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Wirkungslose Wahlgeschenke

Prasser-Koalition fabuliert jetzt von „richtiger Prioritätensetzung“

Erst haben sie die Sozialausgaben hochgejazzt, jetzt beklagen sie konjunkturbedingte Steuerrückgänge. Doch die teure Respektrente bleibt auf der Agenda.

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Es ist schon dummdreist, wie die Berliner Koalition die aktuelle Steuerschätzung orchestriert. Olaf Scholz & Friends mahnen mit treuherzigem Augenaufschlag künftig Zurückhaltung beim Geldausgeben an, verstehen darunter aber vor allem die Absage an eine längst überfällige Steuerentlastung für Wirtschaft und Bürger, obwohl die deutschen Unternehmenssteuersätze international nicht mehr konkurrenzfähig sind und die Abgabequote für die Bürger rekordträchtig hoch liegt. Von einem Nein des Bundesfinanzministers zum teuren „Respektrenten“-Projekt seines SPD-Kollegen Hubertus Heil ist dagegen nichts zu hören, obwohl das schon mittelfristig zweistellige zusätzliche Milliardenbeträge im Jahr kosten wird.

Doch nun ein kleiner Blick auf die Faktenlage: Obwohl Bund, Länder und Gemeinden ihre Einkommenserwartungen im Vergleich zur letzten Schätzung vom vergangenen November in den fünf Jahren von 2019 bis 2023 um insgesamt 124 Milliarden Euro nach unten korrigieren müssen, steigen die Steuereinnahmen aller staatlichen Ebenen weiter. Für 2019 sind jetzt neu 794 Milliarden veranschlagt, die bis 2023 auf 908 Milliarden ansteigen werden. Weil der Bundesfinanzminister in den Eckwerten zum Bundeshaushalt 2020 und in der mittelfristigen Finanzplanung bereits die meisten Steuerrechtsänderungen und die nachlassende konjunkturelle Dynamik eingeplant hat, müssen nach seiner Lesart beispielsweise nur noch Mindereinnahmen von 1,6 Milliarden Euro im Haushaltsplanentwurf für 2020 berücksichtigt werden.

Alles nicht so dramatisch ist seine Metabotschaft, damit dem sozialdemokratischen Kassenwart von seiner Partei ja nicht unterstellt werden kann, dass er mit großen Haushaltslöchern Obstruktion gegen die von ihr geplanten weiteren sozialen Großtaten macht. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhard Rehberg, der aus dem Landesverband der Kanzlerin stammt, schlägt am gleichen Tag noch die Tür zu Steuersenkungen zu und geht damit der SPD auf den Leim. Dabei hatte sein derzeit massiv unter Druck stehender Wirtschaftsminister Peter Altmaier genau dies Stunden vor der Bekanntgabe der neuen Steuerschätzung noch eingefordert. Diese Dissonanz belegt einmal mehr, dass auch die Union keine stringente finanz- und steuerpolitische Strategie verfolgt. Der SPD kann es nur recht sein, weil sie dann den Kurs weiterverfolgen kann, den sie bereits in den Koalitionsverhandlungen dem größeren Partner aufs Auge gedrückt hat. Für Soziales ist immer Geld da, ohne Rücksicht auf Verluste. Nicht weniger als 46 Milliarden Euro an Wohltaten hatten die Koalitionäre damals in ihren Vertrag geschrieben.

Trotz ständiger Einnahmerekorde bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen und abnehmenden Kosten wegen einer rekordträchtig niedrigen Arbeitslosigkeit schaffte es eine der teuersten Koalitionen aller Zeiten, die Sozialausgaben nominal wie real auf die höchsten Niveaus aller Zeiten zu hieven. Bereits in diesem Jahr gibt die Bundesregierung mehr als 56 Prozent aller Ausgaben im Bundeshaushalt für soziale Zwecke aus. In Zahlen sind das 200 (!) Milliarden Euro.

Ich darf zum Schluß den treuherzigen Olaf Scholz zitieren: „Wir müssen jetzt die richtigen Prioritäten setzen. Das sollte immer Anspruch von Politik sein. In Zeiten geringerer finanzieller Spielräume gilt es aber umso mehr.“ Doch Scholz und die SPD wollen vor allem „in den sozialen Zusammenhalt in unserem Land (..) investieren“, um einen deutschen Trump zu verhindern. Die zitierte Formulierung findet sich sogar in der Pressemitteilung des BMF zur Steuerschätzung. Dass die wohlfahrtsstaatliche Gießkannenpolitik bei den Wahlen im vergangenen Jahr die Pleiten von SPD (und Union) nicht verhindert hat, müsste eigentlich bekannt sein. Sie wird auch die Pleite der Koalitionsparteien bei der Wahl zum EU-Parlament nicht verhindern. Wer die Prioritäten heute tatsächlich richtig setzen will, der muss angesichts der konjunkturellen Lage die Entlastung der Steuer- und Abgabepflichtigen forcieren. Die Komplettabschaffung des Solidaritätszuschlags und eine kluge Unternehmenssteuerreform würden sich zum Teil selbst finanzieren, weil sie Investitionen und Konsum befeuerten. Mehr Geld in den Taschen der Bürger statt beim Fiskus würde ganz nebenbei dazu beitragen, dass eine weitere Aufblähung des Sozialstaats durch die Politik mangels Masse unterbleiben müsste.