Tichys Einblick
Maßnahmenkritiker als „Nazis“ bezeichnet

Organisatorinnen von #friedlichzusammen wehren sich mit Verleumdungsklage gegen Janosch Dahmen

Der Protest gegen die Corona-Maßnahmen und die Impfpflicht erscheint immer mehr als politische Zeitenwende. Die „Pandemiepolitik“ hat viele Bürger aufwachen und nach Alternativen suchen lassen. Mit diesem Wunsch treten sie jetzt an die Politik heran, doch die hört lieber weg. Das Beispiel #friedlichzusammen und Grüne.

Bild: © Friedlichzusammen via Facebook

Immer wieder müssen sich Kritiker der aktuellen Corona-Maßnahmen, die ihre Meinung nicht nur im heimischen Wohnzimmer pflegen wollen, sondern dafür auch mutig auf die Straße gehen, den Nazi-Vorwurf gefallen lassen. Selbst wenn sich das Etikett nicht so leicht anbringen lässt, geben viele es nicht auf und suchen weiter nach Gründen, um Sachen wie Janosch Dahmen schreiben zu können. Der Bundestagsabgeordnete der Grünen twitterte am 12. März: „In Uniform mit Nazis demonstrieren, Wissenschaft leugnen und den Schutz anderer Menschen diskreditieren, geht gar nicht!“

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In seinem Tweet nahm Dahmen ohne große Not die Erregung eines Hamburgers Feuerwehrsprechers auf, um seinerseits gegen eine überaus friedliche Demonstration in Berlin zu protestieren. Jan Ole Unger, Sprecher der Feuerwehr Hamburg, auf Twitter natürlich privat, fand, dass Feuerwehrleute auf „Impfgegner- und Schwurbler-Demos“ nichts zu suchen hätten. Darüber hinaus konnte er aus Hamburg anscheinend gut erkennen, dass hier „zusammen mit Rechten marschiert“ wurde.

Nun meinte Unger mit „Rechten“ vermutlich Rechtsextreme. Am 12. März war von solchen rund um den Mauerpark im hippen Prenzlauer Berg nichts zu sehen. Der Autor des Beitrags schaute sich bei der Demonstration von #friedlichzusammen am 12. März vor Ort um. Falls Rechtsextreme dort waren, dann waren sie jedenfalls nicht als solche zu erkennen, ganz im Gegensatz zu der Handvoll Antifa-Vertreter, die irgendwo an der Strecke ein Stand-in abhielten und ihre bekannten Parolen riefen.

Abeßer: Protest wird in die rechte Ecke gedrängt

Doch nach Unger tobte der Grünen-Abgeordnete Dahmen gegen die Demonstranten von #friedlichzusammen. Hatte man durch den gewählten Ort des Protests einen Nerv bei dem Grünen getroffen? Das Viertel rund um den Mauerpark könnte man auch als Grünen-freundliches Biotop bezeichnen. Der Demonstrationszug der Maßnahmenkritiker könnte auf Dahmen so gewirkt haben wie die Umzüge der nordirischen Protestanten durch katholische Viertel. Doch es geht nicht um Konfrontation dabei, eher um eine Einladung, die Dinge einmal anders zu sehen.

In der Tat fällt es schwer, die Gründerinnen von #friedlichzusammen als etwas anderes denn als die wohlbekannte „Mitte der Gesellschaft“ anzusehen. Eine von ihnen ist die Schauspielerin Miriam Stein, die Teil der Aktion #allesdichtmachen war. Von Anfang an dabei sind auch die Juristin Nicole Reese und die Pädagogin Nele Flüchter, die schon zuvor im Bündnis #lautfürfamilien aktiv waren, das die Masken- und Testpflicht für Schulkinder kritisiert.

Deborah Abeßer, Marketingmanagerin und eine der sieben Gründerinnen, sagt, die Organisatoren seien immer wieder entsetzt, wenn dieser Rechts-Vorwurf geäußert wird: „Leider wird, wer gegen die Maßnahmen oder die Impfung protestiert oder auch nur Fragen stellt, praktisch seit Beginn der Pandemie in die rechte Ecke gedrängt oder gar als ,Nazi‘ beschimpft. Was in diesem Land die maximale Mundtot-Keule ist und jede weitere sachliche Diskussion unmöglich macht.“

Dahmen ist heute so etwas wie der Reserve-Lauterbach, der den Corona-Aktivismus des aktuellen Gesundheitsministers bei einem unvermittelten Abtritt bruchlos übernehmen könnte. Das Surfen auf den Ängsten eines Publikums, welches dem selbsternannten „Corona-Experten“ zuvor an den Lippen hing, gehört zu diesem Geschäft wie das Amen in der Kirche. Kein Wunder, dass Dahmen auch von der Maskenpflicht in diversen Innenräumen noch nicht lassen mag und auf „Nachschärfungen“ am Gesetz drängt. Darin stimmt ihm auch die SPD-Vorsitzende Esken zu. Man kann sich lang und breit fragen, wie Grüne und Sozialdemokraten auf diesen neo-autoritären Kurs verfallen sind.

Besonders entsetzt ist Abeßer darüber, dass die NRW-Grünen, wie in der Welt berichtet, eine Art „Gesinnungspolizei“ installieren wollen, um gegen „Verschwörungsgläubige und Corona-Leugner“ vorzugehen: „Angesichts der Willkürlichkeit der Definition und Benennung dieser beiden ‚Gesinnungsgruppen‘ kann einem da nur Angst und Bange werden, was Andersdenkenden in Deutschland in Zukunft bevorsteht.“

Fragen an die Politik werden ignoriert, Realität wird nicht anerkannt

Dabei kommen die Gründerinnen von #friedlichzusammen selbst keineswegs aus der rechten, eher aus der „linken, grünen Ecke“, wie Abeßer erzählt: „Deshalb reagieren wir jedesmal mit ehrlichem Entsetzen darauf, weil wir einfach nicht glauben können, dass das die einzige Ecke ist, in die man gesteckt wird, wenn man sagt, ich bin nicht für diese Maßnahmen, ich bin gegen die Impfpflicht.“ Die Marketingmanagerin betont allerdings, dass sie und ihr Team bei #friedlichzusammen kaum mehr wissen, was diese Bezeichnungen eigentlich noch bedeuten: „Wir diskutieren oft darüber, was heute ‚links‘ und ‚rechts‘ ist. Fest steht, wir sehen alle eine Diskrepanz zwischen dem, was wir dachten, wofür es einmal stand, und dem, wie sich die linken und rechten Parteien heute politisch äußern. Da scheint Links heute manchmal mehr rechts zu sein als manch ‚rechte‘ Parteien.“

Vor allem kann Abeßer nicht verstehen, wie Politiker, die früher „aus der Opposition heraus immer ein großes Warum“ hingestellt hätten, nun gar nicht mehr nach dem Warum fragen und das auch bei anderen nicht mehr zulassen wollen, und zwar „kategorisch“. Insofern grenze man sich von diesen „neuen Grünen“ sehr stark ab, weil „wir für uns alle nur das Recht in Anspruch nehmen wollen, nach Gründen zu fragen und nach der Verhältnismäßigkeit, der Rechtmäßigkeit der Politik“.

In ihrer Rede am 12. März im Amphitheater des Mauerparks (hier dokumentiert) kam die Kinderkrankenschwester und Psychologin Heidi Müller zu dem Schluss, dass Abwehrmechanismen eine große Rolle beim Umgang mit der Maßnahmenkritik spielen: Dazu gehört das „Nicht-Anerkennen eines unerwünschten Teils der Realität im Außen“, Intellektualisierung („Wir sind die Wissenschaftler, wir wissen es besser“) und die unmittelbare Abwertung von Eltern und Kindern, wenn sie Zweifel äußern oder Fragen stellen.

Zum Teil wurde die Initiative #friedlichzusammen wohl sogar gegründet, um genau solcher Kritik wie der von Unger und Dahmen zu entgehen. Die Stigmatisierung der sogenannten Querdenker-Bewegung im letzten Jahr war in einem solchen Maße erfolgreich, dass sich die Berliner nicht mehr auf Demonstrationen trauten. Dabei spielte leider auch das Verhalten der Polizei bei den Großdemonstrationen des letzten Jahres eine Rolle, meint Abeßer. Das habe viele Berliner verschreckt und ihnen Angst gemacht.

Protest der Mütter gegen die Abschaffung der Kindheit

Schon der Name #friedlichzusammen ist ein Reflex dieser Erfahrung. Seit vergangenem Dezember ruft die Initiative einmal im Monat zum Demonstrieren auf, mit wechselnden Themen, die sich nach der aktuellen politischen und Gesetzeslage richten: „Wir gehen von Monat zu Monat, mit wechselnden Schwerpunkten, aber immer für eine freie Impfentscheidung und für ein Ende der Maßnahmen. Unsere Fokusthemen richten sich nach der aktuellen politischen und gesetzlichen Lage. Und weil die sich schnell ändern kann, müssen auch wir flexibel bleiben.“

Eine der ersten Demos wurde unter dem Motto „Solidarität mit dem Blaulicht-Personal und für die Rechte der Kinder“ angemeldet. Offensichtlich handelte es sich um zwei durch die Maßnahmen (also Test-, Masken- und Impfpflichten) besonders betroffene Gruppen. Heute plädieren die Demo-Veranstalter außerdem „für eine schnelle Exitstrategie zur Wiederherstellung aller Grundrechte“ und die Anerkennung der natürlichen Immunität.

Graswurzelbewegung
Corona-Proteste sind nicht zu stoppen
In einem Artikel auf der Belltower-Plattform der staatlich geförderten Amadeu-Antonio-Stiftung wurde den Demonstranten tatsächlich vorgeworfen, Kinder zu „instrumentalisieren“. Auch dieser Vorwurf ist einigermaßen infam angesichts der Tatsache, dass #friedlichzusammen auch und gerade von Müttern getragen wird. Einer der Slogans der jüngsten Demonstration hieß deshalb #kindsein – ein durchaus „mütterlicher“ Gedanke, meint Abeßer dazu und gibt zu bedenken: „Kinder sind nicht die Treiber der Pandemie, sie sind auch nicht die Risikopatienten.“ Trotzdem mussten Kinder, die in unserer Kultur bisher als besonders schützenswert galten, in den letzten beiden Jahren einen Teil der Last der Pandemie tragen. Viele von ihnen lebten in der Angst, „Oma zu töten“, nur weil sie ihre Maske nicht richtig tragen. Geht es nach den Organisatorinnen, sollen Kinder endlich wieder Kind sein dürfen – die Verantwortung sollen wieder die Erwachsenen übernehmen.

Der Belltower-Bericht vom Januar ist ein Muster für die Arbeit der Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich angeblich für die „Stärkung der Zivilgesellschaft“ einsetzt. Darin wird mit homöopathischer Detailfreude zwischen „linker und rechter Symbolik“ unterschieden, um den Protest dann insgesamt „zwischen Antifa und Faschist:innen“, also als Querfront-Ereignis einzuordnen, auf dem sich angeblich beide Gruppen tummelten. Es ist ein ziemlich realitätsfernes Porträt der Bewegung, wie sie sich am 12. März darstellte.

Der letzte Demonstrationsaufruf lautete: „Kommt zahlreich. Mit oder ohne Impfung. Mit oder ohne Kinder. Aber für eine Zukunft in einer gelebten Demokratie, ohne Masken, Krieg, Hungersnöte und Medienpropaganda.“ Rechtsradikal klingt auch das nicht. Auch bei der letzten Demonstration am Mauerpark im Prenzlauer Berg waren Krankenpfleger und Feuerwehrleute stark vertreten, um gegen die unmittelbar bevorstehende Impfpflicht für ihre Berufsstände zu protestieren.

Janosch Dahmens „Hassrede“ und eine Reaktion

Inzwischen haben Mitglieder von #friedlichzusammen Strafanzeige gegen Janosch Dahmen wegen Verleumdung und Beleidigung erstattet. Man will sich so wehren gegen etwas, das man durchaus als „Hate speech“ bezeichnen könnte, als Hass und Hetze gegen Andersdenkende. Deborah Abeßer weist darauf hin, dass sich ja auch Politiker manchmal mit dem Hassrede-Vorwurf gegen etwas wehren, was man durchaus auch als Kritik ansehen könnte. Sie meint darüber hinaus, dass es vielleicht einmal eine Debatte wert wäre, zu fragen, ob nicht auch der häufig wahllos verteilte Nazi-Vorwurf der Definition von Hassrede entspricht: „Wenn man in Deutschland jemanden als Nazi bezeichnet, dann ist das so ziemlich das Schlimmste, was man jemandem vorwerfen kann.“ Ob man so etwas als Abgeordneter sagen darf? Diese Frage gehört wohl in das generelle Erstaunen über ein breiteres Problem hinein: Wie diskriminierend und ausgrenzend darf eigentlich ein demokratisch gewählter Politiker gegenüber einem Teil der Bürger auftreten?

Der Vorwurf an eine Demonstration, die falschen Menschen bei sich zu beherbergen, sozusagen den Falschen einen Rahmen und ein manierliches Ansehen zu geben, ist leider bezeichnend für das heutige Diskussionsniveau. Es scheint ein Gedanke von Menschen zu sein, die an den Ausschluss unbequemer Menschen und Positionen glauben. Um hier keinen weiteren Stoff zu bieten, bitten die Veranstalter von #friedlichzusammen inzwischen darum, keine politischen Symbole auf die Demonstrationen zu bringen.

Es gibt aber eine politische Trennlinie, die auf jeder Demonstration von #friedlichzusammen deutlich gemacht wird: Mit Nazis will man tatsächlich nicht demonstrieren. Am 12. März machte man ein kleines Ritual daraus. Im Amphitheater des Mauerparks skandierte die Rednerin ein mehrmaliges „Nazis raus“ und klatschte dazu beide Hände über dem Kopf zusammen, etwa so, wie es die Isländer bei ihrem EM-Jubelritual taten. Die umstehende Menge schließt sich mit Stimme und klatschenden Händen an. Mehr Gegen-Nazis-Stimmung geht eigentlich kaum.

Insofern möchte man Janosch Dahmen wünschen, mit den Veranstalterinnen ins Gespräch zu kommen. Deborah Abeßer würde den grünen Bundestagsabgeordneten gerne einladen. Sie glaubt an den Dialog, will Brücken bauen: „Ich glaube, dass wir alle mehr miteinander sprechen müssen.“ Politiker aller Parteien sollten mehr mit „Ungeimpften“ sprechen, meint sie, auch nach dem ominösen „Freedom Day“, der inzwischen mit mittelmäßigen Auswirkungen verstrichen ist.

Für weitere Eindrücke der #friedlichzusammen-Demos: https://www.instagram.com/friedlichzusammen/

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