Tichys Einblick
Es ist alles nur geliehen

Der Staat verschuldet sich zunehmend hemmungsloser

Schulden fürs Klima, für "Entlastungspakete" oder die "Gaspreisbremse". Forderungen, mehr Geld auszugeben, prägen die öffentliche Debatte. Doch ein Blick auf den Kassenstand zeigt: Das geht nicht mehr lange gut.

IMAGO / photothek

Die ehrlichste Statistik zur Finanzsituation des deutschen Staates ist der „Öffentliche Gesamthaushalt“. In diesem fasst das Statistische Bundesamt die Kassenstände von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialkassen zusammen. Auch Extrahaushalte lässt das Amt nicht außen vor. Das Verschieben von Geld zwischen den verschiedenen öffentlichen Konten ignoriert diese Rechnung aber. So ziehen die Statistiker aus Wiesbaden einen Strich, unter dem gut zu lesen ist, wie es finanziell um den deutschen Staat tatsächlich steht.

Nicht gut. Wie der jüngst veröffentliche Gesamthaushalt zeigt. Demnach hat die öffentliche Hand innerhalb eines halben Jahres 22,9 Milliarden Euro neue Schulden angesammelt. Der Schuldenstand betrug Ende Juni insgesamt 2,344 Milliarden Euro – oder auch 2,3 Billionen Euro. Das betrifft vor allem den Bund. Der hat in nur einem halben Jahr 25,9 Milliarden Euro an neuen Schulden angehäuft.

Wie wirkt sich das für den Bürger aus? Der Rechnungshof warnt den Bund mittlerweile öffentlich davor, dass er sich übernehme und sogar ein „Staatsversagen“ drohe. Sämtliche Wohltaten, die momentan die Debatte prägen – vor allem vor der Wahl in Niedersachsen – sollen aber vom Konto des Bundes gezahlt werden: Gaspreisbremse, Wirtschaftshilfen oder „Entlastungspakete“ gibt es nur, wenn sie Finanzminister Christian Lindner (FDP) auch bezahlen kann. 96 Milliarden Euro hat der Bund bisher per Paketzustellung versprochen – linke Parteien und Sozialverbände schreien bereits nach mehr. Die 46 Milliarden Euro des dritten und (bisher) letzten Pakets sind in der Rechnung des Statistischen Bundesamtes noch überhaupt nicht berücksichtigt.

Positives melden die Länder. Ihre Schulden sind im ersten Halbjahr um 5,9 Milliarden Euro gesunken. Das lässt sich aber nur auf Geld zurückführen, das der Bund in die Länder schiebt, kommentiert der Rechnungshof und rät dem Bund, sich stärker um seine Belange zu kümmern. Denn vieles von dem Geld, was der Bund den Ländern überlässt, verpuffe sinnlos. Meist in Schaufensterprojekten. Das sind dann soziale Vorzeigeprojekte, die unter großem medialem Tamtam vorgestellt werden und nach Auslaufen der Fördergelder heimlich sterben.

Wie wirkt sich der Schuldenabbau in den Ländern für die Bürger aus? Gar nicht. Der Bund betreibt hier eher Kosmetik. Die Länder sind trotzdem stark verschuldet. Allein Nordrhein-Westfalen drücken laut Statistischem Bundesamt 191 Milliarden Euro Schulden. Selbst das kleine Saarland kommt demnach auf 14 Milliarden Euro Schulden. Das sind rund 14.000 Euro Schulden pro Einwohner. Alleine an Landesschulden. Da kommen die von Bund, Gemeinde und Sozialkassen dann noch dazu.

Die Kosmetik des Bundes hat daher einen tiefergehenden Grund: Solche Schulden haben die Länder in einem Jahrzehnt anhaltenden wirtschaftlichen Booms aufgehäuft. Eskaliert, die sich schon jetzt anbahnende Wirtschaftskrise, dann drohen finanzschwache Länder wie das Saarland ihre Handlungsfähigkeit zu verlieren. Der Bund hält hier quasi Finger auf Löcher, die er laut Rechnungshof bald brauchen wird, um sie auf die eigenen Löcher zu pressen.