Tichys Einblick
Internationaler Vergleich

Eingriffe des Staates mindern die Pressefreiheit in Deutschland

Die Presse in Deutschland wird unfreier. Wie ein Ranking von "Reporter ohne Grenzen" zeigt, liegt Deutschland in dieser Hinsicht hinter Jamaika und den Seychellen auf Platz 16. Schuld darin ist auch die Ausweitung staatlicher Befugnisse.

Ein Presseausweis dient dem Nachweis der haupt- oder nebenberuflichen journalistischen Tätigkeit gegenüber Dritten

IMAGO / Future Image

Die Pressefreiheit ist in Deutschland in Gefahr. In einem Vergleich der „Reporter ohne Grenzen“ ist die deutsche Medienlandschaft von Platz 13 auf Platz 16 gerutscht. Ein Schuldiger ist der Staat mit einer pressefeindlichen Gesetzgebung – und trotz über 8 Milliarden Euro Zwangsgeldern fehlt es an Medienvielfalt.
Deutschland hinter Finnland, Jamaika und den Seychellen: Doch dieses mal geht es nicht um den Internetempfang – sondern um die Qualität der Pressefreiheit im internationalen Vergleich. Den stellt die weltweit tätige Organisation „Reporter ohne Grenzen“ jährlich auf. Dieses mal ist Deutschland abgerutscht von Platz 13 auf 16. In der Bundesliga würde der Platz die Relegation gegen den Abstieg bedeuten. Meister sind indes die skandinavischen Länder Norwegen, Dänemark und Schweden.

Drei Faktoren sind Schuld am Abrutschen Deutschlands. Für die Reporter ohne Grenzen sind das „allen voran“ körperliche Übergriffe gegen Journalisten. Etwa bei Demonstrationen. Die Reporter zählen für Deutschland 80 Fälle im zurückliegenden Jahr. 15 Fälle mehr als 2020. 52 von 80 Vorfällen seien bei Demonstrationen der „Querdenker“ passiert. Allerdings räumen die Reporter ohne Grenzen in diesem Punkt statistische Mängel ein. Zudem gäbe es eine „hohe Dunkelziffer“: Viele einzelne Fälle würden nicht erfasst.

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Auch fließe es nicht in die Statistik ein, wenn die Polizei Journalisten durchsuche oder ihnen Platzverweise erteilt. Ein Beispiel dafür ereignete sich am vorletzten Wochenende in Berlin, als Journalisten über eine propalästinensische Demonstrationen berichten wollten und dafür von linken und pro-islamischen Demonstranten angegriffen wurden. Die Polizei schätzte die Gefahr, die von diesen Radikalen ausging, offensichtlich als größer ein als die von der Verfassung geschützte Pressefreiheit und führte die Journalisten vom Gelände.

Der Staat ist ohnehin massiv daran beteiligt, die Qualität der Pressefreiheit in Deutschland zu ruinieren: „Besorgniserregend ist auch die Cybersicherheitsstrategie der Bundesregierung, die eine Ausweitung der Befugnisse für Sicherheitsbehörden vorsieht“, berichten die Reporter ohne Grenzen. Diese ermöglichten den Behörden direkte Zugriffe auch auf die Rechner von Journalisten. Deren Recht und Pflicht, Quellen schützen zu müssen, wären so gefährdet. In der „Nahaufnahme Deutschland 2022“ erwähnen die Reporter ohne Grenzen die Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die dem Bund in diesem Bereich noch mehr Kompetenzen zugestehen wolle.

Und das, obwohl die staatlichen Schnüffelangriffe schon Thema vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sind: Der EGMR nahm im Januar 2021 eine Beschwerde der Reporter ohne Grenzen gegen die Praxis der „anlasslosen Massenüberwachung“ an. Diese erlaubt dem BND etwa den Uhlenbuscher Tagesboten auszuspionieren, um so Beispielsweise Cyber-Angriffe aus Russland zu verhindern. „Doch die damit verbundenen Grundrechtseingriffe sind so weitreichend, dass diese keinesfalls gerechtfertigt sind“, kritisieren die Reporter ohne Grenzen.

Der deutsche Staat gefährdet die Pressefreiheit aber nicht nur, indem er Journalisten ausschnüffelt. Auch seiner demokratischen Pflicht zur Transparenz kommt er nicht genügend nach. Zwar müssen staatliche Stellen Journalisten grundsätzlich Auskunft erteilen. „In der Praxis zeigt sich aber, dass die Ansprüche zu unbestimmt sind und daher zu oft unbegründet zurückgewiesen werden“, monieren die Reporter ohne Grenzen. Als Beispiel nennen sie den ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der sich lange geweigert habe, in der „Maskenaffäre“ Namen zu nennen. Sein Nachfolger Karl Lauterbach (SPD) führt die Tradition des Hauses fort. So beklagte sich jüngst die Welt, dass Lauterbach Informationen zu der Untersuchung zurückhalte, ob und wie die bisherigen Corona-Maßnahmen gewirkt haben.

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Zudem kritisieren die Reporter ohne Grenzen, die Praxis der großen sozialen Netzwerke, Beiträge zu schnell zu löschen: Die Pressefreiheit käme hier zu kurz, da die Löschung rechtswidriger Inhalte deutlich über dem Schutz der zu Unrecht gemeldeten Inhalte stünde. Einen Umstand, den die große Koalition in Deutschland unter Justizminister Heiko Maas (SPD) gefördert hat – durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. In der Frage, ob sie löschen oder nicht, werden die sozialen Netzwerke in Deutschland vom Justizministerium kontrolliert. Für Reporter ohne Grenzen ist das ein Verstoß „gegen die in der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste festgeschriebene Staatsferne“.

Der Staat bemüht sich zwar vermeintlich um die Medienvielfalt, indem er Zwangsgebühren durchsetzt, die ARD und ZDF über acht Milliarden Euro in die Kasse spülen. Doch die Medienvielfalt sei trotzdem ein Manko in Deutschland, kritisieren die Reporter ohne Grenzen. Die publizistische Vielfalt nehme vor allem in den ländlichen Regionen ab, in Folge der Fusionswelle bei Zeitungen. Pläne der großen Koalition zur Presseförderung sind gescheitert. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wollte etablierten Verlegern Geld für ihre Anzeigenblätter zukommen lassen, die gespickt sind mit abgedruckten Pressemitteilungen. Für neue Medienformate sollte es indes kein Geld geben. Immerhin von ARD und ZDF werden diese neue Medien bedacht: Die von staatlich eingetriebenen Geldern gut bezahlten Journalisten von ARD und ZDF greifen unabhängige Konkurrenten an, wenn diese nicht die politische Meinung von Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks teilen – Pressefreiheit, Platz 16 im internationalen Vergleich. Der Abstiegskampf geht weiter.

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