eigenen Punkt gesetzt, sie hat aus eigenen Werten heraus eine politische Forderung und einen Gesetzesentwurf begründet. Und wenn die AfD dem zustimmt, dann stimmt die AfD dem eben zu“, so Rödder im Gespräch mit der neuen Ausgabe des Monatsmagazins Tichys Einblick. „Ich würde es für problematisch halten – Stichwort „nachlaufen“ – wenn die CDU Positionen mit Blick auf die Zustimmung der AfD formulieren und vorlegen würde. Aber wenn die CDU eigene Positionen entwickelt, eigene Positionen zur Abstimmung stellt und dann die AfD zustimmt, so what? Wenn die CDU sich davor drücken würde, dann gibt sie jeden eigenen Gestaltungsanspruch auf.“

Die CDU müsse die Phase der Selbstentkernung unter Angela Merkel hinter sich lassen und eigene Positionen entwickeln, auch wenn sie dafür nicht von allen geliebt werde. „Es ist die große Herausforderung für die CDU unter ihrem neuen Vorsitzenden Friedrich Merz, intellektuelle Satisfaktionsfähigkeit zurückzugewinnen. Das heißt, unterscheidbare Positionen und auch den Willen zu entwickeln, sich zu unterscheiden, statt von möglichst vielen, wenn nicht allen geliebt zu werden“, erklärt der Historiker. „Die Union hat in der Ara Merkel die Erfahrung gemacht, dass Anpassung nach links ihr die Regierungsfähigkeit sichert. Das stimmt ja auch im Hinblick auf eine 16-jährige Regierungszeit – allerdings um den Preis der inhaltlichen Selbstentkernung“, so Rödder.


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