Für den Staatsanwalt ist es „business as usual“. In nüchternem Tonfall erklärt er, worauf die Anwesenden warten: Carola Rackete, die Schiffsführerin der Sea-Watch 3, wird auf Basis des Codice di Navigazione, Artikel 1100, angeklagt. Das heißt: wegen eines Gewaltaktes gegen ein italienisches Kriegsschiff. Während in Deutschland erfolgreich das Narrativ gestrickt wurde, Rackete sei wegen Schlepperei oder gar „Seenotrettung“ festgenommen worden, zentriert sich die Anklage auf diesen Punkt. Der Vorfall im Hafenbecken von Lampedusa, als Rackete ein Zollschiff abdrängte und das Leben der Beamten aufs Spiel setzte, wird jenseits der Alpen immer noch kaum kommuniziert.
Das Manöver schätzte die Staatsanwaltschaft als „willentlichen Akt“ ein, der einen Zusammenstoß provoziert habe. Die Skipperin habe keine Berechtigung dazu gehabt und habe die Aktion „mit vollem Bewusstsein“ herbeigeführt. Weitere Anklagepunkt wie die Beihilfe zur illegalen Migration würde die Staatsanwaltschaft gesondert verhandeln. Rackete hatte nach der Beinahe-Kollision behauptet, sich „verschätzt“ zu haben und sich bei den Behörden entschuldigt.
Der Skipperin der Sea-Watch 3 steht mit Patronaggio also ein Mann gegenüber, dessen Unabhängigkeit und Integrität außer Frage steht. Das Verfahren gegen Salvini und Patronaggios Kritik an der Migrationspolitik darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass er zu jener Sorte von Leuten gehört, die weder rechts noch links kennen. Bereits am Samstag, kurz nach der Festnahme Racketes, bezeichnete er das Manöver der Deutschen als „unzulässigen Gewaltakt“, der die „Sicherheit der Allgemeinheit“ gefährdet habe. Den Behörden ist wohl bewusst, dass der feindliche Akt eines ausländischen Zivilschiffes gegen ein italienisches Kriegsschiff einen Präzedenzfall schaffen könnte. Und in der italienischen Öffentlichkeit wird das Vorgehen immer mehr als Aktion einer NGO angesehen, um ihre Agenda mithilfe ausländischer Förderer durchzusetzen.
Marco F. Gallina schreibt vorwiegend auf seinem Löwenblog.