Tichys Einblick
Heidelberg

Streit um PCR-Test: Drosten soll vor Gericht ein weiteres Gutachten einreichen

Eine Maßnahmen-Kritikerin trifft am Amtsgericht Heidelberg auf den Virologen Christian Drosten. Der soll in einem Ergänzungsgutachten zur Frage Stellung nehmen, ob der PCR-Test die Infektiosität nachweisen könne oder auch bei "toter Viruslast" positiv ausfalle.

IMAGO / photothek

Am Amtsgericht Heidelberg ereignet sich gerade ein kurioses Stück. Der bekannte Virologe Christian Drosten und die Querdenken-nahe Anwältin Beate Bahner geraten wegen dem PCR-Test aneinander. Bahner vertritt in dem Verfahren eine Frau, der vorgeworfen wird, gegen die Testpflicht verstoßen zu haben. Spätestens nach 14 Tagen hätte sie einen negativen Test oder ein ärztliches Attest vorlegen sollen, nachdem sie in die Bundesrepublik eingereist war. Nun droht ihr ein Bußgeld von 125 Euro.

Vor wenigen Tagen hatte Drosten ein Gutachten darüber eingereicht, ob der Test eine Infektion mit dem Coronavirus im Sinne des Paragrafen 2 des Infektionsschutzgesetzes nachweisen kann. Bahner fordert das Gericht nun auf, Drosten solle ein Ergänzungsgutachten anfertigen.

Das sei nötig, “weil der Sachverständige zum einen die gesetzlichen Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes nicht korrekt beachtet hat”, teilt Bahner in einem Schreiben vom 5. Mai dem Gericht mit. Außerdem habe ein Ergänzungsgutachten eine erhebliche Bedeutung für die Frage, ob der Mandantin von Bahner ein PCR-Test abverlangt werden könne und ob ein Bußgeld bei Verweigerung gerechtfertigt sei. TE liegen das Gutachten von Drosten und das Schreiben vor.

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Drosten hatte in dem Gutachten untersucht, ob der PCR-Test die Aufnahme eines Krankheitserregers und seine nachfolgende Vermehrung im Körper nachweisen kann. Drosten bejaht die Frage in dem 4-seitigen Papier – vorausgesetzt, es sei ein “ordnungsgemäß durchgeführter PCR-Test”, wie der Charité-Professor schreibt. Bahner ist damit nicht zufrieden. Die maßgebliche Vorschrift aus Paragraf 2 Absatz 1 finde sich an keiner Stelle, “nämlich die Frage, was ein Krankheitserreger ist”, schreibt sie. Der betreffende Paragraf definiert einen Krankheitserreger als “ein vermehrungsfähiges Agens (Virus, Bakterium, Pilz, Parasit) oder ein sonstiges biologisches transmissibles Agens, das bei Menschen eine Infektion oder übertragbare Krankheit verursachen kann”.

Laut Bahner habe Drosten nicht beantwortet, ob der PCR-Test ausschließlich lebende und somit übertragbare Virusbestandteile nachweist, oder ob der Test auch bei “toter Viruslast” ausschlägt – also wenn jemand andere nicht mehr anstecken kann. Sie will darum wissen, ob der PCR-Test auch eine Monate oder Jahre zurückliegende Infektion nachweisen kann und ob eine solche Infektion andere Menschen gefährden kann.

Drosten schreibt dazu, dass ein positiver PCR-Test “eine Mindestmenge von Viruslast auf der Schleimhaut” voraussetzt, die unter natürlichen Umständen nur auftrete, wenn sich eine Person zuvor mit dem Virus angesteckt habe und sich das Virus im Körper vermehrt habe. Ohne vorherige Infektion könnten “unter natürlichen Umständen” keine Virusfragmente im Körper oder sonstige Virusbestandteile vorkommen, die zu einem positiven Ergebnis führten. Nicht-natürliche Umstände lägen etwa bei Mitarbeitern von Pharmaunternehmen vor, die in einer Produktionsstätte große Mengen von virus-ähnlicher DNA einatmeten, schreibt Drosten.

Maßnahmen-Kritiker betonten wiederholt, dass nicht alle positiv getesteten Personen ansteckend seien. Wasser auf deren Mühlen gab im Januar einer der Hersteller der Tests, Olfert Landt von der Berliner Firma TIB Molbiol. Nicht jede Person sei ansteckend, die mit dem PCR-Test positiv getestet sei, erklärte er im Interview mit der Fuldaer Zeitung und fügte hinzu: “Wir wissen, dass Leute mit einer geringen Viruslast nicht infektiös sind.” Landt schätze in dem Interview, dass die Hälfte aller positiv getesteten Personen nicht ansteckend sei. Um gefährlich für Dritte zu sein, müsse man “100-mal mehr Viruslast in sich tragen als die Nachweisgrenze der Tests“, sagte Landt weiter, der ein wissenschaftlicher Weggefährte von Drosten ist.

Das Amtsgericht Heidelberg bestätigte den Vorgang auf TE-Anfrage. Ob man von Drosten ein Ergänzungsgutachten anfordere, sei in der Kürze der Zeit noch nicht entschieden worden. Ein Ergänzungsgutachten sei im Allgemeinen “nichts Ungewöhnliches”, sagte eine Sprecherin. Drosten sei nach Paragraf 75 der Strafprozessordnung verpflichtet, als Gutachter zu fungieren – außer er bringe triftige Gründe vor.

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