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Ja ja oder nein nein

Sachsen-Anhalt: CDU-Ministerpräsident entlässt seinen Landesvorsitzenden als Innenminister

Man kann Reiner Haseloff nur empfehlen, die Koalition mit der SPD und den Grünen platzen und sich nicht erpressen zu lassen.

picture alliance/dpa

Seit dem Frühjahr schwelt in Sachsen-Anhalts Koalition aus CDU, Grünen und SPD der Streit um die Erhöhung des Rundfunkbeitrages. Während die SPD, die Grünen und die Linken der Erhöhung des Rundfunkbeitrages zustimmen wollen, lehnen die Abgeordneten der CDU und der AfD die Erhöhung ab. Zwar hat Ministerpräsident Reiner Haseloff dem Rundfunkstaatsvertrag zugestimmt, doch er muss vom Landtag ratifiziert werden. Die Mehrheit der Abgeordneten, die CDU und AfD stellen, lehnt die Erhöhung ab, so dass sie nicht durch den Landtag kommen wird. Die Sitzung des Medienausschusses, der am Dienstag tagen sollte, wurde um eine Woche in der Hoffnung verschoben, einen Kompromiss zu finden.

Nun hat Holger Stahlknecht, der Innenminister Sachsen-Anhalts und Vorsitzende der Landes-CDU, der Volksstimme ein Interview gegeben, in dem er die Position von Fraktion und Landespartei festzurrte. Wörtlich sagte er, dass die Ablehnung der Gebührenerhöhung nicht verhandelbar sei. „Die CDU wird ihre Position nicht räumen. Der CDU-Landesvorstand hat das am Montagabend auch so einstimmig beschlossen. Die Partei steht ohne Wenn und Aber an der Seite der Fraktion.“ Deutlich lehnte Stahlknecht ab, sich zur Aufgabe von eigenen Positionen zwingen zu lassen, nur weil die AfD zustimmen wird.

Daraufhin hat der Ministerpräsident seinen Innenminister Stahlknecht entlassen. Ist der Innenminister das Opfer des politischen Appeasements mit den Grünen? In der Mitteilung der Magdeburger Staatskanzlei heißt es zur Begründung: „Wesentlicher Grund dafür ist, dass Herr Minister Stahlknecht unabgestimmt während der laufenden Bemühungen des Ministerpräsidenten, die 2016 gebildete Koalitionsregierung zu stabilisieren, öffentlich den Koalitionsbruch und die Möglichkeit einer allein von der CDU gebildeten Minderheitsregierung in den Raum gestellt hat.“

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Holger Stahlknecht hat Recht, dass die CDU sich nicht länger mit dem Verweis auf das Abstimmungsverhalten der AfD von den Grünen und von der SPD am Nasenring durch den Landtag führten lassen darf. Es ist eine Frage des Selbstbewusstseins, des Selbsts der CDU, eigene Position zu beziehen. Stahlknecht weist im Interview zu Recht daraufhin, dass die Position der CDU „zum Rundfunkstaatsvertrag … seit mehr als zehn Jahren bekannt“ ist, „da gab es noch keine AfD.“

Grüne und SPD pfeifen auf ihre staatspolitische Verantwortung, wenn sie damit drohen, diese Kenia-Koalition platzen zu lassen, falls die CDU-Fraktion gegen den Rundfunkstaatsvertrag stimmt, und nicht nur das, sie demonstrieren damit auch, dass parlamentarische Arbeit sich für sie in parteitaktischen Spielchen erschöpft und sie eine geringe Achtung vor dem Mandat des Abgeordneten haben, der nur seinem Gewissen verpflichtet ist.

Stahlknechts Haltung ist souverän, sie zeigt ein Maß an Selbst-Bewusstsein, das man von der CDU schon lange nicht mehr gesehen hat. Es wäre gut, wenn in Sachsen-Anhalt, dem Ursprungsland der Reformation, die CDU beginnen würde, sich aus der ideologischen Umklammerung der Grünen zu befreien. SPD und Grüne drohen, die Koalition zu verlassen. Reisende soll man nicht aufhalten. Ein vorzeitiges Ende der Kenia-Koalition würde auch die Position der CDU im bevorstehenden Wahlkampf verbessern.

Für den Fall, dass die Kenia-Koalition von der SPD und den Grünen gekündigt wird, würde die CDU als Minderheitsregierung bis zur regulären Landtagswahl, die am 6. Juni 2021 stattfindet wird, im Amt bleiben.

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Ungewiss ist, ob Reiner Haseloff die Minderheitsregierung führen würde, oder ob er in diesem Fall zurücktritt. In der CDU-Fraktion und in der Landespartei existiert keine große Liebe zur Kenia-Koalition und so mancher dürfte der Meinung sein, dass der Ministerpräsident den Grünen und der SPD zu oft und zu weit entgegen gekommen ist. Die verhärtete Haltung der Fraktion hängt auch damit zusammen, dass man nicht länger bis zur Selbstaufgabe die Wünsche des Wahlverlierers SPD und der in Sachsen-Anhalt schwachen Grünen erfüllen möchte.

Man kann Reiner Haseloff nur empfehlen, die Koalition mit der SPD und den Grünen platzen und sich nicht erpressen zu lassen. Ein „Hier steh ich, ich kann nicht anders“ ist gefragt, auch wenn Angela Merkel in Berlin das unverzeihlich finden wird. Man muss kein Prophet sein um vorauszusehen, welcher Druck aus Berlin auf Magdeburg ausgeübt werden wird. Sachsen-Anhalts CDU kann sich nur ein Beispiel an dem großen Sohn des Landes, an Martin Luther nehmen. Wenn sie es durchstehen will, wird sie es durchstehen.

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