Tichys Einblick
Lauter Verlierer

Seehofer Rücktritt oder nicht – wen kümmert das noch?

Die ersten haben schon begonnen zu trompeten, Merkel hat gewonnen. Das ist - suchen Sie es sich aus - Geschwätz oder Propaganda oder beides. Merkel hat einmal mehr verloren, Seehofer und die ganze Mandarinenschar auch.

Christof Sprache/AFP/Getty Images

Niemand leidet mehr an Gedächtnisschwäche als Journalisten und Experten. Kaum sieht es so aus, als würde Seehofer um Mitternacht seinen Rücktritt erklären, haben sie es schon immer gewusst, dass Seehofer sich in eine Sackgasse manövriert hat, aus der es am Ende keinen anderen Ausweg gibt. Nur die Nachtzeit bewahrte sie davor, ihr Dahergerede noch einmal zu wenden, weil Studios im sozialbürokratischen Deutschland irgendwann schließen.

Der legendäre Stratege Sun Tzi prägte die Clausewitz vertraute Doktrin: Betritt nie ein Gelände, das du nicht jederzeit und ohne Verluste wieder verlassen kannst. Aber da Politiker und andere Funktionäre Taktik und Strategie chronisch verwechseln, bleibt diese Weisheit bedeutungslos.

Die ersten hatten schon begonnen zu trompeten, Merkel hat gewonnen. Das ist – suchen Sie es sich aus – Geschwätz oder Propaganda oder beides. Merkel hat einmal mehr verloren. Dass sich nun noch mehr Funktionäre noch folgsamer hinter ihr einreihen, belegt nur einmal mehr, wie viele mit der Rücksichtslosigkeit nicht in Berührung kommen möchten, mit der sie ihren Amtssessel verteidigt.

Ob nun heute in Berlin Merkel und Seehofer irgendeine Einigungswendung finden oder nicht, Seehofer aus der Regierung ausscheidet oder nicht, ist nicht mehr von Bedeutung. Die CSU verliert im Oktober ihre Landtagswahlen, die CDU in Hessen ihre ebenfalls. Beide Parteien gehen den schon länger begonnenen Weg der Democrazia Christiana nach diesem tiefgehenden Zwist beschleunigt weiter, womit sie dem Abstieg der Sozialdemokraten im ganzen Westen folgen.

Zwischen CDU und CSU geht es nur vordergründig um die Migrationsfrage, in Wahrheit geht es um den Kurs des Unionslagers. Und da gehen die Fronten mitten durch beide: CDU und CSU.

Keine Prinzipien, nur Posten
Bei Anne Will: Die Stunde der Verlogenen
Die Medien stürzen sich seit dem Rumoren vom Rücktritt auf die Frage, wer Innenminister wird, wenn Seehofer geht, und wer CSU-Chef. Für die Frage, wie der weitere Abstieg der Parteien verläuft, die schon länger da sind, ist das nachrangig: Auch ob Söder oder der ganz und gar windschlüpfrige Weber der CSU vorsitzt. Die CSU kann sich nun nicht einmal mehr durch die Trennung von der CDU im Bundestag retten. Die CDU braucht keinen bayrischen Landesverband zu gründen. Nach diesem peinlichen hin und her von Auftrumpfen und Einknicken ist die CSU bereits der letzte Landesverband der CDU. Und die CDU ein richtungsloser Haufen.

Bei Anne Will gestern finde ich nur eine Antwort des noch vorsichtigeren di Lorenzo als sonst notierenswert: Will wollte wissen, wer in diesem Streit profitiert. Lorenzo sagte die AfD – nach einer ganz kleinen Pause, sich zu KGE wendend: und die Grünen. Da hat er eher unabsichtlich den Nagel auf den Kopf getroffen.

Die Pole in der Polit-Arena sind AfD und Grüne. Die Linke ist auf dem Weg zum Veteranenverein der SED zu schrumpfen, die FDP die Reserve für Jamaika, die SPD bei der Selbstzerstörung, CDU und CSU im offensichtlichen Bemühen, es der SPD gleich zu tun.

Die Grünen halten krampfhaft an ihrer Ökopax-Religion fest, deren ideologischer Kern weder Öko noch Pax ist, sondern Staatssozialismus. Letzterem scheint sich auch die AfD nähern zu wollen. Doch ihren Stimmenzuwachs verdankt sie bis auf weiteres wie bisher dem Verschließen der Augen des Parteienkartells vor den Kollateralschäden der zahlreichen Einwanderung ins deutsche Sozialsystem – die Verrottung der gesamten Infrastruktur eingeschlossen.

Die natürliche Entwicklung eines baufälligen Gebäudes ist sein Einsturz. Merkel ist längst nicht mehr nur der Name einer Person, sondern das Synonym für ein scheiterndes System.