Tichys Einblick
Von der Leyen bei der Selbstverteidigung

„Säuberungen“ in der Bundeswehr

Kurz vor Ende der Talkshow Anne Will, in der es eigentlich um die französischen Präsidentschaftswahlen ging, kündigte Ursula von der Leyen noch "Säuberungen" in der Bundeswehr an.

Bundesministerin der Verteidigung, Ursula von der Leyen, und der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Volker Wieker, schreiten die Front der Rekruten anläßlich des Feierlichen Gelöbnisses auf dem Paradeplatz am Bendlerblock in Berlin ab, am 20.07.2015.

Bundeswehr

Das Beste kommt manchmal zum Schluss, wenn man schon fast eingeschlafen ist. So war es im Schlusspurt einer ansonsten belanglosen Sendung von Anne Will, in der sich alle über den Wahlsieg Macrons vor sich hin freuten. Dann wurden der Bundesministerin für Verteidigung der eigenen Karriere noch ein paar Fragen zu ihrem Ressort gestellt. Sie sprach viel von notwendiger Härte, um den notwendigen „Säuberungsprozess“ in Gang zu setzen. Der Finger war schon am Aus-Knopf. Säuberung? Bundeswehr? Politisch ist „Säuberung“ ein Begriff mit schrecklichem Klang. Folgen wir hier ausnahmsweise mal einfach nur Wikipedia:

Politische Säuberung

„Der Begriff der politischen Säuberung bezeichnet die Zwangsausgrenzung von Personen oder Personengruppen aus politischen Organisationen und Institutionen, insbesondere aus Parteien, Regierungen und öffentlicher Verwaltung. Diese Form der Säuberung kann von der Exklusion oder dem Parteiausschluss bis hin zur Tötung reichen.

In Parteien, insbesondere in undemokratischen Gesellschaftsformen, wird häufig eine aufkommende innerparteiliche Opposition mittels einer „Säuberung“ ausgegrenzt oder entfernt. Ziel ist meist der Machterhalt einer dominierenden Gruppierung. Innerhalb von autoritären und diktatorischen Regimen, insbesondere bei einer Einparteienherrschaft, kann sich diese Entfernung missliebiger Personen auch auf nachgeordnete Positionen in Staat und Gesellschaft ausdehnen und bis zum Staatsterror reichen. Eine große Rolle spielt der Begriff der Säuberung innerhalb der Geschichte kommunistischer Parteien und Organisationen im 20. Jahrhundert.“

Was treibt Ursula von der Leyen dazu, solche Begriffe zu verwenden? Sie begründete es damit, dass „mit aller Härte“ aufgeklärt werden müsse und ein „Säuberungsprozess“ stattfinden müsse – „da wird noch viel hochkommen“, drohte sie etwa ab Minute 59 in der Sendung. Säuberungen, ob mit oder ohne die Ergänzung „Prozess“ reduziert Menschen mit anderer Meinung zu Schmutz. Es ist die Sprache des Unmenschen, die von der Leyen verwendet. Übrigens: Wer in einer Organisation mit 180.000 Teilnehmern irgend etwas sucht, wird es finden. Die bisherigen 280 Verdachtsfälle, auf die sie sich beruft, entsprechen rund 0,15 % der beschäftigten Soldaten.

„Vorfälle“ im Wachbataillon

Konkrete Vorfälle nannte sie nicht, verwies nur allgemein auf bekanntgewordene „Vorfälle“. Dazu schreibt etwa die BamS: „Im Besprechungsraum des Jägerbataillons 292 der Fürstenberg-Kaserne in Donaueschingen hängen ein Landserbild und zahlreiche Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg an den Wänden. Darunter der Patronengürtel eines Maschinengewehrs 42, eine Maschinenpistole und eine Pistole. All diese Waffen hat die Wehrmacht benutzt. Sie dürften eigentlich in keiner Kaserne als Dekoration hängen. Denn laut dem Traditionserlaß der Bundeswehr darf die Wehrmacht nicht verherrlicht werden.“

Wenn also eine alte Waffe schon als Indiz für Nazismus gilt, muss von der Leyen zunächst in Berlin mit ihrer „Säuberung“ anfangen – beim Wachbataillon der Bundeswehr. Mit insgesamt sieben Kompanien und mehr als 1.000 Angehörigen zählt das Wachbataillon zu den größten Bataillonen der Bundeswehr. Es ist in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin-Wedding stationiert  (früher in Siegburg bei Bonn) und ist eine der bekanntesten Einheiten: Rekrutengelöbnisse, Staatsempfänge – immer mit klingendem Spiel und „Präsentiert das Gewehr“ dabei. Es sind keine neuen Waffen – sondern der Wehrmachtskarabiner, allerdings zum schießen untauglich gemacht. Denn anders als Repräsentationseinheiten vieler anderer Staaten verwendet das Wachbataillon für zeremonielle Anlässe nicht das jeweils eingeführte Sturmgewehr, sondern noch den K98k (Karabiner 98 kurz) der Wehrmacht. Schlimmer noch: Das Hakenkreuz war seit der Gründung immer dabei.  Erst 1995 wurden von den  Karabinern das teilweise noch vorhandene Beschusszeichen mit Hakenkreuz entfernt, nachdem dies im Bundestag von der SPD kritisiert worden war.

Müssen also die Soldaten des Wachbataillons wegen ihrer Nazi-Verbindung entlassen werden? Wie weit geht der „Säuberungs“-Aufruf der Ministerin zur Verteidigung der eigenen Karriere?