Tichys Einblick
Fachkreis Steuerschätzung

Die Bürger sollen in nächsten Jahren 126 Milliarden Euro mehr Steuern zahlen

Der Staat nimmt 126 Milliarden Euro mehr ein, melden ARD, ZDF und befreundete Medien zur neuen Steuerschätzung. Das hat zwei Haken: Die Prognose beruht auf großen Unsicherheiten. Und: Bezahlen müssen es die Bürger.

Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, und Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, bei der Pressekonferenz zur Steuerschaetzung, Bonn, 27.10.2022.

IMAGO / photothek
Dieses Jahr können die Bürger dem Staat 1,7 Milliarden Euro an Steuern weniger zahlen als vorhergesagt. Das ist die Realität angesichts von steigenden Energiepreisen, drohender Stromknappheit und Unternehmen, die ihre Produktion drosseln, schließen oder gleich ins Ausland abwandern. Doch in den nächsten Jahren wird das alles besser: Bund, Länder und Kommunen werden bis 2026 zusammen 126 Milliarden Euro mehr Steuern einnehmen. Meint zumindest der Steuerschätzerkreis. Auf dessen Daten erstellt Finanzminister Christian Lindner (FDP) den Bundeshaushalt. Die positive Prognose ermöglicht ihm, den Glauben an die Einhaltung der Schuldenbremse aufrechtzuerhalten.
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Aber die Zahl der Abers ist im Zusammenhang mit der Schätzung groß: Zum einen ist fraglich, ob die Energiekrise 2023 tatsächlich schon überwunden ist – oder auch nur 2024. Zum anderen haben die Schätzer angekündigte Gesetze noch nicht berücksichtigt: etwa den Plan Lindners, die Tarife der Lohnsteuer an die Inflation anzupassen und den steuerlichen Freibetrag zu erhöhen.
Die optimistische Prognose der Steuerschätzer beruht auf der Inflation. Die einfache Rechnung lautet: Wenn alles teurer wird, verdient der Staat auch in Form von Lohn-, Unternehmens- und Mehrwertsteuer mehr daran. Doch die Inflation oder Preissteigerung hat auch einen Gegenspieler, die nennt sich Rezession, also wirtschaftlicher Niedergang. Die deutsche Wirtschaft wird im kommenden Jahr um 0,4 Prozent schrumpfen. Davon geht sogar die Bundesregierung aus. Da auch zum Jahreswechsel 2023 auf 2024 die Energiekrise nach allen gängigen Prognosen noch nicht überwunden sein wird, sind auch die wirtschaftlichen Aussichten für das übernächste Jahr nicht rosig.
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Der Finanzminister will daher die aus seiner Sicht günstige Steuerprognose nicht als Signal zum Geldausgeben verstanden wissen. Lindner verweist dabei auf die Politik der Entlastungspakete, in der der Staat den Bürgern das Geld abnimmt und in Form von Geschenken zurückgibt. Geschenke, die der Staat aussucht. Die CDU scheint diese Politik der Wummse und Doppelwummse gut zu finden und fordert mehr davon: „Probate Mittel wären entweder ein Vorziehen der Energiepreisbremsen auf Januar, zusätzliche Abschlagszahlungen oder das Gewähren einer Energiepreispauschale für das untere Einkommensdrittel für die Monate Januar und Februar“, schießt Christian Haase Vorschläge aus der Hüfte. Er ist haushaltspolitischer Sprecher der Union im Bundestag.

Haase erkennt zwar: Die Bürger „wissen nicht mehr, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. Lebensmittel, Rohstoffe und Energie werden teurer.“ Doch die Idee, ihnen mehr Geld von ihrem Einkommen zu lassen, kommt dem Unions-Politiker nicht. Stattdessen ist die größte Oppositionspartei im Wumms-Fieber: „Die Vermeidung von Wohlstandsverlusten erreicht man nicht mit Tipps zum Energieeinsparen, sondern nur durch entschlossenes Handeln unter Ausnutzung der finanziellen Spielräume.“

Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel fordert indes: „Die von Bundesfinanzminister Lindner in Aussicht gestellten ‚Steuererleichterungen‘ sind angesichts der erwarteten Steuermehreinnahmen wenig mehr als ein Trinkgeld. Um diese Schieflage zu korrigieren, sind deutliche Senkungen der Mehrwertsteuer und der Energiesteuern zwingend geboten.“

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