Tichys Einblick
Interview TE 04-2020

Staatsrechtler Scholz: CDU ist keine Volkspartei mehr – Konservativen Flügel wieder stärken

Der frühere Verteidigungsminister und Verfassungsrechtler Rupert Scholz rückt ein paar Dinge gerade. Die CDU hat in Thüringen nicht die AfD gewählt, sondern einen Mann der FDP.

Rupert Scholz

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Der Staatsrechtler Rupert Scholz rät der Union, die AfD politisch zu stellen und nicht länger auszugrenzen. Ansonsten sieht Scholz keine Chancen mehr für Union und FDP, konservative Mehrheiten zu gewinnen. „Nach den Umfragen liegt die AfD bei rund 15 Prozent bundesweit, inzwischen vor der ehemaligen Volkspartei SPD. Im Osten liegt sie bei 25 Prozent. Parteien in solchen Größenordnungen kann man doch nicht völlig ausgrenzen“, erklärt Scholz im Gespräch mit dem Meinungsmagazin Tichys Einblick. „Man muss sich politisch mit denen auseinandersetzen, das ist klar. Aber man kann sie nicht total ausgrenzen, weil das letztlich auch in eine Wählerbeschimpfung mündet. Das halte ich für hochgefährlich und hochproblematisch.“

Es gehe auch darum, ob die Union den rot-rot-grünen Koalitionen eine eigene Mehrheit entgegensetzen kann. „Die Union läuft gemeinsam mit der FDP Gefahr, permanent auf die Oppositionsbänke verbannt zu werden, es sei denn, sie würde sich mit der AfD arrangieren. Das will sie nicht. Gut, das mag heute auch kein Thema sein. Aber längerfristig muss sich die Union schon überlegen, wie sie insgesamt koalitionsfähig und damit auch mehrheitsfähig sein will. Mit der jetzigen Politik macht man sich Optionen kaputt.“

Für die Sozialdemokratisierung der Union durch Bundeskanzlerin Angela Merkel zahle die Partei einen hohen Preis, so Scholz. „Konservativ-liberale Stammwähler gingen von der Fahne: zunächst ins Nichtwählerlager, dann haufenweise zur AfD. Will die Union größere Teile dieser Wähler zurückgewinnen, dann muss sie ihren konservativen Flügel wieder reaktivieren, programmatisch wie personell.“ Den Status einer Volkspartei habe die CDU verloren. „Die Union sieht sich im Gegensatz zur SPD noch als Volkspartei. Nach den desaströsen 11,2 Prozent der CDU bei der Hamburg-Wahl klingt das fast wie von gestern“, so Scholz. Eine Volkspartei vereinige wenigstens 30 Prozent der Stimmen. „Bereinigen wir das Unionsergebnis heute um das Ergebnis der bayerischen CSU, dann liegt die CDU in Deutschland bei gerade mal 22 oder 23 Prozent. Die CDU allein ist keine Volkspartei mehr.“


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